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Respiratorisches Synzytialvirus (RSV): Die Mittel gegen RSV kommen

Es sorgt in der Regel für grippeähnliche Symptome, kann aber vor allem für Kleinkinder bisweilen lebensbedrohlich sein: das humane respiratorische Synzytialvirus, kurz RSV. Doch neue Impfstoffe haben sich bereits in klinischen Studien bewährt und dürften die Situation bald entschärfen.
Ein kleines, krankes Kind, das über eine Maske mit Mund und Nase Dampf einatmet

Die Maßnahmen gegen Covid-19 haben kurzfristig auch Infektionen mit anderen Keimen gemindert. Schließlich helfen Social Distancing und das Tragen von Masken sowie weitere Präventionsmaßnahmen gegen eine ganze Reihe von Atemwegsinfektionen. Doch als Ende 2022 die meisten Länder die Schutzmaßnahmen aufhoben, verbreitete sich das respiratorische Synzytialvirus (RSV) stark. Besonders betroffen waren Kinder, die in den vorherigen beiden Jahren nicht mit dem Virus in Kontakt gekommen waren. Allein in den USA verdreifachte sich die Zahl der RSV-bedingten Krankenhausaufenthalte im November 2022 im Vergleich zu den Werten vor der Corona-Pandemie drei Jahre zuvor.

Kinderärztinnen und -ärzte beklagen schon seit Jahrzehnten, dass es keinen RSV-Impfstoff gibt. »Im Alter von drei Jahren haben sich fast 100 Prozent der Kinder mit RSV infiziert«, kommentiert Steven Varga, Immunologe am St. Jude Children's Research Hospital in Memphis, Tennessee, USA. Die meisten Fälle verlaufen mild, mit ein paar Tagen Husten, leichter Atemnot und womöglich besorgten Eltern. Doch in manchen Fällen kann die Infektion ernsthafte Folgen haben. Schätzungen vom April 2023 zufolge wird eines von 56 zuvor gesunden, in Europa geborenen Kleinkindern mit RSV ins Krankenhaus eingeliefert. Rund zwei Prozent aller Todesfälle bei Kindern unter fünf Jahren gehen auf das Virus zurück – fast alle davon in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. »Wir erleben jedes Jahr eine Pandemie mit RSV«, sagt Asunción Mejías, Spezialistin für pädiatrische Infektionskrankheiten, ebenfalls am St. Jude Children's Research Hospital.

»Wir erleben jedes Jahr eine Pandemie mit RSV«Asunción Mejías, Spezialistin für pädiatrische Infektionskrankheiten

Doch endlich gibt es gute Nachrichten: Mehrere Präventionsstrategien, darunter sowohl herkömmliche Impfstoffe als auch antivirale Antikörper, die wie Kurzzeitimpfstoffe wirken, haben sich in klinischen Studien der Phase III bewährt und sollten zum Teil noch vor Ende 2023 in Kliniken verfügbar sein. Auch bei älteren Erwachsenen – einer Hochrisikogruppe für RSV-assoziierte Lungenentzündungen – haben diese Ansätze Nutzen gezeigt. Außerdem stehen weitere viel versprechende Impfstoffkandidaten in den Startlöchern.

»RSV machte bisher einen großen Teil der Krankheits- und Sterbefälle auf der ganzen Welt aus. Ich glaube, das wird sich dramatisch ändern«, sagt Louis Bont, Kinderarzt für Infektionskrankheiten am University Medical Center Utrecht in den Niederlanden. Er gibt aber zu bedenken, dass diese positive Entwicklung wahrscheinlich nicht überall gleichmäßig stattfinden wird: Kosten und Infrastrukturprobleme werden den Zugang mancher Populationen zu den Medikamenten in Ländern geringer oder mittlerer Einkommen mit Sicherheit verzögern. Selbst in wohlhabenderen Teilen der Welt stellt sich die Frage, wie die unterschiedlichen Präventionsstrategien am sichersten und effektivsten eingesetzt werden können.

Zweiter Anlauf

Der erste Versuch, einen Impfstoff gegen RSV zu entwickeln, begann mit klinischen Tests in den 1960er Jahren. Das war weniger als ein Jahrzehnt, nachdem Wissenschaftler den Erreger erstmals bei Kleinkindern mit schwerer Lungenentzündung isoliert hatten. Der Ansatz erwies sich jedoch als Desaster, er führte sogar zu einer Verschlimmerung der Krankheitssymptome. »Das hat die Bemühungen um einen erfolgreichen Impfstoff jahrzehntelang behindert«, sagt Varga (siehe »Friendly Fire«). In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Entwicklung von RSV-Impfstoffen wieder beschleunigt. Fachleute identifizierten unter anderem einen Virusbestandteil, der eine starke Immunreaktion hervorruft, die wiederum die Infektion neutralisieren und einen schweren Verlauf verhindern kann.

