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Kommunikation: Menschen führen gerne tief gehende Gespräche mit Fremden

Wir profitieren von tiefgründigen Gesprächen. Dennoch setzen viele oft auf Small Talk. Etwa weil man das Interesse des Gegenübers unterschätzt oder befürchtet, ihm zu nahe zu treten. Häufig zu Unrecht.
Junge Erwachsene im Gespräch – hoffentlich nicht nur über das Wetter.

Small Talk mag ein guter Gesprächsöffner sein, doch »Deep Talk« ist es, der Beziehungen stärkt und den sich viele Menschen in Wahrheit ersehnen. Darauf deutet eine Reihe von Experimenten hin, deren Ergebnisse im »Journal of Personality and Social Psychology« veröffentlicht wurden. Menschen beschränken sich demnach oft auf Small Talk, obwohl sie sich nach tiefgründigen Gesprächen besser fühlen würden.

Das Ergebnis basiert auf zwölf Experimenten mit insgesamt mehr als 1800 Teilnehmenden. Die Forscher baten Paare von Menschen – hauptsächlich Fremde –, entweder relativ tiefgründige oder oberflächliche Themen zu diskutieren. Zu den oberflächlichen Themen, die es zu besprechen galt, gehörten typische Small-Talk-Fragen wie »Was ist die beste Fernsehsendung, die Sie im letzten Monat gesehen haben?« oder »Was denken Sie über das Wetter heute?«.

Einige Teilnehmende jedoch hatten den Auftrag, deutlich intensiver mit ihrem Gegenüber zu sprechen. Fragen waren etwa: »Wofür sind Sie in Ihrem Leben am dankbarsten?« oder »Wenn eine Kristallkugel Ihnen die Wahrheit über sich selbst sagen könnte, Ihr Leben, Ihre Zukunft oder irgendetwas anderes, was würden Sie wissen wollen?« sowie »Können Sie beschreiben, wann Sie einmal vor einer anderen Person geweint haben?«.

»Menschen, die sich mit anderen auf sinnvolle Weise austauschen, sind in der Regel glücklicher«

Nachdem sie die Fragen gelesen hatten, berichteten die Versuchspersonen, was sie von dem bevorstehenden Gespräch erwarteten. Viele fürchteten, sich unwohl zu fühlen oder ihr Gegenüber in eine unangenehme Situation zu bringen. Doch sie lagen falsch.

»Wenn eine tiefe und sinnvolle Verbindung mit anderen das Wohlbefinden steigert, warum tun die Menschen dies dann nicht häufiger im Alltag?«
Nicholas Epley, Verhaltensforscher

Der Großteil der Teilnehmenden überschätzte, wie unbehaglich ein tiefes Gespräch mit einem Fremden sein würde, und unterschätzte, wie verbunden sich Probanden mit dem Gesprächspartner fühlen und wie glücklich sie anschließend sein würden. Das hat sich laut den Autoren in allen Experimenten gezeigt. »Die tiefer gehenden Gespräche waren in Wirklichkeit nicht unangenehmer als die typischen«, schreibt das Team.

»Menschen, die sich mit anderen auf sinnvolle Weise austauschen, sind in der Regel glücklicher«, sagt Mitautor Nicholas Epley, Professor für Verhaltenswissenschaften an der University of Chicago Booth School of Business, in einer begleitenden Pressemitteilung. »Dies erschien uns als ein interessantes soziales Paradoxon: Wenn eine tiefe und sinnvolle Verbindung mit anderen das Wohlbefinden steigert, warum bemühen sich die Menschen im Alltag dann nicht häufiger darum?«

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