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Posttraumatische Belastungsstörung: MDMA hilft auch diverser Patientengruppe

Die psychedelische Substanz MDMA macht die Therapie von traumatisierten Menschen effektiver. Nun hat man die Wirkung auch bei jenen getestet, die besonders gefährdet sind, PTSB zu entwickeln.
Frau legt sich MDMA-Tablette auf die Zunge
MDMA wird für gewöhnlich als Ecstasy bezeichnet und gehört zu den Amphetaminen. Die begrenzten Erfolge, die mit Antidepressiva bei der PTBS erzielt werden, haben in den letzten Jahren das Interesse an Therapieversuchen mit bewusstseinsverändernden Drogen geweckt. (Symboldbild)

Die Einnahme der psychedelischen Substanz MDMA verbessert die psychotherapeutische Behandlung von Menschen, die an einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden. Das ist nun erneut in einer Phase-3-Studie bestätigt worden, die erstmalig auch Personen einschloss, die in klinischen Studien häufig unterrepräsentiert sind. Jennifer Mitchell und Kollegen von der University of California in San Francisco haben ihre Ergebnisse im Fachmagazin »Nature Medicine« veröffentlicht.

In einer früheren Phase-3-Studie aus dem Jahr 2021 hatte das Team bereits gezeigt, dass die MDMA-unterstützte Therapie gut vertragen wird und den Schweregrad der PTBS verringert. Es war jedoch unklar, ob sich die Ergebnisse auf Bevölkerungsgruppen mit mäßigen Symptomen oder auf Menschen mit einem unverhältnismäßig hohen PTBS-Risiko übertragen lassen. Auf Grund von Unterschieden in der Trauma-Exposition haben ethnische Minderheiten sowie Transgender, Ersthelfende, Militärangehörige, Veteranen und Opfer von sexuellem Missbrauch ein deutlich höheres Risiko, die psychische Erkrankung zu entwickeln.

Die Bestätigungsstudie, die Jennifer Mitchell und ihre Kollegen nun publiziert haben, umfasst eine ethnisch vielfältige Population. Sie verglichen die Wirksamkeit und Sicherheit einer MDMA-unterstützten Psychotherapie mit einer placebobegleiteten Behandlung über einen Zeitraum von 18 Wochen. Dazu luden sie insgesamt 104 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit der Diagnose einer mittelschweren bis schweren PTBS ein.

Phasen klinischer Studien

Wird ein neues Medikament entwickelt, durchläuft es fünf klinische Phasen. Um eine Studie in einer höheren Phase durchführen zu können, müssen alle vorhergehenden Phasen erfolgreich abgeschlossen worden sein.

Phase-0-Studie: Die ersten Versuche am gesunden Menschen finden statt. Etwa 10 bis 15 Personen erhalten subtherapeutische Dosen, auch Microdosing genannt. Dabei wird vor allem untersucht, wie sich der Wirkstoff im Körper verhält.

Phase-I-Studie: Etwa 20 bis 80 Personen erhalten eine Dosis, die für die spätere therapeutische Anwendung relevant sein könnte. Es wird geprüft, wie verträglich und sicher das Mittel ist.

Phase-II-Studie: Mit etwa 50 bis 200 Personen überprüfen die Hersteller das Therapiekonzept und legen eine geeignete Dosis fest. Zu diesem Zeitpunkt sollten bereits positive Effekte der Therapie sichtbar sein.

Phase-III-Studie: Nun entscheidet sich, ob die verantwortlichen Behörden ein Medikament zulassen. An 200 bis 10 000 Personen muss die therapeutische Wirksamkeit des Medikaments nachgewiesen werden. Das gilt ebenso für seine Unbedenklichkeit, eine angemessene pharmazeutische Qualität und ein geeignetes Nutzen-Risiko-Verhältnis.

Phase-IV-Studie: Diese Langzeitbeobachtungen beginnen, nachdem das Medikament zugelassen wurde. Damit sollen beispielsweise sehr seltene Nebenwirkungen festgestellt werden, die erst bei sehr großen Patientenkollektiven sichtbar sind.

Insgesamt litten 27 Prozent von ihnen an einer mittelschweren PTBS und 73 Prozent an einer schweren Form. 27 Prozent der Probanden bezeichneten sich als hispanisch/lateinamerikanisch und ungefähr 34 Prozent als nicht weiß. Das Team wies die Freiwilligen zufällig entweder der MDMA- oder der Placebogruppe zu. Hierbei wussten weder die Teilnehmenden noch die Versuchsleiter, zu welcher Gruppe sie jeweils gehörten (es handelte sich also um eine Doppelblindstudie). Die Veränderung des Gesamtschweregrads der PTBS wurde von unabhängigen und ebenfalls »verblindeten« Gutachtern bewertet.

Die Autorinnen und Autoren berichten, dass die MDMA-unterstützte Therapie die PTBS-Symptome im Vergleich zu einer Placebobehandlung verringerte: 71 Prozent derjenigen, die zusätzlich zur Psychotherapie MDMA erhalten hatten, erfüllten nach dem Studienzeitraum die diagnostischen Kriterien für PTBS nicht mehr. Hingegen traf das nur auf 48 Prozent der Teilnehmer der Placebogruppe zu. Die Forschenden weisen darauf hin, dass die MDMA-unterstützte Therapie gut vertragen wurde und dass die Ergebnisse der beiden Zulassungsstudien eine sehr gute Wirksamkeit für den akuten Behandlungsverlauf zeigen. Allerdings könnten noch keine Aussagen über einen langfristigen Erfolg der Therapieform getroffen werden.

Gregor Hasler, Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Université de Fribourg in der Schweiz, lobt die diverse Zusammensetzung des Patientenkollektivs: »Neu an dieser Studie ist die große Vielfalt der Teilnehmenden, was ein wichtiges Argument für die breite Anwendbarkeit der Therapie ist.« Außerdem bestätige dies die gute Wirksamkeit und Verträglichkeit von MDMA-unterstützter Psychotherapie unabhängig vom Schweregrad und der ethnischen Zugehörigkeit. Auf die Frage nach dem Suchtpotenzial der Substanz sagte er gegenüber dem Science Media Center: »Ob Patienten nach der Therapie privat MDMA konsumieren, hängt von der Auswahl der Patienten ab. Wenn man Patienten nimmt, die gar keine Drogenerfahrung haben und gar keine Suchtprobleme, ist die Gefahr äußerst gering.« Ferner sei es schwierig, MDMA auf dem Schwarzmarkt zu bekommen.

MDMA (3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin) ist der ursprüngliche Wirkstoff der Freizeitdroge Ecstasy, der auf das Serotoninsystem des Gehirns wirkt. Er euphorisiert, verstärkt Empfindungen und kann prosoziales Verhalten steigern. In der Schweiz und in Australien ist der medizinische Einsatz in Einzelfällen bereits erlaubt. Matthias Liechti, Stellvertretender Chefarzt der Abteilung für klinische Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsspital Basel, bezeichnet die aktuellen Ergebnisse als »Meilenstein«, fügt aber hinzu: »Das heißt noch nicht, dass damit MDMA für Patienten gleich verfügbar wird. Dazu braucht es noch die Zulassung in den Regionen und den Marktzugang.«

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