Direkt zum Inhalt

Urwale: Die seltsamen Zähne der Delfinvorfahren

Das Gebiss der frühen Zahnwale war eher vergleichbar mit dem des Menschen, und ein Blasloch hatten sie auch nicht. Die wichtigste Frage in der Evolution des Wals ist jedoch ungeklärt.
Künstlerische Darstellung des Ur-Wals Olympicetus thalassodon.
Rekonstruktion von Olympicetus thalassodon, einem 28 Millionen Jahre alten Urwal mit kuriosem Gebiss. In dieser Abbildung scheinen die Tiere die typische Melone zu haben, ein Organ zur Echoortung. Ob sie über diese Fähigkeit verfügten, ist jedoch unklar.

Vor 28 Millionen Jahren schwammen die Vorfahren der heutigen Delfine im Pazifik – doch sie unterschieden sich enorm von ihren modernen Verwandten. Drei im Jahr 1984 im US-Bundesstaat Washington gefundene frühe Zahnwale hatten Gebisse, die eher an menschliche Zahnreihen erinnern als an die heutiger Delfine, berichtet der Paläontologe Jorge Velez-Juarbe vom Museum für Naturgeschichte in Los Angeles. Die völlig neuen Arten, die er im Magazin des Museums aufspürte und nun in der Fachzeitschrift »PeerJ« beschreibt, hatten ihre Nasenlöcher außerdem vor den Augen auf der Schnauze. Moderne Zahnwale haben ihre Nasenöffnung – das Blasloch – oben auf dem Kopf. Das längste Tier maß drei Meter und gehörte damit zu den größten bekannten Walvorfahren zu jener Zeit. Die neu beschriebenen Arten schließen eine rund zehn Millionen Jahre währende Lücke, in der über die Evolution der Zahnwale nur wenig bekannt ist.

Eine der neuen Arten taufte der Forscher auf den Namen Olympicetus thalassodon, die anderen sind noch nicht einer genauen Art zugeordnet. Sie gehören zu den Simocetidae, einer der frühesten Abstammungslinien, die zu Delfinen und verwandten Arten führte. Die Vielfalt solcher frühen Vorfahren der Zahnwale in der Region deute darauf hin, dass sie, ebenso wie die Vorfahren der Bartenwale, in dieser Region endemisch waren, schreibt Velez-Juarbe. In einer früheren Veröffentlichung hatte er die Hypothese aufgestellt, dass die Tiere vom Atlantik aus quer über den zum Teil überfluteten nordamerikanischen Kontinent in den Pazifik gewandert waren. Fossilien der landlebenden Vorfahren der Wale sind in Pakistan gefunden worden.

Besonders bemerkenswert sind die Unterschiede im Gebiss. Moderne Zahnwale haben sehr einfache und gleichförmige Zähne. Sie sind allesamt kegelförmig und haben eine einfache Spitze. Die neu gefundenen Arten dagegen sind heterodont – sie haben unterschiedliche Zähne mit zum Teil mehreren Höckern, vergleichbar mit menschlichen Backenzähnen. Darin ähneln sie den allerfrühesten Walvorfahren. Das gilt auch für die weit vorne liegenden Nasenöffnungen, die im Lauf der Evolution nach hinten auf den Kopf wanderten. Das macht die Arten zu kuriosen Zwischenformen zwischen den frühesten Walvorfahren und modernen Zahnwalen.

Unklar ist bisher, ob diese frühen Zahnwale bereits Echoortung nutzten – die Evolution dieser Fähigkeit ist einer der entscheidenden Schritte in der Entwicklung moderner Wale. Die gefundenen Schädelreste weisen Spuren mehrerer für die Echoortung nötiger Merkmale auf. Allerdings zeigt ein früher gefundenes Jungtier, dass Simocetidae zumindest in jungen Jahren nicht das dafür nötige Gehör hatte. Das lässt einerseits die Möglichkeit offen, ob nur erwachsene Tiere diese Technik nutzten. Nach einer anderen Interpretation entwickelte sich die Fähigkeit zur Echoortung erst später. Um den Ursprung dieser einzigartigen Fähigkeit der Delfine und ihrer Verwandten zu klären, sind jedoch weitere und vor allem vollständigere Funde nötig. Womöglich liegen sie schon jetzt unerkannt in einem Museum.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.