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Freistetters Formelwelt: Wie leicht können Schwarze Löcher sein?

Schwarze Löcher sind gewaltige kosmische Objekte. Ob sie auch kleiner sein können, wissen wir nicht - aber wir kennen die Formel, mit der wir danach suchen können.
Illustration des Jets eines Schwarzen Loches
Alle Schwarzen Löcher, die bisher gefunden wurden, sind gigantische Ungetüme. Doch vielleicht gibt es auch leichte Exemplare.

Ein normales Schwarzes Loch entsteht beim Kollaps eines massereichen Sterns – obwohl es eigentlich vermessen ist, angesichts eines so bizarren Objekts wie einem Schwarzen Loch von »normal« zu sprechen. Die Masse eines solchen »stellaren Schwarzen Lochs« muss daher logischerweise auch der Masse eines großen Sterns entsprechen. Wir kennen darüber hinaus »supermassereiche Schwarze Löcher«, die sich in den Zentren von Galaxien befinden und einige Millionen oder Milliarden Sonnenmassen haben. Theoretisch könnte es sogar noch eine dritte Art geben, die »primordialen Schwarzen Löcher«.

Die Existenz solcher Objekte wurde in den 1960er Jahren von den sowjetischen Physikern Jakow Borissowitsch Seldowitsch und Igor Dmitrijewitsch Nowikow vorgeschlagen und später von Stephen Hawking weiter erforscht. Das Besondere an ihnen: Sie entstanden direkt nach dem Urknall und können eine (fast) beliebige Masse haben, die sich durch diese Formel abschätzen lässt:

Die Masse MH des Schwarzen Lochs hängt dabei nur von der Zeit t ab, die seit dem Urknall vergangen ist. Beträgt t zum Beispiel eine Sekunde, dann hätte das Schwarze Loch mehrere zehntausend Sonnenmassen. Umgekehrt zeigt die Formel, dass ein Schwarzes Loch mit der Masse, die der eines typischen Bergs auf der Erde entspricht (etwa eine Milliarde Tonnen), ungefähr 5·10-24 Sekunden nach dem Urknall entstanden sein muss.

Die legendärsten mathematischen Kniffe, die übelsten Stolpersteine der Physikgeschichte und allerhand Formeln, denen kaum einer ansieht, welche Bedeutung in ihnen schlummert: Das sind die Bewohner von Freistetters Formelwelt.
Alle Folgen seiner wöchentlichen Kolumne, die immer sonntags erscheint, finden Sie hier.

Aber wieso sollten Schwarze Löcher einfach so entstehen? Bei den stellaren Schwarzen Löchern ist die Sache einigermaßen klar: Sie entstehen, wenn ein Stern am Ende seines Lebens unter der Gravitationskraft seiner eigenen Masse kollabiert und dabei stark verdichtet wird. Um Materie zu verdichten, braucht es jedoch nicht zwingend die Kraft eines Sterns. Im frühen Universum, als es noch keine Objekte wie Sterne oder Galaxien gab, war die Materie trotzdem nicht gleich verteilt. Es könnte Regionen im Raum gegeben haben, in denen die Massendichte durch die zufälligen Schwankungen groß genug war, damit sie zu Schwarzen Löchern kollabierte. Je eher nach dem Urknall das passierte, desto geringer war die dafür benötigte Masse.

Allerdings wissen wir – unter anderem dank der Arbeit von Stephen Hawking –, dass die Lebensdauer eines Schwarzen Lochs umso geringer ist, je weniger Masse es hat. Das Schwarze Loch mit der Masse eines Bergs hätte sich nach wenig mehr als einer Milliarde Jahren durch die Hawking-Strahlung aufgelöst. Im heutigen Universum würden wir also keine solchen Objekte mehr finden. Es könnte aber auch primordiale Schwarze Löcher geben, die gerade zu passender Zeit entstanden sind, um erst jetzt vollständig zu zerstrahlen. Da diese letzte Phase sehr explosionsartig stattfindet, könnten wir das theoretisch beobachten. Bis jetzt haben wir jedoch noch keine eindeutigen Hinweise darauf entdeckt.

Eine Erklärung für die Dunkle Energie

Die Existenz primordialer Schwarzer Löcher klärt möglicherweise einige offene Fragen der Astronomie. Wenn die Objekte schon von Beginn des Universums an da waren, könnten sie mit ihrer Gravitationskraft eine wichtige Rolle bei der späteren Entstehung der ersten Sterne und Galaxien gespielt haben. Primordiale Schwarze Löcher sind eventuell ein relevanter Bestandteil der Dunklen Materie. Und sollten wir überraschenderweise doch mal ein primordiales Schwarzes Loch finden, das eigentlich zu wenig Masse hat, um bis heute überlebt zu haben, wäre das ein deutlicher Hinweise darauf, dass die Gravitationskraft auf kleinen Skalen ganz anders funktioniert, als wir bisher gedacht haben.

Solche primordialen Schwarzen Löcher wären aber auf jeden Fall schwer zu finden: Ein solches Objekt mit der Masse des Mars wäre zum Beispiel nur einen Millimeter groß und dabei so unsichtbar, wie es Schwarze Löcher nun mal sind. Doch im Nachweis von eigentlich unsichtbaren Dingen hat die Astronomie jede Menge Erfahrung – es besteht also Hoffnung.

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