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Umweltschutz: Wenn ein Fluss vor Gericht zieht

Es klingt verrückter als es ist. Wäre die Natur eine juristische Person, könnten Wälder, Meere oder Flüsse all jene verklagen, die sie roden, verschmutzen oder ausbeuten. In Ecuador sind die Rechte der Natur bereits in der Verfassung verankert.
Peruanische Frauen stehen im Uferbereich des Río Marañón
Der Fluss Marañón soll eine eigene Rechtspersönlichkeit werden und sich somit selbst vor Gericht gegen Verschmutzung, Überfischung und Verbreiterung wehren können. Dafür setzen sich Mariluz Canaquiry (Mitte) und ihre Mitstreiterinnen ein.

Als Mariluz Canaquiry hört, dass der Río Marañón zu einer Wasserstraße ausgebaggert werden soll, gilt ihr erster Gedanke ihren toten Angehörigen: »Was geschieht dann mit meinem Cousin Pepe, der letztes Jahr im Wasser verschwand und dessen Leichnam nie gefunden wurde? Oder mit meinem Onkel Juan?«, fragt sie. Wie alle Bewohner ihres Dorfes glaubt Canaquiry, dass Pepe und Juan nicht tot sind, sondern in einer Stadt unter Wasser weiterleben. »Manchmal besuchen sie uns als Geister, sprechen zu ihrer Mutter oder ihrer Frau«, erklärt sie.

Mariluz Canaquiry ist 56 Jahre alt, mehrfache Mutter und Großmutter. Sie gehört dem Volk der Kukama an und hat ihr ganzes Leben in einem peruanischen Dorf am Marañón verbracht, nicht weit entfernt von der Stelle, wo sich dieser mit dem Ucayali zum Amazonas vereinigt. Seit vielen Jahren engagiert sie sich in der Frauenorganisation Federación Huaynakana Kamatahuara Kana. Gemeinsam mit zahlreichen Mitstreiterinnen erhob sie im Jahr 2018 Einspruch gegen die Ausbaggerung. Mit Erfolg. Zwei Jahre später zog die chinesisch-peruanische Konzessionsfirma das Projekt zurück.

Doch damit nicht genug. Am 7. April 2021 stellten die Frauen einen weiteren Antrag, um künftige Bedrohungen fernzuhalten: Der Marañón soll eine eigene Rechtspersönlichkeit werden und sich selbst wehren können. »Der Fluss ist wie unser Kind. So können wir ihn schützen«, ist sich Mariluz Canaquiry sicher.

Mariluz Canaquiry | Die 56-jährige Peruanerin gehört dem Volk der Kukama an.

Der Antrag, der nun vom Gericht in der Provinzhauptstadt Iquitos bearbeitet werden muss, ist einer der jüngsten in einer Reihe von Verfahren, mit denen sich Menschen weltweit dafür einsetzen, der Natur eigene Rechte zuzusprechen. Der Marañón soll dem Beispiel des Whanganui folgen. Der neuseeländische Fluss wurde im Jahr 2017 nach einem gut 200 Jahre währenden Rechtsstreit auf Antrag eines Maori-Volkes als Rechtsperson anerkannt. Fast zeitgleich erteilte ein kolumbianisches Gericht dem Fluss Atrato und ein indisches Gericht dem Ganges die gleichen Rechte. Heute sind fast 400 derartige Anträge weltweit angenommen worden oder werden derzeit verhandelt. Dabei kann es um einen Fluss, einen Berg, eine Lagune, ein Meer oder ein ganzes Ökosystem gehen – oder sogar um die Natur als Ganzes, versehen mit eigenen Rechten in einem nationalen Gesetz.

Den Anfang dafür machte ein kleines Land in Südamerika im Jahr 2008: Ecuador, eingerahmt von Pazifik und Amazonas, eingezwängt zwischen Kolumbien und Peru. Ein demokratischer Linksruck ging damals durch Südamerika: Hugo Chávez in Venezuela, Lula da Silva in Brasilien, Rafael Correa in Ecuador. Letzterer hatte 2007 eine verfassunggebende Versammlung einberufen, 2008 stand das neue Grundgesetz Ecuadors. Im Artikel 10 heißt es seitdem: »Die Natur ist Subjekt derjenigen Rechte, welche die Verfassung ihr zugesteht.« Das geht zurück auf ein Konzept der indigenen Kichwa-Bevölkerung, die in Ecuador als politische Kraft großen Einfluss hat: Sumak Kawsay – das gute Leben. Der Mensch ist demnach nicht die Krone der Schöpfung, sondern Teil der Natur, lebt harmonisch mit ihr zusammen und in gegenseitiger Abhängigkeit von allen Lebewesen.

