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Sicher helfen: Wie hilft man bei einer Pilzvergiftung?

Selbst Pilze zu sammeln, liegt im Trend. Doch Pilzjäger sollten sich gut auskennen, da der Genuss auch tödlich enden kann. Wie man bei einer Pilzvergiftung hilft, einfach erklärt.
Fruchtkörper von Grünen Knollenblätterpilzen auf einem Waldboden in Mecklenburg-Vorpommern
Knollenblätterpilze, auch bekannt als »Death Caps« oder »Todeskappen«, sind hochgiftige Pilze, die weltweit für die meisten tödlichen Pilzvergiftungen verantwortlich sind.

Sicher helfen

Erste Hilfe rettet Leben. Wenn jemand in eine medizinische Notsituation gerät, sind wir deshalb alle verpflichtet, zu helfen. Trotzdem zögern viele Menschen im Ernstfall, oft aus Angst vor Fehlern. Diese Unsicherheit muss aber nicht bleiben. In unserer Serie »Sicher helfen« erklären wir, was im Notfall zu tun ist: Wie erkennt man eine Vergiftung? Welche Informationen braucht der Notruf? Und wann muss man reanimieren?

Ihre Eltern rufen Sie an und bitten Sie, Medikamente gegen schmerzhafte Magen-Darm-Beschwerden mitzubringen. Als Sie sie bringen, entdecken Sie in ihrem Kühlschrank einen Korb mit Pilzen, die Ihre Eltern am Vortag gesammelt haben.

Was ist los?

Vermutlich leiden Ihre Eltern unter einer Pilzvergiftung. In Deutschland wurden zwischen 2000 und 2018 rund 4400 Menschen im Krankenhaus behandelt, die an einer Pilzvergiftung erkrankten. An den Folgen des Verzehrs giftiger Pilze starben in diesem Zeitraum 22 Patientinnen und Patienten. Pilzvergiftungen sind demnach relativ selten, allerdings werden nicht alle Fälle erfasst.

Mehr als 90 Prozent aller tödlichen Ausgänge sind auf den Grünen Knollenblätterpilz zurückzuführen. Im englischsprachigen Raum wird er deswegen auch »Todeskappe« genannt. Er wächst hier zu Lande von Juli bis Oktober in Laubwäldern, seltener in Nadelwäldern. Besonders im Herbst mehren sich die Vergiftungsfälle. Häufig wird der Knollenblätterpilz mit essbaren Champignons oder dem grünen Täubling verwechselt. Im Gegensatz zu diesen besitzt er aber weiße Lamellen unter dem Hut und eine Knolle, die das untere Ende des Stiels umhüllt. Die Lamellen des Champignons sind dagegen zunächst rosa und nehmen im Verlauf einen bräunlichen Ton an.

Darüber hinaus kommt es häufig zu Pilzvergiftungen, weil zu alte oder falsch gelagerte Pilze verzehrt wurden. Ebenso sind nur wenige Pilzarten wie der Zuchtchampignon und der Steinpilz roh genießbar. Die restlichen Arten müssen ausreichend erhitzt werden, bevor sie auf dem Teller landen. Giftpilzen wie dem Knollenblätterpilz kann Hitze aber nichts anhaben. In seltenen Fällen reagieren Menschen allergisch auf eigentlich genießbare Pilze.

Warum ist das gefährlich?

Manche Pilzarten sind hochgiftig: So kann bereits ein einziger verzehrter Grüner Knollenblätterpilz zum Tod führen. Zunächst löst die Vergiftung nach 6 bis 24 Stunden Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Erbrechen und Bauchkrämpfe aus. Die Symptome klingen nach weiteren 12 bis 24 Stunden ab. Doch der Schein trügt: Etwa zwei bis vier Tage später versagt die Leber. Die Person entwickelt eine Gelbsucht, leidet unter Blutungen im Magen-Darm-Trakt und ist zunehmend verwirrt. Wird sie nicht oder zu spät behandelt, fällt sie zwischen dem dritten und zehnten Tag ins Koma. Im Verlauf können die Nieren versagen und die Bauchspeicheldrüse kann sich entzünden. Unbehandelt sterben bis zu 30 Prozent der Erwachsenen an einer Vergiftung mit dem Grünen Knollenblätterpilz. Wird sie rechtzeitig erkannt und behandelt, ist die Prognose günstig. Treten die Symptome bereits nach weniger als sechs Stunden auf, spricht das eher gegen eine Vergiftung durch Knollenblätterpilze. Frühe Symptome schließen eine Knollenblätterpilzvergiftung aber nicht aus: Möglich ist, dass man sich gleichzeitig mit mehreren Pilzen vergiftet hat.

