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Freistetters Formelwelt: Fit durch Mathematik

Wie fit kann man werden? Und was heißt eigentlich fit? Die formelhafte Antwort bildet heute die Trainingsgrundlage unzähliger Hobby- und Leistungssportler.
Fitnesstracker fürs Handgelenk

Dank Smartphone und Fitnesstracker haben mittlerweile sehr viele Menschen detaillierte Einblicke in ihre körperliche Aktivität. Man läuft nicht mehr einfach so durch die Gegend, sondern trackt die sportliche Einheit per GPS, zeichnet Geschwindigkeit und Puls auf und veröffentlicht alles online. Die smarte Uhr zählt die täglich gegangenen Schritte und fordert uns zur Bewegung auf, wenn wir zu lange am Schreibtisch sitzen. Und immer wieder taucht eine Größe auf, die sich VO2max nennt:

In dieser Formel steckt jede Menge medizinische Forschung und vor allem die große Frage, wie man Fitness überhaupt definieren kann. Als um die letzte Jahrhundertwende immer mehr Menschen vom Land in die Städte zogen, gingen sie dort auch nicht mehr den körperlich fordernden Tätigkeiten nach, die sie zuvor vor allem in der Landwirtschaft ausgeübt hatten. Mediziner wiesen auf den Wert zusätzlicher Ertüchtigung hin, wussten aber nicht, was genau sie der Bevölkerung raten sollten. Es gab keine etablierte Sportwissenschaft im modernen Sinn, es gab keine standardisierten und geprüften Fitnessprogramme, und es gab vor allem kein objektives Maß für die Messung der körperlichen Fitness.

Niemand wusste, welche Aktivitäten förderlich waren und welche nicht. Zuerst probierte man es mit einer Größe, die man Vitalindex nannte. Darunter verstand man die Fähigkeit einer Person, möglichst tief einzuatmen, bezogen auf das Körpergewicht. Je tiefer und mehr Luft man einatmen konnte, desto besser und fitter kann der Körper sein, glaubte man. Dann aber stellte sich diese Kennzahl als weniger praktisch heraus als gedacht; unter anderem, weil sie zum Beispiel auf Jugendliche nicht anwendbar ist. Ihr Körpergewicht wächst schneller als das Lungenvolumen. Der Vitalindex sinkt, die Fitness steigt aber zweifellos gerade im Teenageralter an.

Der britische Physiologe Archibald Hill führte 1922 eine andere Größe ein. Im gleichen Jahr, in dem er den Nobelpreis für seine Arbeit auf dem Gebiet der Wärmeerzeugung der Muskeln erhielt, beschäftigte er sich auch mit der Sauerstoffaufnahme im Körper. Die maximale Menge an Sauerstoff, die ein Körper aufnehmen konnte, erwies sich als gutes Maß für die Fitness: Wer schneller laufen will, muss die Fähigkeit der Sauerstoffaufnahme erhöhen. Aufbauend auf Hills Arbeit begannen Wissenschaftler den Sauerstoffverbrauch und seine Aufnahme im Körper bei körperlicher Aktivität zu erforschen und zu messen. Schließlich fanden sie die maximale Sauerstoffaufnahme als beste Methode, die Leistungsgrenzen eines Körpers zu beschreiben. Es gibt diverse Methoden, dieses VO2max näherungsweise zu bestimmen, mit der weiter oben dargestellten Formel geht es aber exakt.

Sie basiert auf dem nach dem Physiologen Adolf Fick benannten fickschen Prinzip, mit dem sich das so genannte Herzminutenvolumen (HMV) ermitteln lässt. Das ist das Volumen an Blut, gemessen in Litern, das pro Minute vom Herzen gepumpt werden kann. Das wird mit der Differenz aus arteriellen Sauerstoffgehalt (CaO2) und venösem Sauerstoffgehalt (CvO2) multipliziert.

Bei untrainierten Männern liegt der Wert typischerweise bei 35 bis 40 Millilitern pro Minute pro Kilogramm bezogen auf das Körpergewicht (ml/min/kg), bei Frauen sind es 27 bis 30 ml/min/kg. Ein Elite-Ausdauerläufer kann dagegen Werte von über 80 ml/min/kg erreichen. Alter und Geschlecht setzen dem VO2max physiologische Grenzen, durch Training kann es jedoch gesteigert werden – aber auch durch Stoffe wie Erythropoetin (EPO), das deswegen im Leistungssport als Dopingmittel eingesetzt wird.

Wie und wie weit sich das VO2max durch reguläres Training effektiv steigern lässt, ist immer noch umstritten. Klar ist aber auf jeden Fall: Wer sich regelmäßig sportlich betätigt, lebt gesünder, egal wie groß das VO2max ist und ob man die Aktivitäten dabei aufzeichnet und in den sozialen Medien veröffentlicht.

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