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Covid-19: Rätsel um Schäden am Herz

Nicht nur die Lunge, auch das Herz einiger Covid-19-Patienten ist geschädigt. Das beobachten Mediziner auf den Intensivstationen. Der genaue Grund ist unklar.
Ausdruck eines EKGs

Wenn eine Infektion mit Sars-CoV-2 einen Krankenhausaufenthalt nötig macht, ist in aller Regel die Lunge betroffen. Doch es mehren sich Fallberichte von Covid-19-Erkrankten, bei denen auch der Herzmuskel geschädigt ist. Ärztinnen und Ärzte sehen sogar Anzeichen für einen vermeintlichen Herzinfarkt, der aber gar nicht vorhanden ist.

In einer aktuellen Studie aus dem chinesischen Wuhan haben Forscher insgesamt 416 Menschen untersucht, die mit dem derzeit weltweit kursierenden Coronavirus Sars-Cov-2 infiziert waren. Jeder fünfte davon litt an Herzproblemen. Diese Patienten wiederum hatten im Vergleich zu den anderen ein deutlich höheres Sterberisiko, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt »JAMA Cardiology«.

Der genaue Grund ist unklar. Es könnte sich um eine unspezifische Folge handeln. Auch bei weiteren schweren Erkrankung kann das Herz Probleme machen, weil etwa der Körper durch Entzündungen geschwächt ist. Eine Möglichkeit ist, dass das Virus das Herz angreift. Laut Herzspezialisten kämen vier bis fünf Mechanismen in Betracht, über die sich der Erreger Zugang zu den Herzmuskelzellen verschaffen könnte, heißt es im Wissenschaftsmagazin »Scientific American«. Unter anderem befindet sich auch am Herz der Rezeptor ACE2, mit dem das Virus in die Lungenzellen gelangt.

Wie tödlich ist das Coronavirus? Was ist über die Fälle in Deutschland bekannt? Wie kann ich mich vor Sars-CoV-2 schützen? Diese Fragen und mehr beantworten wir in unserer FAQ. Mehr zum Thema lesen Sie auf unserer Schwerpunktseite »Ein neues Coronavirus verbreitet sich weltweit«.

Es sei von zentraler Bedeutung herauszufinden, ob man künftig das Virus ebenso im Herz der Patienten bekämpfen müsse, sagt Ulrich Jorde vom Montefiore Health System in New York dem »Scientific American«. Allerdings würden die dafür notwendigen Untersuchungen in den überlasteten Intensivstationen kaum durchgeführt. Es ginge den behandelnden Ärztinnen und Ärzten darum, die Versorgung mit Sauerstoff sicherzustellen. EKGs oder gar Biopsien am Herz fallen weg, um Patienten und Personal nicht noch zusätzlich zu belasten.

In der Studie aus Wuhan ergab sich kein eindeutiges Muster. Sowohl Menschen mit als auch solche ohne kardiologische Vorerkrankungen konnten im Verlauf von Covid-19 Schwierigkeiten am Herz entwickeln.

Notfallmediziner beobachten zudem ein weiteres rätselhaftes Problem: Immer wieder komme es zu einem falschen Alarm bei Herzinfarkten, berichten sie. Patienten würden sich mit einschlägigen Herzinfarktsymptomen in der Notaufnahme melden, sie wiesen entsprechende Biomarker in ihrem Blut auf. Erst bei der Infarktbehandlung zeige sich dann, dass es sich in Wahrheit um Covid-19-Fälle handle, berichtet etwa die Kardiologie-Fachwebsite TCTMD. Diese Fehleinschätzungen könnten schlimmstenfalls die Ansteckungsgefahr beim Klinikpersonal weiter erhöhen.

Ebenfalls auffällig ist, dass die Kliniken weniger Herzinfarkte als üblich zählen, heißt es bei TCTMD. Die Zahl der Patienten, die mit Verdacht auf Herzinfarkt in die Kliniken kommen, sei drastisch gefallen – weltweit, aber besonders in den Kliniken der schwer vom neuen Coronavirus betroffenen Gebiete Spaniens und Italiens. Möglicherweise blieben die Erkrankten lieber zu Hause, als sich der Ansteckungsgefahr auszusetzen, vielleicht würden Infarkte aber auch übersehen. Und nicht zuletzt bestehe theoretisch die Möglichkeit, dass die weit reichenden Social-Distancing-Maßnahmen das Stressniveau und damit das Infarktrisiko gesenkt haben.

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