Friendly Fire

Die ideale Wirkung eines Impfstoffs – die in der Praxis selten erreicht wird – ist ein 100-prozentiger Schutz des Empfängers gegen alle zukünftigen Begegnungen mit dem Erreger. Man kann den Erfolg eines Vakzins aber auch daran messen, ob es schwere Krankheiten verhindert oder ihre Übertragung reduziert. Der erste Impfstoff gegen das respiratorische Synzytialvirus (RSV) hat jedoch nicht einmal diese Schwelle überschritten. Vier klinische Versuche in den späten 1960er Jahren waren ein Beispiel für ein Worst-Case-Szenario – die Impfung sorgte nämlich für einen deutlich schwereren Krankheitsverlauf: In einer Studie mit 71 Säuglingen wurden 80 Prozent der geimpften Kinder, die sich mit RSV infizierten, anschließend ins Krankenhaus eingeliefert, verglichen mit nur fünf Prozent der Kontrollgruppe. Zwei der geimpften Kinder, die intensivmedizinisch behandelt wurden, starben schließlich an der Infektion.

Dieses alarmierende Ergebnis war aus mehreren Gründen überraschend; unter anderem weil der Impfstoff an sich unauffällig war. Die RSV-Partikel wurden inaktiviert, und zwar indem man sie mit Formalin behandelte – einem Mittel, das Proteine chemisch stabilisiert, so dass sie ihre eigentliche biologische Funktion nicht mehr ausüben können. Kombiniert wurde dies mit einer immunstimulierenden Substanz aus Aluminiumsalzen namens Alaun. Dieser Ansatz war in den 1960er Jahren Standard. Laut Steven Varga, Immunologe am St. Jude Children's Research Hospital in Memphis, Tennessee, werden sowohl die Inaktivierung mit Formalin als auch die Alaun-Adjuvanzien für einige moderne Impfstoffe weiterhin verwendet. Zum Beispiel nutzen Impfstoffe gegen Hepatitis B und Pneumokokken Alaun, und inaktivierte Polioimpfstoffe werden aus in Formalin deaktivierten Viruspartikeln hergestellt.

Erst nach jahrzehntelangen Untersuchungen und Debatten konnten Fachleute die Faktoren klären, die zu diesem Negativ-Szenario geführt hatten. »Es war ein Zusammenfallen mehrerer Ereignisse, das zu der durch den Impfstoff verstärkten Krankheit bei den Kindern führte«, erklärt Varga. Eines davon: Die Viruspartikel erlangten durch die Formalinbehandlung eine Struktur, die zwar im Körper die Herstellung von Antikörpern anregt, welche recht gut an die viralen Proteine binden; jedoch sind sie nicht in der Lage, eine RSV-Infektion zu neutralisieren. Tatsächlich legen einige Studien nahe, dass sie sich als Immunkomplexe in der Lunge anreichern und dort eine schädliche Entzündungsreaktion auslösen können.

Gleichzeitig beeinträchtige das inaktivierte Virus offenbar die Bildung von Killer-T-Zellen, die normalerweise virusinfizierte Zellen bei zukünftigen Begegnungen vernichten. Dadurch klaffte eine entscheidende Lücke in der antiviralen Immunabwehr. Stattdessen löste der Impfstoff eine starke Reaktion einer Untergruppe von T-Helferzellen aus, die während der Infektion eine Schar anderer Immunzellen rekrutierten, die wiederum eine starke und schädliche Entzündungsreaktion in der Lunge hervorrufen konnten.

Dies ist kein ausschließlich bei RSV auftretendes Phänomen – ähnliche Probleme gab es im selben Jahrzehnt mit einem formalininaktivierten Impfstoff gegen Masern. Die Inaktivierung des Formalins scheint aber bei anderen Impfstoffpräparaten nicht problematisch zu sein. Varga merkt an, dass sowohl Masern als auch RSV zur Familie der Paramyxoviren gehören. »Ich denke, dass es sich um ein gemeinsames Problem dieser speziellen Gruppe von Viren handelt«, sagt er.

