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News: Unerwarteter Klebstoff

Nur verschwindend wenige Bakterien sind überzeugte Einzelgänger - die meisten lieben es eher gesellig. Auf festen Oberflächen wie unseren Zähnen wachsen jene kontaktfreudigen Vertreter zu dauerhaften Biofilmen aus, gegen die Antibiotika nahezu machtlos sind. Lange Zeit standen Zuckerketten im Verdacht, die schleimigen Beläge als Klebstoff zusammenzuhalten. Doch weit gefehlt: Offenbar fungieren von den Mikroorganismen ausgeschleuste DNA-Moleküle als wesentliches Kittmittel der Aufwüchse.
Egal, ob es sich um Glas, Plastik, Stein oder gar menschliche Körperteile handelt: Mikroorganismen sind keineswegs wählerisch, wenn sie sich auf festen Oberflächen zu Kolonien zusammenfinden und schlüpfrige Beläge bilden. So überziehen jene bakteriellen Biofilme nicht nur Wasserleitungen und Schiffsrümpfe, sondern auch unsere Zähne, Haut oder Prothesen. Im Vergleich zu ihren allein lebenden Kollegen genießen die Bakterien ohne Berührungsängste den Vorteil, in Gesellschaft ihresgleichen sehr resistent gegenüber Antibiotika zu sein.

Insbesondere ein Vertreter namens Pseudomonas aeruginosa entfaltet zusammen mit seinen Artgenossen ein äußerst gefährliches Potential: In den Lungen von Mukoviszidose-Patienten bilden diese Bakterien lebensbedrohliche Schleimüberzüge, die sich standhaft jedem medikamentösen Angriff widersetzen. Um den gefährlichen Mikroorganismen Einhalt zu gebieten, sind Wissenschaftler schon seit Jahren bemüht, das Geheimnis des bakteriellen Zusammenhaltes zu enträtseln – doch bislang vergebens.

Vermutlich fungiert eine lange Zuckerkette als Leim des Biofilms, allerdings ließ sich eine solche noch nicht im Labor isolieren. Stets erwiesen sich die Proben als verunreinigt mit DNA-Molekülen, und auch die chemische Säuberung der Zucker führte nicht zum erhofften Erfolg. Nun zogen aber John Mattick und seine Mitarbeiter von der University of Queensland eine neue Erwägung in Betracht: Möglicherweise handelte es bei der DNA keineswegs um einen störenden Fremdkörper, sondern gar um einen wesentlichen Bestandteil des Klebstoffes. Denkbar wäre dies, da Pseudomonas-Bakterien mittels Membranvesikeln DNA aus ihrem Inneren ausschleusen.

Um ihre Vermutung zu überprüfen, behandelten die Forscher die Mikroorganismen mit dem Enzym DNase I, das speziell DNA-Moleküle zu spalten vermag. Und tatsächlich bestätigte sich der Verdacht: Die Bakterien wuchsen und teilten sich zwar weiterhin, doch sie waren nicht länger imstande, schleimige Beläge auszubilden. Und auch mit DNase I versetzte Biofilme unterschiedlichen Alters löste das Enzym problemlos auf. Allein die mit 84 Stunden älteste Probe hielt dem enzymatischen Angriff stand.

Offenbar spielen die DNA-Moleküle als Kleber eine entscheidende Rolle im Zusammenhalt der schlüpfrigen Überzüge. Doch eventuell ergänzt eine weitere strukturelle Komponente die DNA in älteren Biofilmen und trägt somit zu deren Verstärkung bei, spekulieren die Forscher. Nach wie vor ungeklärt ist die Rolle der Zucker: Die neue Forschungsarbeit schließt die Beteiligung von Zuckerketten nicht aus, wie Pete Greenberg von der Univerity of Iowa anmerkt. Seiner Meinung nach helfen neben den DNA-Molekülen sehr wahrscheinlich auch Polymere mit, die Biofilme zusammenzukitten.

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