Direkt zum Inhalt

Genialer Forscher und markante Persönlichkeit

Obwohl Paul Diracs Buch "The Principles of Quantum Mechanics" bereits 1930 erschien, wurde es immer wieder neu aufgelegt und nachgedruckt, zuletzt 2010. Denn es führt auf eine Weise in die Quantenmechanik ein, die dermaßen zwingend logisch und formal überzeugend ist, dass man nach der Lektüre meint, die Quantenmechanik in ihrer mathematischen Gestalt könne gar nicht anders sein, als Dirac sie beschreibt. Die Herleitung der nach Dirac benannten Gleichung in diesem Buch ist schnörkellos knapp und vermittelt einen unverändert starken Eindruck von großer Kühnheit, wenn es um den Umgang mit Mathematik und ihre deduktive Anwendung in der Physik geht. Dirac steht noch heute für größtmögliche Klarheit im Aufbau der Quantentheorie.

Farmelo vollzieht das Leben des großen theoretischen Physikers in 31 Kapiteln nach, von denen 29 jeweils einen bestimmten Zeitraum betreffen, während die letzten beiden Diracs Denkweise, seine Persönlichkeit und sein physikalisches Vermächtnis behandeln. Während der frühen und späten Lebensphasen überbrücken die Kapitel große Zeitspannen von mehreren Jahren. Die Abschnitte hingegen, die sich mit der Entwicklung der Quantenmechanik und mit Diracs wichtigsten Beiträgen hierzu befassen, beschreiben jeweils oft nur wenige Monate. Das Werk beleuchtet Diracs Leben eindringlich, aber nie aufdringlich, aus diskreter Nähe.

Den ganzen Menschen im Blick

So bedeutsam Diracs Anteil an der der modernen Physik nach wie vor eingeschätzt und so sehr er geachtet wird, so wenig ist über das Leben des Physikers bekannt. Es wäre ein Leichtes, seine persönlichen Eigenarten zum Gegenstand distanzierter Belustigung zu nehmen, oder in Dirac den Proto­typen des hoffnungslos weltfremden Gelehrten zu sehen, der in vertraute Abläufe und feste Überzeugungen eingebunden war. Über Dirac werden immer noch seltsame Anekdoten erzählt, die wiedergeben sollen, wie rätselhaft, unnahbar und entrückt seine Persönlichkeit war. Farmelos Biografie erliegt solchen Verlockungen an keiner Stelle. Sie vollbringt das Kunststück, einerseits einfühlsam zu sein, sich aber andererseits nicht in mitleidige Überheblichkeit zu begeben. Sie beschreibt Diracs Eigenarten und Sonderbarkeiten und würdigt zugleich seine überragenden Leistungen in der mathematischen und theoretischen Physik. Unaufgeregt und diskret bindet der Autor persönliche Details – Diracs Kindheit, Schul- und Ausbildungszeit, seine Freundschaften, seine Ehe, sein Verhältnis zu Stief- und eigenen Kindern – in die Biografie ein und zeichnet damit ein Gesamtbild des Protagonisten als Wissenschaftler und Privatmann.

Die an vielen Stellen spannende Lektüre vermittelt großen Anteil am Leben des Physikers. Das Werk ist mit detaillierten Quellenangaben eindrucksvoll belegt, dennoch aber flüssig und leicht zu lesen. Farmelo lässt Diracs schwierige Persönlichkeit und seine wissenschaftlichen Leistungen nebeneinander stehen; er lässt beides zur Geltung kommen: das Genie und seine Exzentrik. Heraus kommt ein zutiefst beeindruckendes, bewegendes Werk.

Hinweis der Redaktion: Spektrum der Wissenschaft und Springer Science+Business Media gehören beide zur Verlagsgruppe Springer Nature. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die Rezensionen. Spektrum der Wissenschaft rezensiert Titel aus dem Springer-Verlag mit demselben Anspruch und nach denselben Kriterien wie Titel aus anderen Verlagen.

Kennen Sie schon …

Spektrum der Wissenschaft – Quantengravitation im Labor: Experimente könnten die Quantennatur der Raumzeit enthüllen

Zwei Artikel in dieser Ausgabe stellen neue Experimente und Versuchsideen vor, die das postulierte Quantenteilchen der Schwerkraft, das Graviton, sowie die die Quantennatur der Raumzeit nachweisen sollen. Aktuell werden die ersten Versuche dieser Art umgesetzt und von der Fachwelt mit Spannung verfolgt. Daneben berichten wir über Tensornetzwerke, die klassische Computer leistungsfähiger machen als gedacht und so eine Konkurrenz für Quantencomputer darstellen. Außerdem: wie gentechnisch maßgeschneiderte Phagen – Viren, die Bakterien befallen – in der Medizin eine wichtige Rolle übernehmen könnten, neue Erkenntnisse über die neolithische Revolution am Amazonas und die Diskussion, ob auch in der Ökologie eine Replikationskrise besteht.

Spektrum - Die Woche – Spermakrise: Mysteriöser Samenschwund

Könnte die Menschheit aussterben, weil Männer immer weniger funktionstüchtige Samenzellen haben? Unsere Titelgeschichte »Mysteriöser Samenschwund« informiert über die »Spermakrise«. Zahlreiche Studien deuten auf einen Rückgang der Spermienzahlen hin. Wie ernst ist die Lage wirklich?

Spektrum Kompakt – Paradox und Dilemma - Ausweglose Situationen in der Mathematik

Das Lösen von Paradoxa hat die Mathematik vorangebracht. Allerdings verstecken sich die Widersprüche auch im Alltag; zum Beispiel in den berühmten Fragen, wieso man so lange auf den Fahrstuhl warten muss, warum die Bahn immer zu spät kommt und wie lang die Grenze zwischen zwei Ländern wirklich ist.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.