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Hauen und Stechen

Kriegerische Konflikte im Mittelalter waren wild, grausam und hinterhältig, zeigt der Mediävist Martin Clauss auf.

Edle Recken, die hoch zu Ross in die Schlacht reiten; geharnischte Helden, die für die gute Sache das Schwert ergreifen und im ritterlichen Kampf den Heldentod sterben. Dieses Bild von mittelalterlichen Kriegen, das uns bis heute in Filmen und Erzählungen begegnet, geht maßgeblich auf die zeitgenössische Hofdichtung eines Wolfram von Eschenbach oder Hartmann von der Aue aus dem 12. und 13. Jahrhundert zurück. Wie sehr solche Vorstellungen ins Reich der Mythen zu verweisen sind, zeigt dieses wunderbar kompakte, aufschlussreiche und gut verständliche Buch des Chemnitzer Mediävisten Martin Clauss. Der Band nimmt das Militärwesen von der Merowingerzeit im 5. Jahrhundert bis zur Eroberung Konstantinopels 1453 in den Blick.

Für den rechten Glauben und fürs Rechtbehalten

Kriege im Mittelalter, so der Lehrstuhlinhaber für die Geschichte Europas im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit an der TU Chemnitz, erzeugten in erster Linie Tote und Verstümmelte statt Helden. Es ging um Macht, Geld und Ehre, um den rechten Glauben und ums Rechtbehalten. Anschaulich erörtert Clauss die gesellschaftlichen Umstände, die Menschen im Mittelalter in den Krieg ziehen ließen. Und er fragt, wie Gewalt in diesem christlich geprägten Zeitalter legitimiert wurde, in dem man sich – etwa im Fall der Kreuzzüge – zur Rechtfertigung von Kampfhandlungen unter anderem auf das Wort Gottes berief.

Detailliert beschreibt der Autor, wie im Mittelalter Krieg geführt wurde und welche Waffen dabei zum Einsatz kamen. Ob Schlacht, Feldzug, Scharmützel, Belagerung oder andere Formen der Gewalt, der Krieg hatte viele Gesichter. Offene Feldschlachten stellten eher eine Ausnahme dar, und die Heerhaufen, die sich dann gegenüberstanden, waren – verglichen mit Staatenkriegen in der Antike oder der Moderne – nicht sonderlich groß.

Dafür waren die Kriege wild und grausam. Statt eines fairen Kampfs standen Finten, Hinterhalte und allerlei Kriegslisten, etwa die vorgetäuschte Flucht, auf der Tagesordnung. Auch vor biologischer Kriegsführung schreckte man nicht zurück. Zwecks Einschleppen von Seuchen wurden verwesende Leichen oder Tierkadaver in belagerte Städte katapultiert oder gezielt Brunnen vergiftet.

Das Kampfgeschehen selbst war in der Regel ein chaotisches Getümmel, ein brutales Hauen und Stechen unter Reiterkriegern und Kämpfern zu Fuß. Mit Kriegshämmern, Äxten, Streitkolben, Spießen und Klingen fügten sich die Kombattanten entsetzliche Verletzungen zu. Am Beispiel des Hundertjährigen Kriegs zwischen England und Frankreich (1337-1453) zeigt Clauss, dass Plünderungs- und Verwüstungszüge die Kriegsführung im Mittelalter dominierten. Das primäre Ziel lag nicht unbedingt in der physischen Vernichtung des Gegners, sondern in der Zerstörung seiner Ressourcen.

Zudem thematisiert der Autor, wie die Kriegsführung im Mittelalter zahlreiche Veränderungen durchmachte – strategisch, taktisch, technisch. Zunächst dominierten elitäre Reiterkrieger das Schlachtfeld, die ihrem Wesen nach Einzelkämpfer waren. Doch sie mussten nach und nach der kollektiv agierenden Infanterie (etwa in Form von Gevierthaufen) weichen, was mit einer Vergrößerung der Heere und somit auch höheren Opferzahlen einherging. Die »killing zone«, der Bereich zwischen den Kämpfern, in dem die Waffen effektiv waren, vergrößerte sich im Lauf der Zeit erheblich. Vor allem mit dem Aufkommen von Armbrust, Langbogen und – deutlich später – auch den Feuerwaffen veränderten sich die Kampfmethoden, was letztlich dazu führte, dass die gepanzerten Reiter zum Ende des Mittelalters an Bedeutung verloren, und mit ihnen der ganze Ritterstand.

Diese und noch viel mehr interessante Erkenntnisse warten auf die Leser dieses Büchleins, in dem es dem Autor gelingt, ein facettenreiches Bild mittelalterlicher Gewaltkonflikte anspruchsvoll, knapp, kompetent und frei von Klischees zu zeichnen. Eine echte Bereicherung aus der Reihe »Wissen« des Verlags C.H.Beck.

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