Popstar der Physik
Am 14. März 2018 starb der Ausnahmephysiker Stephen Hawking im Alter von 76 Jahren in Cambridge. Die Kombination aus messerscharfem Verstand und körperlicher Behinderung prägte sein wissenschaftliches Leben und machte ihn berühmt. Er wurde zu einem Popstar der Physik. Viele kennen ihn durch sein Werk »Eine kurze Geschichte der Zeit«, das sich über 10 Millionen Mal verkaufte und in 40 Sprachen übersetzt wurde.
Ein letztes gemeinsames Buch
Sein letztes Buch »Der große Entwurf«, das 2010 erschien, ist dagegen weniger bekannt. Hawkings Koautor bei diesem Buch war der am Caltech lehrende theoretische Physiker Leonard Mlodinow, der nun seine Erinnerungen an seinen Freund Stephen Hawking veröffentlicht. In »Stephen Hawking« erzählt er, wie die zwei Forscher ihr gemeinsames Buch schrieben, und nutzt das, um sowohl über Hawkings fachliche Themen zu berichten als auch zahlreiche Anekdoten über das Ausnahmetalent selbst loszuwerden.
Eine rechte Struktur hat Mlodinows Buch nicht. Es gibt keine Inhaltsangabe, und die Kapitel sind schlicht durchnummeriert. Die Lektüre zeigt, dass dies auch für den Text gilt. Es ist ein etwas gewöhnungsbedürftiges Gemisch aus Biografie, Kosmologie und persönlichen Erinnerungen. Zwar plätschern die Worte das ganze Buch hindurch, aber man weiß nicht so recht, wohin die Reise führen soll.
Fachlich gesehen ist das verständlich, denn Mlodinow möchte natürlich nicht »Der große Entwurf« noch einmal schreiben. Erst auf Seite 242 verrät er, was die Quintessenz des gemeinsamen Werks ist – nämlich das anthropische Prinzip, das Hawking am Ende seiner Karriere vertrat. Demnach sind die Gesetze der Physik, wie sie sind, weil wir zufällig in einem von vielen Universen leben, das lang genug existiert, damit sich Leben in ihm entwickeln konnte.
Dem Untertitel folgend widmet Mlodinow den größten Teil des Buches den persönlichen Erlebnissen, die er mit Hawking teilte. So führt er über viele Seiten aus, wie er das erste Mal einen Bootsausflug mit seinem gebrechlichen Freund unternahm und wie er dabei ängstlicher als Hawking selbst war. Leider diskutiert der Autor mit etwas zu viel Details die Beziehung Hawkings zu seinen Ehefrauen oder beschreibt unnötig genau, wie der Physiker Mahlzeiten zu sich nehmen musste.
Die Stellen im Buch, an denen es um Physik geht, sind unterschiedlich gut gelungen. So muss man sich wieder einmal durch die Rosinenbrot-Analogie quälen, wenn es um die Expansion des Universums geht. Das ist weder schlecht noch falsch, aber Mlodinow bemüht ein doch sehr abgegriffenes Bild. An anderen Stellen finden sich gar banale Plattitüden: »Die Briten klagen viel über das Wetter, und sie haben allen Grund dazu«.
Gut gelungen ist hingegen die Geschichte der theoretischen Erforschung Schwarzer Löcher in Kapitel 6. Hier ist das Buch informativ und lesenswert: Nach der mathematischen Vorhersage durch Karl Schwarzschild (1873–1916) im Jahr 1916 gerieten sie in Vergessenheit, bis sie dank der Arbeiten von Roy Kerr (*1934), von dem diesjährigen Physik-Nobelpreisträger Roger Penrose (*1931) und von Stephen Hawking ihren Weg in die aktive Forschung fanden – ein Gebiet, das heute kräftig blüht.
In einem Punkt fällt es allerdings schwer, Mlodinow zu glauben: Nahm Hawking wirklich an, die Antworten auf die brennenden Fragen zu Schwarzen Löchern und dem Urknall gefunden zu haben, wie der Autor behauptet? Das erscheint nicht wirklich plausibel. Hawking verfolgte bis an sein Lebensende aufmerksam die Entwicklung der Kosmologie und der Physik, der bis heute eine Theorie der Quantengravitation fehlt.
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