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USA: Metastudie sieht keine Anzeichen für Insektenschwund

Daten aus unterschiedlichsten Projekten zur Insektenbeobachtung liefern ein fragwürdiges Ergebnis: In Summe gehe es den Insekten gut. Doch es regt sich Kritik an der Auszählung.
Ein Käfer im Grün

Die Population von Insekten in den USA sei über die letzten Jahre und Jahrzehnte hinweg in Summe stabil, schreiben Wissenschaftler um Michael Crossley von der University of Georgia in Athens in einer aktuellen Veröffentlichung. Aus zahlreichen Datensätzen zu unterschiedlichsten Arten, Orten und Zeiträumen lasse sich in der Gesamtbetrachtung nur der »beruhigende« Schluss ziehen, dass die US-Gliederfüßerpopulation »anscheinend robust« sei.

Die jetzt im Fachblatt »Nature Ecology & Evolution« publizierten Ergebnisse widersprechen indirekt früheren Befunden etwa zur Lage in Europa, wo Forscherteams durchaus Hinweise auf schwer wiegende Bestandseinbrüche fanden. Crossley und Kollegen hingegen legen mit ihrer Metastudie nahe, dass die USA von der vielfach beschworenen »Insektenapokalypse« verschont wird. So bezeichnen vor allem Umweltaktivisten eine Zukunft, in der die Insektenbestände so weit zurückgehen, dass die Nahrungsketten und, mangels Bestäubern, schließlich ganze Ökosysteme zusammenbrechen.

Zum Bedauern von Biodiversitätsforschern gibt es nur für die allerwenigsten Ökosysteme auf der Welt langfristige, systematische und methodisch angemessene Bestandsaufnahmen der lokalen Insektenpopulationen, die eine solche Entwicklung eindeutig belegen könnten. Wissenschaftler müssen sich folglich mit oft unbefriedigenden Momentaufnahmen einzelner Arten oder Tiergruppen zufrieden geben. Das macht es schwer, einen allgemeinen Trend zu identifizieren. Crossley und Kollegen haben es nun doch versucht und dazu zahlreiche Einzelstudien überlagert – Insektenzählungen aus dem städtischen Umfeld ebenso wie solche aus stark landwirtschaftlich genutzten Flächen, aber auch Studien zur Häufigkeit von Zeckenbissen (obwohl es sich bei Zecken nicht einmal um Insekten handelt) und vieles mehr.

Vom »Science Media Center« befragte Experten geben jedoch zu bedenken, dass eine solche überblicksartige Betrachtung irreführende Ergebnisse mit sich bringt. Wenn beispielsweise die Trends in der Zahl der Blattläuse über einen langen Zeitraum nach oben zeigen, dann verrate dies womöglich etwas über Landwirtschaft und Pestizideinsatz in den USA, aber nichts darüber, ob die Insektenpopulation in den USA gesund sei, sagt etwa Carsten Brühl von der Universität Koblenz-Landau.

Die Methode, die Crossley und Kollegen wählten, könnte darum die tatsächlichen Trends verschleiern – unter anderem weil eine starke Zunahme von so genannten Allerweltsarten und Schadinsekten den Verlust zahlreicher seltener Arten scheinbar aufwiegt: Die Gesamtmasse der Insekten bleibt so nahezu unverändert, obwohl in Wahrheit die Biodiversität geschrumpft ist. »Dies zeigt sich zum Beispiel in intensiv landwirtschaftlich genutzten Gegenden Deutschlands, wo außer Kohlweißling und Zitronenfalter bald keine anderen Schmetterlingsarten mehr fliegen«, sagt Christoph Scherber von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster dem »Science Media Center«.

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