Glücklicherweise sind spätere Fälle von Krankheiten, die durch den Impfstoff ausgelöst wurden, äußerst selten gewesen. Und laut Louis Bont, einem Kinderarzt für Infektionskrankheiten am University Medical Center Utrecht in den Niederlanden, sind Impfstoffentwickler jetzt viel besser in der Lage, solche Effekte abzufangen, bevor sie beim Menschen auftreten. »In den 1960er Jahren dachten wir, wir könnten über Nacht einen Impfstoff gegen alles entwickeln«, erläutert Bont. »Die präklinische und frühe klinische Entwicklung ist heute viel stärker reguliert.«

RSV ist auf ein Oberflächenmolekül angewiesen, bekannt als Fusionsprotein (F), um an Wirtszellen zu binden und in sie einzudringen. Rasch haben Virologen erkannt, dass dieses Eiweiß ein viel versprechendes Ziel für eine antikörpervermittelte Immunattacke ist. Allerdings kommt es in unterschiedlichen Varianten vor. F wechselt fließend zwischen einer kompakten »Prä-« und einer ausgedehnten »Postfusionsstruktur«. Die Präfusionsform, die es dem Virus erleichtert, in die Zellmembran einzudringen, kann durch die Bindung von Antikörpern leicht neutralisiert werden. Aus diesem Grund sind sie ein hervorragendes Ziel für Impfstoffe.

Frühe RSV-Impfstoffe lösten jedoch eher eine Reaktion gegen das Post-F aus, das viel stabiler ist als das Prä-F. Antikörper, die durch derartige Impfstoffe im Körper entstehen, konnten Infektionen in der Regel nicht verhindern. Anfang der 2010er Jahre gelang es Fachleuten um Barney Graham und Peter Kwong am US National Institute of Allergy and Infectious Diseases in Bethesda, Maryland, die Struktur des Prä-F zu bestimmen. Anschließend entwickelten sie stabile Versionen dieses Proteins, die im Wesentlichen in dieser Konformation verharren. Immunzellen reagieren auf diese F-Varianten mit einer viel stärkeren Neutralisierungsreaktion.

Erfolgreiche Strategie: Schwangere impfen

Ein weiterer großer Fortschritt gelang durch folgende Idee: Statt sich auf die Impfung von Säuglingen zu konzentrieren, wandte man sich Schwangeren zu. Mütterliche Antikörper können nämlich die Plazenta passieren und in den Blutkreislauf des Fötus gelangen. Das ist entscheidend, denn der Körper Neugeborener ist in den ersten Lebensmonaten noch nicht in der Lage, eine wirksame Immunantwort zu entwickeln. Heather Zar, Leiterin der Abteilung für Kinderheilkunde und Kindergesundheit an der University of Cape Town in Südafrika, berichtet, dass die meisten RSV-Krankenhausaufenthalte bei Kindern im Alter von drei bis vier Monaten auftreten.

Eine Studie mit einen Impfstoff auf F-Basis vom Biotechnologieunternehmen Novavax mit Sitz in Gaithersburg, Maryland, aus dem Jahr 2020 habe gezeigt, dass das Konzept funktioniere, erzählt Zar. In Bezug auf die Krankheitsvorbeugung verfehlt die Studie zwar ihre Ziele. »Dennoch hat er ziemlich gut abgeschnitten – in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen sogar noch besser«, sagt Zar, die damals zum Forschungsteam gehörte. Die Gründe dafür sind unklar, aber sie könnten damit zusammenhängen, dass in wohlhabenderen Ländern weniger RSV-Infektionen auftreten und Kinder auch mit weniger schweren Infektionen ins Krankenhaus eingewiesen werden.

Im April 2023 zeigten Forscher und Forscherinnen unter Leitung des Pharmaunternehmens Pfizer in New York City, USA, welcher Schutz durch die Kombination einer stabilisierten Version des Präfusionsantigens und der mütterlichen Impfung möglich ist. An der Studie nahmen mehr als 7000 Schwangere in 18 Ländern teil – darunter Frauen aus Argentinien, Gambia und den Vereinigten Staaten. Bei Kindern, deren Mütter während der Schwangerschaft mit dem RSV-Prä-F-Impfstoff von Pfizer geimpft wurden, sank die Häufigkeit schwerer RSV-Erkrankungen in den ersten drei Lebensmonaten um fast 82 Prozent.

Obwohl der Impfstoff ein weiteres Studienziel verfehlte – nämlich durch RSV bedingte Atemwegsinfektionen zu verhindern, die eine ärztliche Behandlung erfordern –, ist Zar begeistert von den Ergebnissen. »Die Vorbeugung schwerer Erkrankungen ist wegen der damit verbundenen Kosten für das Gesundheitswesen und der Sterblichkeit sehr wichtig«, betont sie. Im August 2023 hat die US-amerikanische Arzneimittelbehörde FDA die Impfung zugelassen. Auch in der EU ist die Arznei seit Ende August 2023 erhältlich, und zwar sowohl zum Schutz ungeborener Babys als auch zur RSV-Vorsorge bei Personen, die über 60 Jahre alt sind.

