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Invasive Arten: So eroberte der Amerikanische Sumpfkrebs die Welt

Der Rote Amerikanische Sumpfkrebs erregte 2017 öffentliche Aufmerksamkeit, als er massenhaft durch Berlin marschierte. Die Genetik offenbart seine Ausbreitungsrouten.
Roter Amerikanischer Sumpfkrebs

Der Sommer 2017 war zumindest in Teilen Deutschlands sehr feucht, weswegen Teile Berlins versumpften – mit unerwarteten Nebenwirkungen. Denn die Nässe sorgte dafür, dass sich zahlreiche Rote Amerikanische Sumpfkrebse (Procambarus clarkii) aus ihren Wohnhöhlen aufmachten und in der Region rund um den Tiergarten unterwegs waren: Sie waren auf der Suche nach neuen Lebensräumen. Es dürfte nicht die letzte Etappe gewesen sein, welche die invasiven Krustentiere bei ihrer Welteroberung zurückgelegt haben. Welche Routen sie dabei genommen haben, legen Francisco Oficialdegui von der Doñana Biological Station und sein Team im Journal »Freshwater Biology« dar. Sie haben dazu die mitochondriale DNA von mehr als 1400 Tieren aus 122 Populationen weltweit untersucht.

In den Vereinigten Staaten gibt es beispielsweise zwei Invasionsrouten, die ausgehend vom ursprünglichen Verbreitungsgebiet im Südosten der USA nach Westen und Nordosten verlaufen. Dabei ist der Bestand an der Westküste heute genetisch vielfältiger als der im Nordosten, wahrscheinlich weil die Menschen ab den 1920er Jahren häufiger versucht haben, sie in Kalifornien anzusiedeln, und dabei immer wieder auf verschiedene Herkunftsorte im Südosten zurückgegriffen haben, so Oficialdegui. Von Kalifornien führt die Spur dann Ende der 1920er Jahre nach Hawaii und weiter nach Asien, wo womöglich sogar nur 20 Tiere ausgesetzt wurden, wie die starke genetische Verarmung vermuten lässt. Heute leben allerdings Millionen der Krustentiere in Japan und China.

Auch nach Osten – nach Spanien – führt ein Strang: Hier wurden 1973 und 1974 auf Betreiben von Andrés Salvador de Habsburgo-Lorena die Sumpfkrebse zweimal ausgesetzt. Beim ersten Mal entließ man sie nahe der Stadt Badajoz in der Extremadura in die Natur, beim zweiten Mal in die Feuchtgebiete des Flusses Guadalquivir nahe Sevilla, wo sie heute intensiv gefangen werden. Die Zahl der ausgesetzten Tiere war mit 600 beziehungsweise 5000 Exemplaren sehr hoch. Bislang hatte man daher vermutet, dass alle europäischen Tieren ihre hohe genetische Vielfalt dieser Menge verdankten und aus dieser Region stammten. Doch die Gendaten verraten etwas anderes. Die Biologen entdeckten in Teilen Mitteleuropas ein genetisches Profil, das auf der Iberischen Halbinsel nicht vorkommt. Folglich müssen die Krebse noch ein drittes Mal in die freie Wildbahn entkommen sein.

Als mögliche Quelle kommen unter anderem private oder gewerbliche Aquarien in Frage: Rote Amerikanische Sumpfkrebse sind beliebte Haustiere, werden aber wahrscheinlich auch oft lebend in die Umwelt entsorgt (obwohl sie schmackhaft sind). Weil die Tiere die für europäische Flusskrebse tödliche Krebspest übertragen können sowie einheimische Amphibien- und Fischarten dezimieren, gelten sie als problematische invasive Art. Deshalb hat die Europäische Union ihre Haltung und Zucht untersagt. Wer noch Tiere besitzt, darf sie allerdings bis zu ihrem Lebensende weiterpflegen. Das Freisetzen in die Natur ist hingegen verboten. Ob diese Maßnahme aber angesichts der Dynamik der schon frei lebenden Krebse noch etwas bringt, ist ohnehin mehr als fraglich.

Anm. d. Autors: In der ersten Version des Artikels wurde Badajoz nach Andalusien verlegt, obwohl die Stadt in der benachbarten Extremadura liegt. Ich bitte um Entschuldigung wegen des peinlichen Fehlers, da ich eigentlich erst vor Kurzem in der Region war.

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