Der Präsident der damaligen verfassunggebenden Versammlung war Alberto Acosta Espinosa. Der heute 75-jährige Wirtschaftswissenschaftler kommt, wie er selbst sagt, »von der dunklen Seite der Macht«. Acosta war als Energieminister für die Bergbaukonzessionen zuständig, bevor er nach und nach und unter dem Einfluss der in Ecuador starken Indigenen-Bewegung zu einem der weltweit bekanntesten Verfechter der Rechte der Natur wurde. Wie die meisten Länder des Südens war (und ist) Ecuador ein Land, das vom Raubbau an seinen Bodenschätzen lebt: Gold, Kupfer, Erdöl, aber auch Pflanzen, Kakao oder Bananen werden in Rohform exportiert. Extraktivismus nennt sich dieses Wirtschaftsmodell, das auf einer einseitigen Ausbeutung von Bodenschätzen beruht. Ein Modell, das, so sagt Acosta, Ecuador bis heute nicht den versprochenen Wohlstand und die wirtschaftliche Entwicklung gebracht hat. Die Rechte der Natur in die ecuadorianische Verfassung aufzunehmen, sei aber keine Erfindung einer Hand voll von Verfassungsmüttern und -vätern gewesen, sondern »das folgerichtige Ergebnis langjähriger Kämpfe verschiedenster Gruppen um ihr Land und die Natur«.

Recht auf Existenz, Schutz und Erhalt

Längst ist die Diskussion über die Rechte der Natur auch in Europa angekommen. Als erstes Land in der Europäischen Union hat Spanien im September 2022 das Mar Menor, die größte Salzwasserlagune Europas, zum Subjekt eigener Rechte ernannt. Das hoch gefährdete Ökosystem besitzt nun das Recht auf Existenz und natürliche Entwicklung, auf Schutz, Erhalt und Wiederherstellung. Drei Expertenkomitees sollen die Vormundschaft für das Mar Menor übernehmen.

Mar Menor | Die Salzwasserlagune liegt in der spanischen Region Murcia. Im Juni 2020 unterzeichneten 600 000 Spanierinnen und Spanier ein Volksbegehren, das Mar Menor als eigenes Rechtssubjekt anzuerkennen.

Für Christine Ax in Hamburg ist dies ein Meilenstein und eine Ermutigung, dass sie auf dem rechten Weg ist. Vor vier Jahren hat die Nachhaltigkeitsexpertin mit einigen Gleichgesinnten das Netzwerk »Rechte der Natur« gegründet. Mit ihrer Website und einem Newsletter machen sie das Thema bekannt und regen die Diskussion an. Der juristische Anstoß sei wichtig, damit die Menschen ihr anthropozentrisches Weltbild in Frage stellen. »Da bewegt sich etwas im Kopf, plötzlich muss man über seine Beziehung zur Natur nachdenken. Es ist selten, dass Menschen dies tun.«

Im vergangenen Jahr hat das Netzwerk potenten Zuwachs bekommen. Der Umweltverband NABU mit seinen 900 000 Mitgliedern und Förderern unterstützt das Vorhaben, eine Änderung des deutschen Grundgesetzes durchzusetzen, die die Rechte der Natur einschließt.

»Der Schutz der Natur ist in unserem Rechtssystem zu wenig verankert«, meint Alexander Porschke, Vorstandsmitglied des NABU. Dabei können Umweltverbände, anders als Individuen, bereits heute gegen umweltschädliche Verwaltungsvorschriften klagen, ohne selbst betroffen zu sein. Doch diese Verbandsklage – eine Besonderheit des deutschen Gesetzes – sei zu wenig, sagt Porschke. Die Notwendigkeit zum Handeln und die Einsicht, dass Rechtssysteme sich ändern müssen, müsse zunehmen. Zugleich weiß der ehemalige Hamburger Umweltsenator, dass eine bundesweite Grundgesetzänderung mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament »ein dickes Brett ist« und Zeit braucht.