Neue Impfung wirkt auch bei Neugeborenen

Seit Anfang September 2023 haben Eltern eine weitere Möglichkeit zur Vorbeugung: ein einmalig verabreichtes Antikörpermedikament namens Nirsevimab, das auf eine Schlüsselstelle des Pre-F abzielt. Nirsevimab wurde von den Pharmaunternehmen AstraZeneca und Sanofi entwickelt und ist so konzipiert, dass es im Körper lange stabil bleibt. Dadurch können Neugeborene, die das Medikament erhalten, in etwa den gleichen Schutz gegen das Virus erreichen wie durch die Antikörper, die nach einer mütterlichen Impfung in ihrem Körper patrouillieren. Im April 2023 veröffentlichte ein Forschungsteam die Ergebnisse einer Phase-III-Studie. Die Verabreichung von Nirsevimab vor Beginn der RSV-Saison reduzierte demnach die Zahl der Krankenhausaufenthalte um fast 77 Prozent. Sowohl die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) als auch die FDA haben Nirsevimab für die Anwendung bei Säuglingen zugelassen.

Laut Studiendaten bietet Nirsevimab sogar einen längeren Impfschutz als die mütterliche Immunisierung; die Arznei schützt die Kleinen bis zu fünf Monate lang vor schweren Erkrankungen. Die Wirksamkeit des Impfstoffs sank dagegen von 82 Prozent bei Kindern im Alter bis zu drei Monaten auf 69 Prozent nach sechs Monaten. Doch selbst ein kurzes Schutzfenster in dieser besonders gefährdeten Phase könnte einen großen Unterschied machen, meint Federico Martinón-Torres, Kinderarzt an der Universität von Santiago de Compostela in Spanien. »Wir sprechen hier von 75 bis 80 Prozent der Gesamtbelastung bei Säuglingen. Das ist enorm«, sagt er. Martinón-Torres weist darauf hin, dass Infektionen, die später in der Kindheit auftreten, in der Regel seltener zu schweren Erkrankungen oder zum Tod führen.

Leicht erhöhte Rate von Frühgeburten

Was die Sicherheit der Impfstoffe für Mütter angeht, gibt es noch einige Unsicherheiten. Im Februar hat das Pharmaunternehmen GlaxoSmithKline (GSK) Versuche mit seinem Impfstoffkandidaten gestoppt, nachdem eine Analyse bei geimpften Frauen eine leicht erhöhte Frühgeburtenrate festgestellt hatte. Louis Bont, der an dieser Datenauswertung mitwirkte, betont, die Ursache für diese Frühgeburten sei bisher nicht geklärt. Sie könnten letztlich auch mit nicht versuchsbezogenen Faktoren zusammenhängen.

Der konzeptionell ähnliche RSVpreF-Impfstoff von Pfizer scheint wenig Anlass zur Besorgnis zu geben. In der Zulassungsstudie maßen Fachleute einen leichten Anstieg der Frühgeburten in der geimpften Kohorte, dieser war jedoch statistisch nicht signifikant. »Ich persönlich glaube nicht, dass es ein wirkliches Problem mit Frühgeburten gibt«, fügt Zar hinzu. Sie ist sich aber auch bewusst, dass werdende Eltern die Sicherheit des Impfstoffs ganz genau überprüft haben wollen und dass dieses Risiko nach der Markteinführung in der Allgemeinbevölkerung weiterhin sorgfältig überwacht werden muss.

»RSV war eine der Hauptursachen für Morbidität und Mortalität auf der ganzen Welt. Ich glaube, das wird sich dramatisch ändern«Louis Bont, Kinderarzt für Infektionskrankheiten

Schließlich ist da noch die Frage der Wirtschaftlichkeit. Im Februar 2023 berichtete Philippe Beutels, Gesundheitsökonom an der Universität Antwerpen in Belgien, von einer Kosten-Wirksamkeits-Analyse des Antikörpers Nirsevimab im Vergleich zur Impfung von Müttern in sechs europäischen Ländern. »Wenn beide gleich teuer sind, ist ganz klar, dass der Antikörper gewinnt«, sagt Beutels. Das Blatt könnte sich jedoch wenden, wenn die Kosten für eine Nirsevimab-Dosis auf mehr als das Doppelte des Impfstoffs steigen würden – dies ist ein durchaus realistisches Szenario. Noch laufen Preisverhandlungen. Antikörper könnten in wohlhabenden Ländern auch deshalb im Vorteil sein, weil die vorhandenen Impfstoffe für Mütter im Allgemeinen nur schlecht angenommen werden. In Ländern mit niedrigem Einkommen, in denen die Mittel für die Gesundheitsversorgung knapper sind als in Ländern mit hohem Einkommen, könnten Impfstoffe kosteneffizienter sein.

