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Präsolare Archäologie: Kosmische Schmutzpartikel verraten ihre Herkunft

Des einen präsolarer Dreck ist des anderen interstellarer Sternenstaub: Winzige Staubkörnchen in Meteoriten liefern Hinweise, von welcher Art Stern sie stammen.
Der Kugelsternhaufen NGC 2108, in einer Aufnahme des Hubble Weltraumteleskops, mit einem auffälligen, tiefrot leuchtenden Stern links unten im Kugelsternhaufen. Dabei handelt es sich um einen Kohlenstoffstern.

Mikroskopisch kleine interstellare Staubkörnchen sehen nicht allzu eindrucksvoll aus, doch sie erzählen eine Milliarden Jahre alte Geschichte. Sie können immer noch verraten, in welcher Art von Stern sie ursprünglich entstanden sind, stellte nun ein Team um Nan Liu von der Washington University in St. Louis fest. Wie die Arbeitsgruppe im Fachmagazin »The Astrophysical Journal Letters« schreibt, stammen sie aus verschiedenen Typen von alternden Kohlenstoffsternen – Himmelskörper, die in ihrer Atmosphäre über mehr Kohlenstoff als Sauerstoff verfügen und tiefrot erscheinen. Auch Supernova-Explosionen scheinen einen bisschen Sternenstaub zum Sonnensystem beigesteuert zu haben.

Liu und ihre Kolleginnen und Kollegen untersuchten für ihre Studie 85 solcher präsolaren Körner aus dem Murchison-Meteoriten. Die Zusammensetzung und das Isotopenverhältnis dieser Partikel aus Siliziumkarbid, einem Mineral aus Kohlenstoff und Silizium, liefert Hinweise darauf, welche Art von Kohlenstoffstern sie ursprünglich hergestellt hat. Zwei der fünf untersuchten Arten von präsolaren Körnern passen gut zu ganz normalen Kohlenstoffsternen – alternden Riesensternen, die im sichtbaren Licht tiefrot erscheinen. Außerdem fanden sie Hinweise darauf, dass einige der anderen Partikel von exotischeren und weniger gut erforschten Kohlenstoffsternen kommen könnten und einige womöglich gar bei Sternexplosionen entstanden.

Bevor jene Staubpartikel aus Siliziumkarbid im Massenspektrometer der Arbeitsgruppe landeten, hatten sie bereits so einiges hinter sich: Sie bildeten sich vor rund 5 Milliarden Jahren in den kohlenstoffreichen Atmosphären ihrer Ursprungssterne; deren Sternenwind blies sie in die Weiten der Galaxie hinaus. Dort fanden sie sich zunächst in der Gegend unseres Sonnensystems wieder – das damals noch gar nicht existierte. Einige der Staubeinschlüsse des Murchison-Meteoriten sind bis zu 5,5 Milliarden Jahre alt. Selbst die jüngsten der untersuchten Staubkörner sind älter als die Sonne.

Widersprüche zu bisherigen Modellen und Messungen

Als das Sonnensystem vor rund 4,6 Milliarden Jahren entstand, wurde ein Teil von ihnen in einem Gesteinsbrocken eingeschlossen. Dort passierte ein paar Milliarden Jahre lang recht wenig, bis der Gesteinsbrocken vor rund 50 Jahren über Australien als Murchison-Meteorit auf die Erde fiel. Für die Analyse befreite das Team um Liu die kleinen Staubpartikel zunächst von Dreck, der sich auf ihrer Oberfläche angesammelt hatte. Jener Dreck stammt zwar auch aus der Frühzeit des Sonnensystems, gehört da aber eigentlich nicht hin – vor allem nicht, wenn er die Messungen der Isotopenverhältnisse der eigentlichen präsolaren Partikel stört.

Dafür wurde der Sternenstaub gesputtert: ein Prozess, bei dem ein hochenergetischer Ionenstrahl Atome und Teilchen von der Oberfläche entfernt, bis die Forscherinnen und Forscher sich sicher sein konnten, wirklich die innere Zusammensetzung der präsolaren Körner im Massenspektrometer zu vermessen und nicht irgendwelche nach der Entstehung des Sonnensystems hinzugekommene Verunreinigungen. Das, so zeigen die Messungen, ist auch nötig. Vor allem das Isotopenverhältnis von Stickstoff veränderte sich daraufhin auffällig, verglichen mit Messungen ohne das Sputtern.

Die Schlussfolgerung der Forscherinnen und Forscher: Frühere Studien solcher vor dem Sonnensystem entstandener Körner seien womöglich auf falsche Messwerte gekommen. Sie hätten wohl in Wirklichkeit auch Kontaminationen mit solarem Kohlenstoff, Stickstoff, Aluminium und Magnesium gemessen, ohne den Grad dieser solaren Verschmutzung genauer angeben zu können. Ein weiteres Ergebnis: Die Prozesse innerhalb von Sternen sind wohl immer noch nicht gut genug verstanden, um sie mit Modellen vollständig abzubilden. Das schließt das Team um Liu aus dem Isotopenverhältnis des Elements Aluminium, das von den mit eben diesen Modellen berechneten Werten um mindestens einen Faktor zwei abweicht.

Genau welche Sterne den präsolaren Dreck vor Milliarden von Jahren auf seine Reise gen künftiges Sonnensystem geschickt haben, darüber können die Forschenden keine Auskunft geben. Aber wir erhalten immer mehr Klarheit darüber, dass der Sternenstaub des Sonnensystems von mehreren Quellen stammte. »Indem wir herausfinden, wo der Staub ursprünglich herkommt, erfahren wir mehr und mehr über die Geschichte des Universums und wie verschiedene Sterne sich in ihm entwickeln«, sagt Liu.

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