Eine Änderung der Landesgesetzgebung geht schneller.

Seit zwei Jahren verbringt Hans Leo Bader seine Wochenenden vornehmlich in den Fußgängerzonen bayerischer Städte. Er lädt Passanten dazu ein, auf ein Whiteboard zu schreiben, was Natur für sie bedeutet. »Und dann ist es meist ganz einfach, sie davon zu überzeugen, dass die Natur eigene Rechte braucht und sie unseren Antrag unterschreiben sollen.« Hans Leo Bader und 80 Mitstreiterinnen und Mitstreiter sammeln Unterschriften für eine Änderung der bayerischen Verfassung. Der Artikel 101 »Jedermann hat die Freiheit, innerhalb der Schranken der Gesetze und der guten Sitten alles zu tun, was den Rechten der anderen nicht schadet« soll um den Zusatz »und den Rechten der natürlichen Mitwelt« erweitert werden. Inspiriert hat den zweiten Vorsitzenden der Deutschen Umweltstiftung das erfolgreiche Volksbegehren »Rettet die Bienen«. Mindestens 25 000 Unterschriften braucht ein Antrag auf Verfassungsänderung, bevor das Land Bayern eine Volksbefragung durchführen muss. Dann müssen in einem zweiten Schritt zehn Prozent der Wähler auf einem Gemeindeamt die Vorlage unterzeichnen, damit der bayerische Landtag der Änderung zustimmt oder aber in einem Volksentscheid darüber abstimmen lässt.

Doch was kann eine Verfassungsänderung in einem Bundesland bewirken, wenn das übergeordnete bundesweite Grundgesetz nicht angefasst wird?

Kein Widerspruch zu den Menschenrechten

Anders als in der deutschen Zivilgesellschaft und in der Politik, wo die Bewegung für die Rechte der Natur noch am Anfang steht, ist die Frage in der Rechtswissenschaft bereits seit Längerem Thema. So hat der Münchner Professor für Öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaften Jens Kersten in seinem Buch »Das ökologische Grundgesetz« dargelegt, dass ein Einbezug der Natur nicht im Widerspruch steht zu Artikel 1 des deutschen Grundgesetzes: »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.«

Die Juristen Elena Ewering und Andreas Gutmann vom Fachgebiet »Just Transitions« der Universität Kassel greifen darauf zurück, wenn sie begründen, warum eine Änderung der bayerischen Verfassung grundgesetzkonform wäre. »Die Rechte der Natur sind keine Gegner der Menschenrechte. Die Menschen gehören genauso zur Natur wie alle anderen Lebenssysteme«, erläutert Elena Ewering. Erkenne man die Natur als Rechtssubjekt an, stärke das ihre Stellung in Aushandelsprozessen. Keineswegs bedeute dies, dass die Natur immer Recht bekommt.

In Ecuador kann sich jeder Mensch zum Anwalt der Natur machen

In der Praxis braucht die Natur selbstverständlich einen bevollmächtigten Vertreter, der für sie spricht. Ein solches Vorgehen ist in der deutschen Gerichtsbarkeit allerdings nicht ungewöhnlich. Auch Minderjährige, Ungeborene und juristische Personen wie Aktiengesellschaften, Vereine oder Stiftungen sind Träger eigener Rechte und Ansprüche, die sie nicht selbst wahrnehmen können, sondern die von gesetzlichen Vertreterinnen und Vertreter ausgeübt werden. Im Fall des Flusses Whanganui in Neuseeland oder der Salzwasserlagune Mar Menor in Spanien hat der Gesetzgeber festgelegt, wer diese Bevollmächtigten sind. In Ecuador kann sich jeder Mensch zum Anwalt der Natur machen.