Beutels arbeitete mit einem Team unter der Leitung von Mark Jit von der London School of Hygiene and Tropical Medicine zusammen, um die Wirtschaftlichkeit der RSV-Prävention in Kenia und Südafrika zu untersuchen. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass beide Präventionsansätze Leben retten und Krankenhausaufenthalte verhindern würden, wenngleich die Impfstoffe aus wirtschaftlicher Sicht allgemein besser abschneiden.

Leider bleibt unklar, wie schnell die Produkte in den weniger wohlhabenden Regionen der Welt verfügbar sein werden. Forschende hoffen, dass sich eine ungleiche Verteilung, wie sie bei den Coronaimpfstoffen zu beobachten war, vermeiden lässt. Die Bill & Melinda Gates Foundation gewährte Pfizer im September 2022 einen Zuschuss in Höhe von 27,5 Millionen US-Dollar, um den Einsatz des RSVpreF-Impfstoffs in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen zu unterstützen. Im April 2023 berichtete die Nachrichtenagentur Reuters jedoch, dass es noch mehrere Jahre dauern könnte, bis Pfizer mit der Lieferung größerer Mengen des Impfstoffs in diese Teile der Welt startet. Parallel dazu arbeitet das Bill & Melinda Gates Medical Research Institute an einem Pre-F-Antikörper, der Nirsevimab sehr ähnlich ist, aber kostengünstiger sein soll. Er befindet sich derzeit in der frühen klinischen Entwicklung.

Schutz auch nach dem Säuglingsalter

Obgleich das Risiko einer RSV-Erkrankung in den ersten Lebensmonaten am höchsten ist, kann es auch in den darauf folgenden ein bis zwei Jahren noch zu schweren Erkrankungen kommen. Mehrere Impfstoffkandidaten zielen vor allem auf den Schutz von Kleinkindern ab, darunter ein mRNA-basierter Kandidat des Biotechnologieunternehmens Moderna, der sich in Studien bei älteren Erwachsenen bereits als wirksam erwiesen hat.

Tatsächlich wird zunehmend anerkannt, dass auch Menschen über 60 Jahre ein erhöhtes Risiko haben, an einer potenziell tödlichen Lungenentzündung infolge von RSV zu erkranken. Trotz der Rückschläge im Impfprogramm für Mütter erhielt GSK im Mai die FDA-Zulassung für den gleichen Impfstoff bei Erwachsenen über 60 Jahren. Die Studie mit 25 000 Teilnehmern zeigte eine 94-prozentige Wirksamkeit beim Schutz vor schweren Atemwegserkrankungen in dieser Bevölkerungsgruppe. Kurz darauf erhielt auch Pfizer auf Grund starker Wirksamkeitsdaten die FDA-Zulassung für seinen Impfstoff bei älteren Erwachsenen.

Keiner der aktuellen Impfstoffe bietet einen 100-prozentigen Schutz gegen RSV. Das liegt daran, dass das Virus eine Vielzahl von Strategien entwickelt hat, um sich der Immunität zu entziehen. Die meisten Menschen infizieren sich mehrmals in ihrem Leben mit ihm. Gleichwohl könnte ein kurzes Schutzfenster in dem Zeitraum, der am wichtigsten ist, eine enorme Auswirkung auf die öffentliche Gesundheit haben. Steven Varga begeistern die Aussichten: »Das ist ein wichtiger erster Schritt – und ein aufregender, denn wir haben fast 60 Jahre gebraucht, um an diesen Punkt zu gelangen«, sagt er. »Und ich bin sicher, dass es hier nicht zu Ende ist. Wir werden weiter daran arbeiten, die Situation zu verbessern.«

Dieser Artikel ist Teil von Nature Outlook: »Respiratory syncytial virus«, einer Beilage, die mit finanzieller Unterstützung von Moderna erstellt wurde. »Nature« behält die volle Unabhängigkeit bei allen redaktionellen Entscheidungen in Bezug auf den Inhalt.

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