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News: Synchrones Feuern für die Aufmerksamkeit

Im ständigen Gewitter feuernder Nervenzellen ist es für die wirklich wichtigen Informationen schwer, sich durchzusetzen. Und doch gelingt es ihnen. Denn die entsprechenden aktivierten Neuronen verbünden sich und feuern verstärkt synchron, wenn 'ihrem' Reiz besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Damit können sie ihre Konkurrenten offenbar ausblenden.
Wir werden ständig mit Reizen überschüttet – wichtigen wie unwichtigen. Und doch gelingt es unserem Gehirn, die relevanten Informationen von den überflüssigen zu trennen, obwohl zahlreiche feuernde Nervenzellen um die Aufmerksamkeit der weiter verarbeitenden Regionen konkurrieren. Wie setzen sich die wirklich bedeutsamen Signale durch?

Eine Möglichkeit wäre, dass die Neuronen ihr elektrisches Signal verstärken, wenn sich der Organismus auf einen bestimmten Reiz konzentriert. Doch diese einfache Vermutung ließ sich experimentell nur in Einzelfällen bestätigen – andere Versuche zeigten dagegen keinerlei Unterschiede. Es musste also eine weitere Lösung geben.

Pascal Fries und seine Kollegen vom National Institute of Mental Health bieten nun eine alternative Erklärung für den Prozess an: Sie vermuten, dass die entsprechenden Nervenzellen synchron feuern und damit die anderen Signale "übertönen". Diese Idee ist nicht neu. Sie geht zurück auf die Überlegungen, wie eigentlich die verschiedenen Eigenschaften von optischen Reizen im Gehirn richtig zugeordnet werden – man also die Farbe des einen beispielsweise nicht mit der Information über die Bewegung des anderen verknüpft. Und schon damals vermuteten Wissenschaftler, dass die entsprechenden Eigenschaften eines Objekts im Gehirn gebündelt werden, indem die Neuronen in bestimmten Zeitabständen rhythmisch gemeinsam feuern, wobei sich die Phasen oder Sequenzen dann von Objekt zu Objekt unterscheiden.

Die Arbeitsgruppe um Fries maß nun die Aktivität verschiedener Nervenzellgruppen in der Sehrinde von Rhesusaffen. Sie präsentierte den Tieren zunächst einen Punkt und zeigte dann zwei weitere in einem gewissen Abstand dazu, wobei sich die Affen auf einen davon konzentrieren sollten. Die entsprechenden Nervenzellen reagierten prompt: Sie feuerten daraufhin im Bereich von 35 bis 60 Hertz – einem Teil des so genannten Gammabandes – verstärkt synchron; nicht aber die Neuronen, die durch die Störsignale aktiviert wurden.

Der Leiter der Arbeitsgruppe, Robert Desimone, sieht in den Ergebnissen einen wichtigen Schritt für die Erforschung mentaler Störungen. "Aufmerksamkeitsstörungen sind bei verschiedenen mentalen Krankheiten weit verbreitet", erklärt er. "Wir beginnen zu verstehen, dass es etwas mit der zeitlichen Abstimmung der neuronalen Signale zu tun haben kann, wenn die Dinge im Gehirn schief gehen und der neuronale Chor aus dem Takt kommt." Weitere Studien sollten sich seiner Ansicht nach nun mit Substanzen beschäftigen, welche die Synchronisation beeinflussen könnten, wie der Neurotransmitter Acetylcholin.

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  • Quellen
Science 291: 1560–1563 (2001)
Science 291: 1506–1507 (2001)

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