Am 19. Oktober 2020 blickt ein Mann in schwarzem Anzug streng in die Kamera seines Computers. Es ist der ecuadorianische Verfassungsrichter Agustín Grijalva. Eine Schriftführerin ruft die Liste der »Amici curiae« auf, der freiwilligen Sachverständigen. In dem etwa sechsstündigen Livevideo, das bei Facebook gestreamt wird, reden ein Pilzspezialist, ein Herpetologe, ein bei einer Minengesellschaft angestellter Geologe, ein ehemaliger Bergbauvizeminister, ein Dorfbürgermeister und viele andere. Mehr als 50 Sachverständige haben sich gemeldet, um für den Nebelwald »Los Cedros« zu sprechen. Dort möchte eine staatliche Bergbaufirma zusammen mit einer kanadischen Firma im großen Stil Kupfer und Gold abbauen. Agustín Grijalva wird mit seinen Kollegen vom ecuadorianischen Verfassungsgericht darüber entscheiden, ob dieses Vorhaben kompatibel ist mit den Eigenrechten des Nebelwaldes. Geduldig und aufmerksam hört Richter Grijalva den verschiedenen Expertisen und Meinungen zu. Am 10. November 2021 steht das Urteil der Verfassungsrichter: Mit Bezug auf die Rechte der Natur muss das Bergbauunternehmen seine Exploration einstellen.

Das Urteil aus Ecuador wurde weltweit zur Kenntnis genommen. Erstmals hörte ein Gericht ein Ökosystem in höchster Instanz an. In der Urteilsbegründung wird das Ökosystem des Nebelwaldes detailliert beschrieben und es wird präzisiert, wie sein Schutz aussehen soll: Zum einen müssen die darin lebenden Arten und zum anderen das gesamte System vorsorglich vor jeglichem Schaden bewahrt werden. Bereits erteilte staatliche Bergbaurechte erlöschen damit.

Zehn Jahre nachdem Ecuador die Rechte der Natur in seiner Verfassung verankert hat, hat das Gericht nun einen Präzedenzfall geschaffen und gezeigt, dass die Rechte der Natur mehr sind als ein Papiertiger. »Es macht also sehr wohl einen Unterschied, ob die Natur in einer Verfassung verankert ist«, sagt Jurist Andreas Gutmann von der Universität Kassel. »Es ist ein sinnvolles Instrument.« Zugleich warnt er davor, zu glauben, allein damit würden sich alle Umweltprobleme lösen. Der Natur Rechte einzuräumen, könnte nur eine Transformation unter vielen anderen sein, sagt er.

Gutmann weist auch auf den dekolonialen Aspekt dieser Rechtsprechung hin: Nachdem jahrhundertelang europäisches Recht als Referenz für die Welt galt, macht nun ein Land des globalen Südens, ein so genanntes Entwicklungsland, vor, wie man die Rechtsprechung umweltfreundlich weiterentwickeln kann.

Schlüssel liegt im Eigentumsrecht

In der ecuadorianischen Verfassung wird auf die »Pachamama«, die Mutter Erde der indigenen Bevölkerung, Bezug genommen. Die Maori in Neuseeland verweisen auf ihre Kosmovision, wenn sie von der Heiligkeit des Flusses Whanganui sprechen. Und Mariluz Canaquiry im peruanischen Iquitos beruft sich auf ihre Ahnen und die große Schlange, die Mutter allen Lebens, die im Fluss wohnen. In den indigenen Kosmovisionen sind ein Fluss, ein Berg und eine Landschaft Subjekte, weil sie Teil eines religiösen Glaubenssystems sind.

Yasuní | Der Nationalpark hat eine Fläche von rund 10 300 Quadratkilometern und ist somit der größte in Ecuador. Der in weiten Teilen unbeeinflussten Wildniszustand und die intakte Vielfalt an höheren Wirbeltieren machen ihn besonders schützenswert.

Wie aber kann eine säkulare Gesellschaft wie die europäische begründen, dass der Natur Rechte zustehen? Darüber hat sich der Philosophieprofessor Tilo Wesche von der Universität Oldenburg Gedanken gemacht. Nicht in der Religion, sondern im Eigentumsrecht liegt für ihn der Schlüssel.

Wesche stellt die Prämisse in Frage, dass die Natur niemandem gehöre: »Das ist ein Narrativ, das eingeführt wurde. Menschen brauchen die Natur zum Überleben und dürfen sie sich deshalb aneignen. Warum? Weil sie angeblich niemandem gehört.« Diese Vorstellung von der Natur als herrenlosem Eigentum habe dazu geführt, dass sie als eine Sache unter vielen angesehen werde.

