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Lebensende: Die Vorboten des Todes

Fachkräfte in Medizin und Pflege wissen manchmal intuitiv, dass Kranke nur noch wenige Tage oder Stunden zu leben haben. Oft läuft die Behandlung allerdings weiter und den Sterbenden bleibt ein sanfter Abschied verwehrt.
Schwerkranke Frau liegt in Krankenhausbett
Wenn es auf das Ende zugeht, möchten nur wenige Menschen gerne im Krankenhaus bleiben. (Symbolbild)

Jedes Jahr sterben fast eine halbe Million Deutsche im Krankenhaus – das ist knapp jeder zweite Todesfall. Dabei möchte nahezu niemand (drei Prozent) dort seine letzten Stunden erleben. Um den Abschied wunschgemäß und angenehm zu gestalten, müssten die Fachkräfte den nahenden Tod allerdings erkennen, und das fällt selbst erfahrenen Ärztinnen und Ärzten schwer. Woran sie derzeit festmachen, dass Kranke im Sterben liegen, haben drei Wissenschaftlerinnen von der britischen Lancaster University im »International Journal of Nursing Studies« beschrieben.

Das Team um die Palliativpflegerin Elizabeth Colquhoun-Flannery wertete 24 Studien aus den Jahren 2012 bis 2022 aus, die meisten an Kliniken und Heimen aus dem Vereinigten Königreich und anderen europäischen Ländern. Zu den wichtigsten Voraussetzungen dabei zählte das befragte Personal, den Kranken gut zu kennen und auf die eigene Intuition und Erfahrung zu vertrauen. Ärzte nannten außerdem eher klinische Symptome wie Diagnose, Krankheitsverlauf und Testergebnisse; die Pflegenden stützten sich mehr auf äußere Veränderungen als Vorboten des Todes. Die am häufigsten genannten körperlichen Kennzeichen waren Atembeschwerden, Bewusstseinsstörungen, eine verminderte Nahrungsaufnahme und Mobilität, Hautveränderungen, Unruhe und Erregung, Müdigkeit und Lethargie.

Bereits 2014 hatte eine Übersichtsstudie Kurzatmigkeit als besonders typisches Merkmal hervorgehoben, vor allem bei Krebskranken und nach Schlaganfällen. Auch spezifische Vorzeichen wurden genannt, wie neurologische Defizite und Krampfanfälle bei Hirntumoren. Außerdem hatten die befragten Fachkräfte bei den Sterbenden psychische Veränderungen beobachtet, darunter sozialen Rückzug und geistigen Abbau, aber auch spirituelle Gedanken. Eine weitere Studie in sechs europäischen Ländern hatte bei älteren Menschen kurz vor dem Tod neben Kurzatmigkeit, Gewichtsverlust und Schmerzen noch einen charakteristischen Geruch dokumentiert.

Eindeutige Kennzeichen für den beginnenden Sterbeprozess gibt es allerdings nicht: Die Symptome können individuell unterschiedlich sein, und viele treten ebenfalls bei vorübergehenden schweren Erkrankungen auf. Den Wendepunkt zu erkennen, an dem das Sterben beginnt, erfordere Intuition und Information. Es hänge aber auch von der Kultur in den Heimen und Kliniken ab, schreiben die britischen Forscherinnen. In Krankenhäusern etwa liege der Fokus darauf, Leben zu retten. Vor allem in Akutabteilungen werde es vermieden, von Tod und Sterben zu sprechen. Zusammen mit fehlenden eindeutigen Vorboten trage das dazu bei, dass Sterbende weiterbehandelt und Leiden verlängert werden – anstatt ihnen einen Abschied daheim im Beisein von Angehörigen zu ermöglichen. In der Praxis dürfe Sterben kein Tabu sein, fordern die Wissenschaftlerinnen, und es brauche mehr Studien, um verlässliche Vorzeichen zu identifizieren.

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