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News: 'Junk'-freies Ende

Wie die Wurst, hat auch ein Chromosom zwei Enden. Diese Telomere genannten Abschnitte spielen eine wichtige Rolle bei der Chromosomenverdopplung. Bei der sich anschließenden Subtelomerregion gingen Genetiker bisher davon aus, dass sie nur als funktionslose Stücke die Telomere von den Genen der Chromosomen abgrenzen. Das Humangenomprojekt offenbarte jetzt den Irrtum dieser Annahme: Denn auch auf dem Grenzgebiet der Chromsomenenden finden sich funktionsfähige Gene.
Telomere machten es den Genetikern des Humangenomprojektes nicht leicht. Penetrant wiederholen die Chromosomenenden immer wieder die Basenabfolge TTAGGG. Doch diese scheinbare Langeweile dient einem wichtigen Zweck: der Chromosomenverdopplung. Bevor das Enzym für die DNA-Verdopplung – die DNA-Polymerase – ihre Arbeit beginnen kann, muss sich ein so genannter RNA-Primer an das Ende des Stranges anlagern. Dadurch verliert der DNA-Faden bei jeder Verdopplung sein Anfangsstück, die sich wiederholende Telomersequenz. Die Telomere dienen damit als Puffer, der den Verlust wertvoller genetischer Information verhindert. "Telomere und subtelomere Regionen machen nur ein Prozent des menschlichen Genoms aus, aber sie sind ziemlich wichtig", erklärt Harold Riethman vom Wistar Institute in Philadelphia. "Wenn die Zellmaschinerie, welche die Telomere erhält, beschädigt ist, kann sich die Zelle nicht mehr richtig teilen, was eines der Kennzeichen von Krebs ist."

Jedoch gerade in der simplen Sequenz liegt für die Genetiker, die das menschliche Erbgut entziffern wollen, das Problem. Um die Basenabfolge eines Chromosoms zu bestimmen, müssen die Forscher es in kleine Stücke zerschneiden und diese vervielfältigen. Wiederholen sich immer wieder die gleichen Basen – und das für 23 Chromosomen, also 46 Telomere – ist eine Zuordnung der einzelnen Teilstücke nicht mehr möglich. Riethman bediente sich daher eines Tricks. Zusammen mit seinen Forscherkollegen baute er Hefechromosomen zu künstlichen Chromosomen um, die längere Chromosomenabschnitte des Menschen enthielten. Mit diesem half yeast cloning vehicle konnte er die Telomere mit ihren sich anschließenden Subtelomerregionen aus dem Erbgut des Menschen herausfischen und vervielfältigen.

Mit ihrer Methode analysierten die Wissenschaftler 34 der 46 Telomere aus der jetzt vorliegenden "Arbeitsversion" des menschlichen Erbgutes. Sie interessierten sich vor allem für die angrenzenden Subtelomerregionen. Bisher glaubten die Genetiker, dass hier nicht viel zu holen sei; die für Proteine codierenden Gene sollten erst viel weiter im Innern des DNA-Fadens auftauchen. Teilweise bestätigte sich diese Annahme: Oft wiederholte sich hier in langer Reihe immer die gleiche Basenabfolge. Doch bei 18 Telomeren fanden die Genetiker nicht dieses Einheitsmuster, sondern unterschiedlich zusammengesetzte Subtelomerregionen, die individuell von Mensch zu Mensch variieren können. In vielen dieser Regionen erschienen unerwarteterweise bereits bekannte, aber auch noch unbekannte Gene.

Damit wird die bisher geltende These, die Subtelomerregion enthalte nur "junk", also nur unbedeutenden Trödel, hinfällig. "Diese Muster der groß-maßstäblichen Variationen gibt es nicht in anderen Regionen des Genoms", erläutert Riethman. "Das bedeutet, dass Telomere zu den flexibelsten Regionen des menschlichen Genoms gehören und sich vielleicht wesentlich schneller als andere Regionen entwickeln." Und er ergänzt: "Die vielen Gensequenzen weisen darauf hin, dass die Subtelomerregionen wichtige Funktionen haben könnten und nicht nicht einfach nur überflüssige 'junk'-DNA sind."

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