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News: Rasterfahndung

Die Verwandtschaft der Bienen ist groß - wie groß genau, das weiß kein Mensch, doch Biologen rechnen mit etwa 20 000 bis 40 000 Arten. Dementsprechend schwierig ist es, sie alle auseinanderzuhalten. Nun entwickelten Informatiker und Agrarwissenschaftler ein Computerprogramm, mit dem sich die ökologisch wichtigen Insekten an ihren Flügeln identifizieren lassen. Die Software macht selbst Experten der Bienenbestimmung Konkurrenz.
Eine dicke Hummel hängt betäubt unter der Stereolupe, ihr rechter Flügel eingeklemmt zwischen Glasprisma und Objektträger. Eine helle Lampe beleuchtet die Szenerie von unten, sodass in der am Tubus angebrachten Digitalkamera die Flügeläderung deutlich zu erkennen ist. "Zunächst müssen wir den Flügel fotografieren", erklärt Tom Arbuckle von der Universität Bonn und drückt den Auslöser. "Eine handelsübliche Kamera reicht von der Bildqualität vollständig aus." Er speist die Aufnahme in den nebenstehenden Laptop und startet mit wenigen Mausklicken die Bildverarbeitung des Automated Bee Identification System (ABIS).

"In jedem Flügel gibt es drei sehr gut zu erkennende Zellen, an deren Form wir bereits die Gattung erkennen können", verrät der Forscher. Von diesen Zellen ausgehend, sucht der Computer nach weiteren Adern. Damit er weiß, wo er besonders genau hinschauen muss, greift er auf bereits gespeicherte charakteristische Flügelbilder zurück. Aus dem, was die Software findet, destilliert sie dann die wesentlichen Merkmale des Hummelflügels heraus und reduziert ihn auf Flächengrößen und Winkelangaben. "Und mit diesen Werten speisen wir unser Analyse-Programm", erklärt sein Kollege Volker Steinhage. Drei Minuten nach dem Druck des Auslösers steht fest: Das Versuchstier zählt zur Art Bombus terrestris.

"Selbst in Deutschland mit seiner langen Tradition in der Bienenbestimmung sind heute noch Überraschungen möglich", meint Stefan Schröder. "Beispielsweise weiß man erst seit kurzem, dass eine bestimmte Hummelart eigentlich aus vier verschiedenen Arten besteht, zwischen denen selbst Experten kaum unterscheiden können." Schröder kam daher die Idee, diese Arbeit vom Computer erledigen zu lassen. Und die Ergebnisse können sich sehen lassen: In 97 bis 99 Prozent der Fälle liegt die Software richtig - besser sind auch die Experten der Bienenbestimmung nicht. Die Erdhummel, die sich inzwischen erholt hat, zeigt sich davon unbeeindruckt: Sie putzt sich ausgiebig und fliegt davon.

"Das ist einer der Vorteile unseres Verfahrens", erklärt Schröder. Während bei einer herkömmlichen Bestimmung das Insekt sein Leben lässt, wird es bei uns nur betäubt, indem es kurz auf Eis gelegt wird. Außerdem kann die Bestimmung bereits im Freiland erfolgen und nicht erst nach dem Fang im Labor. Doch ganz ohne menschliche Taxonomen geht es auch hier nicht: Für die Trainingsphase braucht der Rechner nämlich etwa dreißig einwandfrei bestimmte Tiere ein und derselben Art.

Bienenbestimmung ist kein Selbstzweck, denn die Hautflügler bestäuben etwa drei Viertel aller Pflanzen und legen damit die Grundlage für ihre Vermehrung. Umweltverschmutzung und Krankheiten haben aber bereits viele Bienenarten an den Rand des Aussterbens gebracht - mit schwerwiegenden Folgen auch für die Landwirtschaft, da weltweit Ernteausfälle in Milliardenhöhe drohen. In den USA werden bereits heute ganze Plantagen von künstlich gezüchteten Bienenvölkern bestäubt. Die Bienenforscher möchten daher die Verbreitung der Arten feststellen - auch um herauszufinden, welche Einflüsse genau den Bestand fördern oder gefährden.

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