Direkt zum Inhalt

Traumatherapie: Mit L-Dopa Ängste verlernen?

Der Wirkstoff festigt neue Erfahrungen, die traumatische Erinnerungen überschreiben.
Angst

Eine klassische verhaltenstherapeutische Traumatherapie setzt Patienten wiederholt jenen Reizen aus, die an das Trauma erinnern. Ziel ist, die Verknüpfung und damit ihre Angst zu verlernen. Dabei kann ein bekannter Arzneistoff dem Gedächtnis auf die Sprünge helfen, wie Forscher vom Deutschen Resilienz Zentrum der Universität Mainz in der Fachzeitschrift »Nature Communications« berichten.

Die Expositionstherapie fußt darauf, die Verknüpfung zwischen Reiz und Angstreaktion zu löschen. Doch dazu müssten sich die neuen Lernerfahrungen dauerhaft einprägen, erklärt Erstautorin Anna Gerlicher. Schon bekannt sei, dass spontane Aktivität im Stirnhirn dazu beiträgt und diese wiederum vom Hirnbotenstoff Dopamin abhängt. Die Idee von Gerlicher und ihren Kollegen: mit einem Medikament den Dopaminspiegel zu heben, um den Lernprozess zu unterstützen.

Dazu brachte das Team erst einmal 40 Männern bei, sich vor einem geometrischen Symbol zu fürchten: Tauchte es auf dem Bildschirm auf, erhielten sie im Schnitt jedes zweite Mal einen schmerzhaften Elektroschock – nicht aber, wenn ein anderes Symbol erschien. Die erlernte Furchtreaktion überprüften die Forscher unter anderem mittels Messung der Hautleitfähigkeit. Am Folgetag bekamen sie wiederum beide Symbole präsentiert, doch ohne Schockbehandlung. Sie sollten nun immer wieder die Erfahrung machen, dass beide Symbole harmlos waren, ähnlich wie bei einer therapeutischen Konfrontation mit traumaassoziierten Situationen. Mittels funktioneller Magnetresonanztomografie verfolgten die Forscher außerdem die Aktivität im Gehirn der Probanden jeweils 10, 45 und 90 Minuten nach der Konfrontation. Am dritten Tag wurde dann erneut die Reaktion auf die Symbole überprüft.

Die Hälfte der Probanden schluckte allerdings am zweiten Tag, direkt nach der harmlosen Erfahrung mit dem angstbesetzten Symbol, ein Präparat mit 150 Milligramm Levodopa – dem verschreibungspflichtigen Wirkstoff L-Dopa, der auch bei Parkinson im Einsatz ist. Im Vergleich zu Teilnehmern, die ein Scheinmedikament erhalten hatten, fiel die Reaktion auf das kritische Symbol bei den mit L-Dopa versorgten Probanden schwächer aus. Außerdem traten eine Dreiviertelstunde nach der Umlernphase spontan Aktivierungsmuster im ventromedialen präfrontalen Kortex auf, und je mehr, desto weniger ängstlich reagierten sie auf das Angst auslösende Symbol.

Der Effekt lässt sich den Forschern zufolge über seine Wirkung im Stirnhirn erklären. Denn die betreffende Region werde immer dann aktiv, wenn sich eine Erwartung nicht erfülle, wie die eines schmerzhaften Schocks im Fall der erlernten Furchtreaktion. Bei einem erhöhten Dopaminspiegel könne sich die neue Lernerfahrung noch dazu besser im Gedächtnis festsetzen. Dass die spontane Hirnaktivität nach 45 Minuten am wichtigsten sei, führen Gerlicher und ihre Kollegen auf die zeitliche Abfolge von molekularen Prozessen bei der Gedächtnisbildung zurück. Unerforscht sei allerdings, wann genau die Einnahme von L-Dopa stattfinden sollte.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.