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Biodiversität: Monotonie in der Amazonasvielfalt

Regenwald aus der Luft

Die Regenwälder des Amazonasbeckens und des unmittelbar angrenzenden Guyana-Plateaus bilden das wohl artenreichste Ökosystem der Erde. Seine Biodiversität umfasst schätzungsweise mehr als 2,5 Millionen Spezies – viele davon wurden bislang überhaupt noch nicht wissenschaftlich erfasst. Und selbst bei großen, relativ gut erforschten Organismengruppen erleben Biologen noch Überraschungen, wie nun Hans ter Steege vom Naturalis Biodiversity Center in Leiden und seine Kollegen erfahren mussten: Sie hatten die erste große Inventur der amazonischen Regenwaldbäume durchgeführt und dazu die Daten von 1170 Bestandsaufnahmen aus allen Teilen der Region ausgewertet.

Regenwald aus der Luft | Dieses Luftbild eines Regenwaldes aus Guayana zeigt gleich drei hyperdominante Arten: die Palme Euterpe edulis sowie die beiden Bäume Symphonia globulifera und Mauritia flexuosa mit ihren fächerartigen Blättern.

Nach ihren Hochrechnungen existieren in ganz Amazonien noch rund 390 Milliarden Bäume, die sich auf etwa 16 000 Arten verteilen. Doch etwa die Hälfte des Baumbestands rekrutiert sich tatsächlich aus nur 1,4 Prozent dieser Vielfalt, wie die Forscher erstaunt vermerken. Sie bezeichnen diese Arten, unter denen sich auch viele wild wachsende Nutzpflanzen wie Paranuss-, Açai- oder Kakaobäume befinden, als hyperdominante Spezies, wobei die Palmenart Euterpe precatoria besonders hervorsticht: Sie ist das wohl häufigste baumartige Gewächs des Amazonas-Regenwalds. Allerdings verteilen sich die hyperdominanten Arten ebenfalls nicht gleichmäßig über die sechs Millionen Quadratkilometer Amazoniens, sondern bestimmen das Bild spezieller Habitate innerhalb des Ökosystems wie Sümpfe, Moore oder Weißsandwälder, die auf extrem nährstoffarmen Sandböden wachsen.

Umgekehrt gehen ter Steege und sein Team anhand ihres mathematischen Modells davon aus, dass von rund 6000 Arten weniger als 1000 Individuen existieren, weshalb sie nach internationalen Kriterien als gefährdet gelten müssten: Sie kommen entweder in extrem dünner Bestandsdichte vor, sind lediglich lokal verbreitet oder wachsen nur auf wenigen Sonderstandorten. "Viele dieser Arten sind so selten, dass wir sie vielleicht nie finden werden", schreiben die Biologen, die sie deshalb in Anlehnung an die Dunkle Materie auch als dunkle Biodiversität bezeichnen. "Unsere Modelle legen nahe, dass diese extrem seltenen Arten einen großen Teil der globalen Artenvielfalt ausmachen. Den Naturschutz stellt das vor enorme Probleme, denn viele dieser Spezies sterben womöglich aus, bevor wir sie katalogisieren können", sagt Miles Silman von der Wake Forest University, der an der Studie ebenfalls beteiligt war. Insgesamt bedecken die 11 000 seltensten Arten nur 0,12 Prozent des Amazonasbeckens.

Überflutungswald in Amazonien | Zu den Extremlebensräumen in Amazonien gehören die Auenbereiche mancher Flüsse, in denen der Wasserpegel zwischen Regen- und Trockenzeit um bis zu zwölf Meter schwankt. Dieses Habitat wird dominiert von Ameisenbäumen der Art Cecropia latiloba.

Warum manche Bäume hyperdominant werden und andere nicht, wissen die Biologen noch nicht. Überrepräsentiert sind vor allem Palm-, Topffrucht- und Muskatnussarten – und auffällig sei, dass viele Vertreter dieser Gruppe teilweise seit Jahrtausenden von Menschen genutzt werden wie Frucht- und Nussbäume, Açai-Palmen oder Kautschuk, meint Nigel Pitman vom Field Museum in Chicago: "Das wird eine interessante Diskussion ergeben. Auf der einen Seite stehen die Menschen, die denken, dass die hyperdominanten Bäume so häufig sind, weil sie bereits von den präkolumbianischen Indianern gefördert wurden, und denjenigen, die davon ausgehen, dass sie bereits lange vor Ankunft der Menschen weit verbreitet waren."

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