Im Rechtsdenken des globalen Nordens kann derjenige ein Eigentumsrecht an einer Sache erwerben, der zur Wertschöpfung beiträgt. »Wenn wir diese Regel anwenden, sehen wir, dass die Natur auch Werte schöpft. Sei es die Befruchtung der Blüten durch Bienen, die Reinigung von Wasser durch Böden, die Fotosynthese und viele Ökosystemleistungen mehr.« Wenn man das konsequent zu Ende denke, sei es nur logisch, dass die Natur Eigentumsrechte hat. Die Natur müsste höchstselbst Eigentümerin der natürlichen Ressourcen sein, weil sie sie erzeugt.

»Wenn ich mir ein Buch ausleihe, dann darf ich nicht die Seiten herausreißen oder darin herumkritzeln. Das Eigentum eines anderen verpflichtet den Nutzer, nachhaltig und sorgsam damit umzugehen«Tilo Wesche, Philosoph

Der Mensch, der die Natur nutzt oder bearbeitet, verwendet also fremdes Eigentum, auf das er achten muss. Wesche zieht einen Vergleich: »Wenn ich mir ein Buch ausleihe, dann darf ich nicht die Seiten herausreißen oder darin herumkritzeln.« Das Eigentum eines anderen verpflichte den Nutzer, nachhaltig und sorgsam damit umzugehen. Deswegen, sagt Wesche, ergäben sich aus den Eigentumsrechten der Natur Nachhaltigkeitspflichten. Bisher ist das Eigentumsrecht so stark, dass es selbst strenge Umweltschutzgesetze aushebeln kann. Wenn die Natur selbst Eigentümerin ist, wird dagegen ihre Position gestärkt.

Das würde die Besitzverhältnisse umkrempeln. Die Eigentumsrechte von Unternehmen würden eingeschränkt. Das ist an sich nichts Neues: Im deutschen Grundgesetz steht bereits, dass Eigentum verpflichtet im Sinne einer sozialen Gerechtigkeit. »Ich sehe keinen Grund, warum man diesen Satz nicht erweitern und sagen sollte, dass Eigentum zur Nachhaltigkeit verpflichtet«, sagt Wesche.

Whanganui | Auch der Whanganui in Neuseeland hat Persönlichkeitsrechte – dafür kämpften Maori-Gruppen mehr als 140 Jahre.

Als Ecuador 2008 als erstes und bisher einziges Land die Rechte der Natur in die neue Verfassung aufnahm, sollte Yasuní zu einem ersten Testfall werden. Im größten Nationalpark Ecuadors mitten im Amazonasgebiet befinden sich große Erdölreserven, die eine wichtige Einnahmequelle des ecuadorianischen Staates darstellen. Das Angebot Ecuadors an die Welt: Ecuador würde darauf verzichten, dieses Öl zu fördern, wenn die Industriestaaten Ecuador dafür entschädigen. Die so genannte Yasuní-ITT-Initiative stand für die Hoffnung auf ein postextraktivistisches Wirtschaftsmodell. Doch die Initiative wurde nie umgesetzt. Die Zusagen der Industrieländer blieben aus. Im Jahr 2013 ließ der damalige ecuadorianische Präsident die Erdölfelder zur Förderung freigeben – gegen den Widerstand der Bevölkerung.

Erst zehn Jahre später, im August 2023 durften die Ecuadorianer in einem von den indigenen Völkern lang und hart erkämpften Referendum darüber abstimmen, ob in Yasuní wirklich Öl gefördert werden solle – unabhängig von Ausgleichszahlungen. 60 Prozent sprachen sich gegen die Ausbeutung des Naturreservats aus. Das Referendum ist bindend, die staatliche Erdölfirma muss nun binnen eines Jahres die Installationen abbauen. Doch ob sich die Politik daran halten wird, ist noch nicht gesagt: Der noch bis Ende November amtierende Präsident Guillermo Lasso hat bereits angekündigt, kein einziges Bohrloch schließen zu wollen.

Das Beispiel Yasuní zeigt, dass der Kampf für die Rechte der Natur einen langen Atem braucht. Doch er beginnt an vielen Orten in der ganzen Welt. Bei den Waorani im Naturschutzpark Yasuní, bei den Kukama-Frauen am peruanischen Fluss Marañón, an der spanischen Salzlagune Mar Menor – oder in einer bayerischen Fußgängerzone, wo Hans Leo Bader um Unterschriften für sein Volksbegehren wirbt.

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