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Der Aufstieg des Menschen auf Kosten aller anderen

Nach der Lektüre dieser Rezension ist die Weltbevölkerung um 314 neue Bürger gewachsen. Wie wirkt sich das auf unseren Planeten aus? Bedeutet die Biodiversitätskrise das Ende der Evolution?

Im Anthropozän, dem Menschenzeitalter, beeinflusst der Mensch alle Lebensräume unseres Planeten und damit auch alle lebenden Arten. Wann genau das Zeitalter begonnen hat, ist umstritten. Fest steht aber, dass der Einfluss des Menschen nicht erst seit den technischen Entwicklungen der vergangenen Jahrhunderte, sondern bereits mit dem Auszug des Homo sapiens aus Afrika vor etwa 65 000 Jahren begann.

Ausbreitung der »Unkraut«-Spezies

Der Sachbuchautor Glaubrecht führt der Leserschaft in seinem neuen Buch »Das Ende der Evolution« vor Augen, dass der Mensch seit seiner Entstehung – beziehungsweise ab dem Zeitpunkt, zu dem er sich als »Unkraut«-Spezies verbreitet hat – seine Umwelt verändert hat. Obwohl das Aussterben großer Säugetiere schon bei der Ausbreitung des Homo sapiens auf dem eurasischen Kontinent begann und sich bei der Besiedlung Australiens und Amerikas fortsetzte, nimmt das Artensterben in den letzten Jahren dramatische Ausmaße an. Fachleute befürchten, bis zum Jahr 2050 könnten zirka zehn Prozent der Wirbeltierarten in den Regenwaldregionen aussterben. Doch auch in Deutschland ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Feldhasen oder Schwalben früher oder später verschwinden.

Das Cover des Buchs, das man mit seinen 1071 Seiten auch als Manifest bezeichnen kann, ziert eine der seltensten Schildkrötenarten der Welt, eine madegassische Schnabelbrustschildkröte. Von ihr gibt es bloß noch einige hundert Exemplare. Damit ist sie nur eines jener zahlreichen Bespiele für Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind.

Die lange Liste der anderen gefährdeten Kandidaten verlangt den Lesern großes Durchhaltevermögen ab. Dabei wird man allerdings von Glaubrechts unglaublicher Expertise als Evolutionsbiologe belohnt. Häufig werden neben den großen und schönen Tierarten die Vielzahl an kleineren Tieren, Fischen, Vögeln und Insekten übersehen. Auch die Tatsache, dass die Rettung von einigen wenigen Individuen keine ganze Art sichern kann, findet zu wenig Beachtung. Umso kleiner eine Population wird, desto höher wird der Grad an Inzucht, und damit geht eine erhöhte Anfälligkeit für Erkrankungen einher.

Neben den vielen Problemen gefährdeter Tiere beleuchtet Glaubrecht auch die Tatsache, dass nicht einmal bekannt ist, wie viele verschiedene Arten es auf der Erde überhaupt gibt. So kommt es wohl oft zu einem unbemerkten Verschwinden einer Art.

Der Mensch beeinflusst die Evolution aktiv und muss aufpassen, dabei nicht die eigene Lebensgrundlage zu vernichten. Das geschieht nicht nur durch den Klimawandel, der inzwischen Eingang in unser Denken gefunden hat. Der Autor mahnt, endlich auch die Biodiversitätskrise auf die politische und gesellschaftliche Agenda zu setzten, bevor es zu spät ist. Er wird nicht müde zu betonen, dass es nicht ausreicht, einige kleine Beiträge zu leisten: Wir müssen uns auf einen Weg begeben, der uns anfangs beschwerlich erscheint und aus der Komfortzone herausführt.

Man wird beim Lesen nicht erst durch die beiden Zukunftsszenarien, die Glaubrecht ans Ende seines Buchs stellt, in eine leicht depressive Stimmung versetzt. Doch der Autor mindert das negative Gefühl durch die Aussicht, dass wir das Schicksal der Biodiversität unseres Planeten und somit auch unsere Zukunft noch beeinflussen können.

Für das umfangreiche Werk sollte man sich ausreichend Zeit nehmen, denn die darin angeführten Fakten hallen oft noch länger in Gedanken nach. Immerhin geht es um nicht weniger als um das Überleben der Menschheit.

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