Eine Vergiftung mit dem Pantherpilz

Oft sind Vergiftungen mit früh auftretenden Beschwerden eher harmlos und klingen von selbst nach ein paar Tagen ab. Eine Ausnahme stellt die Vergiftung durch Pantherpilze dar: Verwechselt man ihn mit dem essbaren Perlpilz oder dem Grauen Wulstling, kann dies tödlich enden. Der Pantherpilz wächst von Juli bis Oktober in der Nähe von Laub- und Nadelbäumen, besonders gerne unter Eichen. Er wird fünf bis zwölf Zentimeter groß, hat einen braunen Hut mit weißen Flecken und weißen Lamellen. Man erkennt ihn am besten an seinen so genannten Bergsteigersöckchen, der prominenten Knolle, die den Stiel unten mit einem abgesetzten Kragen umschließt. Nach dem Verzehr löst der Pantherpilz Erbrechen und Durchfall aus, die Pupillen werden groß, die Schleimhäute trocken und der Herzschlag schneller. Außerdem kommt es zum Rausch mit Halluzinationen. Wird die Vergiftung schnell erkannt, kann Aktivkohle das Gift im Magen binden. Bei einem besonders hohen Puls und trockenen Schleimhäuten hilft eventuell das Medikament Physostigmin.

Wie kann man helfen?

Zunächst sollte man Ruhe bewahren und zügig medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Dazu kann man zunächst die zuständige Giftnotrufzentrale anrufen, die Auskunft darüber gibt, was als Nächstes zu tun ist, oder den Rettungsdienst 112 alarmieren. Auch kann die oder der Betroffene von helfenden Personen direkt in die Notaufnahme eines Krankenhauses gebracht werden. Speise- und Pilzreste oder Erbrochenes bewahrt man auf, damit die Fachleute den Pilz und das Gift im Labor genau bestimmen können. Auf eine Behandlung auf eigene Faust mit Hausmitteln wie Milch oder Salzwasser sollte man dagegen verzichten, ohne vorher mit einem Experten oder einer Expertin zu sprechen: Weder schwächt Milch das Gift ab, noch ist es ratsam, Erbrechen durch das Trinken von Salzwasser auszulösen. Im schlimmsten Fall verschlimmern die Maßnahmen die Vergiftung sogar. Haben weitere Personen von den Pilzen gegessen, informiert man sie darüber, dass sie sich umgehend ins Krankenhaus begeben sollen.

Wie geht es weiter?

Pilzvergiftungen werden je nach auftretenden Symptomen und nach Rücksprache mit der Giftnotrufzentrale und Pilzexperten und -expertinnen behandelt. Liegt die Vergiftung noch nicht zu lange zurück, verabreichen die Ärztinnen und Ärzte Aktivkohle, um das Gift zu binden. Dadurch soll die Menge reduziert werden, die aus dem Magen aufgenommen wird. Unterstützend bekommt die Person Flüssigkeit und Elektrolyte über die Vene, um die Verluste durch Durchfall und Erbrechen auszugleichen und das Gift wenn möglich auszuspülen. Zum Teil muss das Toxin in einer Dialyse aus dem Blut gefiltert werden.

Bei einer Vergiftung mit dem Knollenblätterpilz ist eine intensivmedizinische Behandlung nötig. Sein Gift lässt sich 6 bis 36 Stunden nach der Pilzmahlzeit sicher im Urin nachweisen. Dann verordnen die Mediziner zusätzlich zu den genannten Maßnahmen eines der Gegenmittel Silibinin, Acetylcystein oder Penizillin G. In ein bis zwei Prozent der Fälle ist eine Lebertransplantation notwendig, weil die Leber versagt. Ist die Vergiftung überstanden, sind bleibende Schäden normalerweise nicht zu erwarten.

Wer eine Pilzvergiftung vermeiden will, sollte nur Exemplare sammeln, die er sicher erkennt, und sie in einem gut belüfteten Behälter aufbewahren. Im Zweifel sollte man die gesammelten Pilze von einer geprüften Pilzsachverständigen oder einem Pilzberater kontrollieren lassen.

Giftnotrufzentralen

Je nach Bundesland sind verschiedene regionale Zentren zuständig, die unter folgenden Nummern telefonisch zu erreichen sind:

  • Berlin und Brandenburg: 030 19240
  • Nordrhein-Westfalen: 0228 19240
  • Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen: 0361 730730
  • Baden-Württemberg: 0761 19240
  • Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein: 0551 19240
  • Rheinland-Pfalz, Hessen und das Saarland: 06131 19240
  • Bayern: 089 19240

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