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Gravitationswellen: Groß frisst klein

Erstmals weisen Wissenschaftler die Verschmelzung zweier Schwarzer Löcher mit sehr unterschiedlichen Massen nach. Die Daten bestätigen die allgemeine Relativitätstheorie von Einstein.
Verschmelzung zweier Schwarze Löcher mit unterschiedlicher Masse

Die Messung von Gravitationswellen ist seit ihrem Nachweis im Jahr 2016 mittlerweile fast zur Routine geworden. Nichtsdestoweniger gibt es weiterhin Überraschungen: Erstmalig konnten Forscher mit den LIGO- und Virgo-Detektoren ein Signal auffangen, dass von zwei verschmelzenden Schwarzen Löchern mit sehr unterschiedlichen Massen stammt. Das kleine Exemplar hatte etwa die achtfache Masse unserer Sonne und wurde von einem großen Schwarzen Loch mit etwa der 30-fachen Sonnenmasse verschlungen. In den Daten können die Astrophysiker nun zum ersten Mal sehen, dass sich mindestens ein Schwarzes Loch vor dem Verschmelzen gedreht hat, was ihnen wertvolle Informationen über die Eigenschaften dieser immer noch mysteriösen Objekte liefert. Zudem lässt sich damit eine bisher ungetestete Vorhersage von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie nachprüfen.

Das Ereignis mit dem Kürzel GW190412 wurde am 11. April 2019 mit den Laser-Interferometer-Gravitationswellen-Observatorium (LIGO) in den USA und einen Tag später am Virgo-Observatorium in Italien verifiziert. Am 18. April 2020 enthüllten die Forscher dann ihre Entdeckung auf einem Treffen der American Physical Society (APS), das wegen der Coronavirus-Pandemie vollständig online abgehalten wurde. Der große Massenunterschied führte laut den Forschern dazu, dass das größere Schwarze Loch den Raum um sich herum verzerrte, wodurch die Flugbahn des kleineren Schwarzen Lochs von einer perfekten Spirale abwich, während die Objekte ineinanderstürzten.

GW190412

Diese Abweichung führte dazu, dass die Forscher die Eigenschaften des beobachteten Systems genauer bestimmen konnten. Ihre Analysen belegen etwa, dass die Verschmelzung in einer Entfernung von 1,9 bis 2,9 Milliarden Lichtjahren von der Erde stattfand. Des Weiteren ließen sich der Beobachtungswinkel und die Rotationsgeschwindigkeit errechnen. In bisherigen Ereignissen hatte sich diese Drehung nicht gezeigt.

»Zum allerersten Mal haben wir in GW190412 das unverkennbare Gravitationswellenbrummen einer höheren Harmonischen ›gehört‹ – ähnlich den Obertönen von Musikinstrumenten«, erklärt Frank Ohme vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut; AEI) in Hannover. »In Systemen mit ungleichen Massen wie GW190412 – unserer ersten Beobachtung dieser Art – sind diese Obertöne im Gravitationswellensignal viel lauter als in unseren üblichen Signalen.« Diese Beobachtung bestätigt, was Einsteins allgemeine Relativitätstheorie vorhersagt – nämlich die Existenz solcher Oberschwingungen bei Gravitationswellen.

Sollte es gelingen, weitere Ereignisse dieser Art nachzuweisen, ließe sich womöglich die Entstehung Schwarzer Löcher und die Expansionsgeschichte des Universums besser nachvollziehen. Und vieles deutet darauf hin, dass die LIGO-Virgo-Kooperation noch etliche weitere bislang unveröffentlichte, spannende Daten gesammelt hat. Ein an den Messungen beteiligter Physiker vom Nationalen Institut für subatomare Physik in Amsterdam, Jo van den Brand, formuliert es zum Beispiel wie folgt: »Ich denke, die Ernte ist recht gut, lassen Sie es mich so sagen.«

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