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News: Röntgen-Röhrchen

Seit Entdeckung der Röntgenstrahlung vor mehr als hundert Jahren hat sich die Apparatur zu ihrer Erzeugung nicht wesentlichen verändert. In Zukunft könnten jedoch winzige Röhrchen aus Kohlenstoff die betagte Technik verbessern.
Röntgenaufnahme
Am 8. November 1895 machte Wilhelm Conrad Röntgen eine seltsame Entdeckung: Bei seinen Versuchen mit einer verhüllten Gasentladungsröhre stellte er fest, dass ein Fluoreszenzschirm in der Nähe der Röhre zu leuchten begann, obwohl eigentlich kein Licht aus der Röhre nach außen dringen konnte. Röntgen untersuchte diese mysteriöse Erscheinung und kam zu dem Schluss, dass es sich um eine bis dato unbekannte Strahlung handeln musste – die er deshalb "X-Strahlen" nannte. Erst später wurden sie nach ihrem Entdecker benannt, während sich im Ausland der Begriff x-rays bis heute gehalten hat.

Trotz vieler weiterer bildgebender Verfahren ist die Bedeutung der Röntgentechnik bis heute ungebrochen, dabei hat sich die Methode zu ihrer Erzeugung seit Röntgens Tagen prinzipiell nicht sonderlich verändert: In einer evakuierten Glasröhre – der Röntgenröhre – wird eine Glühwendel durch Stromfluss stark erhitzt, sodass Elektronen aus dem Material austreten. Der Effekt wird auch als Glühemission bezeichnet. Durch eine angelegte Beschleunigungsspannung zwischen zehn und 150 Kilovolt werden die Ladungsträger dann auf eine Anode aus schweren Atomen geschossen. Hier entsteht dann durch zwei unterschiedliche physikalische Prozesse die Röntgenstrahlung. (Die so genannte Bremsstrahlung wird frei, weil Elektronen im Material abgebremst werden – die charakteristische Strahlung hingegen aufgrund von Änderungen in der Elektronenhülle des Anodenmaterials.)

Guo Yue und seine Kollegen University of North Carolina at Chapel Hill wandelten diese Technik nun etwas ab, indem sie keine Glühwendel, sondern ein Nanoröhrchen aus Kohlenstoff als Kathode verwendeten. Diese Röhrchen sind prinzipiell nichts anderes als winzige aufgerollte Lagen Graphits, die – der Name sagt es schon – gerade mal einige Nanometer im Durchmesser messen. Aufgrund der kleinen Abmessungen sammeln sich an der Spitze dieser Röhrchen von selbst Ladungen, die sich durch das elektrische Feld in der Röntgenröhre "ernten" lassen. Physiker nennen das Feldemission.

Die Idee, Nanoröhrchen als kalte Elektronenquelle zu nutzen, ist an sich gar nicht neu. Schon früher haben Wissenschaftler vorgeschlagen, die Winzlinge in Flachbildschirme zu nutzen. An einer Röntgenröhre hat sich aber wohl zuvor noch niemand versucht.

Der große Vorteil der Nanoröhrchen ist jedenfalls, dass sie schon bei normalen Temperaturen arbeiten, also nicht erst auf 1500 Grad Celsius oder mehr geheizt werden müssen, um betriebsbereit zu sein. Dadurch würde die aufwändige Kühlung entfallen, die bei herkömmlichen Quellen nötig ist. Außerdem ließen sich die Strahlungsquellen kleiner bauen, sie würden weniger Strom verbrauchen, länger halten und nicht zuletzt bessere Bilder liefern – davon geht zumindest Otto Zhou aus, der ebenfalls an der Arbeit beteiligt ist.

"Wir haben schon Bilder von Händen und einem Fisch gemacht, die genauso gut sind wie mit herkömmlicher Röntgentechnik aufgenommen", freut sich Zhou. "Wir gehen sogar davon aus, dass unsere Bilder schließlich noch schärfer als gewöhnliche Röntgenaufnahmen werden können, da Elektronen aus einer nahezu punktförmigen Quelle stammen." Das könnte nicht nur Medizinern helfen, die dann noch detailreichere Bilder erhalten würden, sondern auch in der Industrie ließe sich die neuartige Quelle für Röntgenscanner nutzen, mit denen sich dann beispielweise große Objekte auf Materialversagen hin prüfen lassen.

Die Physiker arbeiten bereits mit Herstellern zusammen, um ihre Entdeckung für technische Geräte nutzbar zu machen. In etwa zwei Jahren möchte man mit den ersten Apparaten auf dem Markt sein.

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