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18 geniale Ideen

Herausragende Geistesblitze von 18 Personen der Mathematikgeschichte sind das Thema dieses Buchs.

Da hat der Verfasser mit diesem Buch wieder einen »echten Strick« herausgebracht. Wer auch eines seiner insgesamt drei Bücher über »schöne Mathematik« kennt, dürfte auch hier wieder ein detailreiches, überaus anschaulich und klar formuliertes Werk erwarten – und wird nicht enttäuscht. Bereits das Layout regt zum genauen Hinschauen an: farbige Grafiken und Zeichnungen, übersichtlich organisierte Tabellen, immer mit unterschiedlichen Farben gegliedert, sowie Textabschnitte, die je nach Typ farblich unterlegt sind. Die Faszination der Mathematik ist das große Thema des Autors, und er demonstriert sie auch anhand von »Kleinigkeiten« – etwa den erstaunlich vielen Abbildungen von Briefmarken, die im Text eingestreut sind und aus denen hervorgeht, welche Bedeutung der Mathematik in verschiedenen Ländern zukommt.

Aus dem arabisch-persischen Raum nach Europa

Jedes der 18 Kapitel ist einem Mathematiker gewidmet. Die Auswahl beginnt mit der griechischen Antike und zwei berühmten Namen (Pythagoras, Archimedes), die vielen aus der Schule bekannt sein dürften. Aus dem Mittelalter – dem Rezensenten in Sachen Mathematik bisher eher als »finster« bekannt – werden fünf herausragende Mathematiker vorgestellt; alle kommen aus dem arabisch-persischen Raum. Hierin zeigt sich, dass die arabisch-islamische Forschung den Wissensschatz der Antike übernommen, weiterentwickelt und schließlich ins mittelalterliche christliche Europa transferiert hat. Deshalb gehörten hier Italiener zu den Ersten, die die Mathematik voranbrachten; mit ihnen befasst sich der Autor daher als Nächstes, bevor er zehn weitere bedeutende Persönlichkeiten vorstellt, bei denen es sich um Engländer, Franzosen und Deutsche handelt.

Alle Kapitel können voneinander unabhängig gelesen werden und da sie konsequent in derselben Weise gegliedert sind, lassen sich sogar einzelne ihrer Unterabschnitte herausgreifen und miteinander in Beziehung setzen. So enthält der jeweils zweite Abschnitt stets eine kurz gefasste Lebensgeschichte der Person, um die es gerade geht. Dadurch kann man sich schnell über die biografischen Daten verschiedener Protagonisten informieren – etwa Descartes, Fermat und Pascal, die in derselben Zeit gelebt und miteinander korrespondiert haben.

Die zum Verständnis der Mathematik notwendigen Vorkenntnisse gehen, wie schon im Vorwort betont, nur selten über schulische Kenntnisse der Oberstufe hinaus. Und falls doch, gibt der Autor – etwa beim Thema »Kettenbrüche« – etwas ausführlichere Beispiele. Wie überhaupt die Argumentation stets beispielsgebunden erfolgt und nicht etwa in Form abstrakter Beweise.

Der erste Abschnitt eines jeden Kapitels präsentiert – dem Buchtitel folgend – unter dem Stichwort »einfach genial« eine zentrale Idee, die ein bestimmtes mathematisches Problem auf völlig neue Weise zu lösen erlaubte. So entwickelten Pythagoras und seine Schüler die überaus anschauliche Idee der figurierten Zahlen: Punktmuster stellen einfache zahlentheoretische Zusammenhänge überzeugend dar und reichten den »alten« Griechen als Beweis völlig aus.

Genial mutet auch die Methode an, mit der es der persische Mathematiker Omar Khayyam  (1048-1131) mit Hilfe von Kegelschnitten schaffte, Gleichungen dritten Grades zu lösen – Jahrhunderte bevor der italienische Mathematiker Niccolò Tartaglia (1499-1557) eine Lösung mit Hilfe geometrischer Anschauung fand, wobei er die Methode des choresmischen Universalgelehrten al-Khwarizmi (9. Jahrhundert) für quadratische Gleichungen verallgemeinerte. Die Bewunderung für diese kreativen Ansätze wird umso größer, wenn man sich klarmacht – wie vom Autor immer wieder angeregt –, dass damals nicht die uns heute vertraute mathematische Formelsprache existierte.

Interessant ist, zu erfahren, welche Lösungsansätze es vor Leibniz und Newton für Aufgaben der Differenzial- und Integralrechnung gab – und spannend, diese Ideen zu vergleichen. So stellt der Autor für die Berechnung von Flächeninhalten Methoden von Archimedes (Exhaustionsprinzip), Fermat und Pascal vor und beschreibt für das Tangentenproblem Lösungen von Descartes und Fermat.

Über die »genialen Ideen« hinaus führt Strick im dritten Abschnitt jedes Kapitels weitere Themen auf, mit denen sich die jeweiligen Mathematiker beschäftigt haben. Er zieht dabei häufig Verbindungen zu den Vorarbeiten anderer Wissenschaftler und ordnet deren Bedeutung historisch ein. Dabei gelingt ihm eine insgesamt großartige Zusammenstellung vieler höchst bedeutender mathematischer Entdeckungen.

Nicht verwunderlich ist es, dass Euler, »zweifelsohne der produktivste Mathematiker aller Zeiten«, mehr Buchseiten beansprucht als alle anderen behandelten Personen. Allerdings überrascht mich, dass die Wahl für dessen geniale Lösung auf das so genannte Basler Problem (Bestimmung des Grenzwerts der Reihe der reziproken Quadratzahlen) fiel – hat doch gerade Euler sehr viele Entdeckungen gemacht, die bekannter und für mich beeindruckender sind.

Nicht unerwähnt bleiben darf die Liste der Literaturhinweise, die jedem Kapitel angefügt sind. Meist noch mit einem kurzen Kommentar versehen, nennt der Autor Buch- und Internetquellen, insbesondere auch passende Stichworte zu Wikipedia-Artikeln.

Die Auswahl der in diesem Buch vorgestellten 18 genialen Ideen ist dem Verfasser sicher schwergefallen, kommen mir doch spontan viele weitere bedeutende Namen in den Sinn wie Euklid, Leibniz, Newton, Gauß, Riemann oder Hilbert. Da kann man sich hoffentlich auf einen Folgeband freuen.

Hinweis der Redaktion: Spektrum der Wissenschaft und Springer-Verlag GmbH gehören beide zur Verlagsgruppe Springer Nature. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die Rezensionen. Spektrum der Wissenschaft rezensiert Titel aus dem Springer-Verlag mit demselben Anspruch und nach denselben Kriterien wie Titel aus anderen Verlagen.

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