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Schwarze Löcher: Der funkelnde Ring um das Schwarze Loch in Messier 87

Radioastronomen gelangen neue Aufnahmen mit dem Event Horizon Telescope. Die Bilder aus dem Herzen der aktiven Galaxie Messier 87 im Sternbild Virgo zeigen einen funkelnden Ring um das zentrale extrem massereiche Schwarze Loch.
Die elliptische Galaxie Messier 87 im Sternbild Jungfrau (Virgo)

Es war eine Sensation, als im April 2019 Astronomen mit dem Event Horizon Telescope (EHT) das erste Bild eines Schwarzen Lochs veröffentlichten. Aufgenommen wurde eines der massereichsten Schwarzen Löcher überhaupt, das mit 6,5 Milliarden Sonnenmassen im Zentrum der Galaxie Messier 87 (M87) inmitten des Virgogalaxienhaufens im Sternbild Jungfrau (lateinisch: virgo) sitzt. Das Radiobild des EHT-Teams war jedoch eine Momentaufnahme des Schwarzen Loches in M87. Nun wurden von den EHT-Astronomen Radiodaten von 2009 bis 2013 ausgewertet, die das Schwarze Loch in Aktion zeigen: Der Materiering um das Loch funkelt! Dies veröffentlichte das EHT-Team in der aktuellen Ausgabe des »Astrophysical Journal«.

Dass Schwarze Löcher einen absolut schwarzen Fleck in ihrer Umgebung erzeugen, war schon sehr lange bekannt. Der Grund: Schwarze Löcher sind so kompakt, dass ab einem bestimmten Abstand – dem Ereignishorizont (englisch: event horizon) – nicht einmal Licht, andere elektromagnetische Strahlung oder Gravitationswellen entkommen können. Der Zug der Gravitation des Lochs ist an dieser kritischen Grenze so stark, dass sämtliche Wellenformen unendlich rotverschoben werden. Nichts kann am Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs entfliehen. Schwarze Löcher sind extrem kompakt, vereinigen also sehr viel Masse auf sehr wenig Raum. Um unsere Sonne in ein Schwarzes Loch zu verwandeln, müsste man die Gaskugel mit 1,4 Millionen Kilometer Durchmesser auf nur sechs Kilometer Größe zusammenquetschen!

Astronomen entdeckten bei den Kandidaten für Schwarze Löcher im Wesentlichen zwei Massenbereiche: Stellare (sternartige) Schwarze Löcher haben etwa 3 bis 100 Sonnenmassen und entstehen in der Regel aus dem Kollaps massereicher Sterne. Extrem massereiche (englisch: supermassive) Schwarze Löcher verbergen sich in den Zentren von Galaxien und bringen Millionen bis Milliarden Sonnenmassen auf die Waage. Im Mittelpunkt unserer Galaxis sitzt ein solches Schwarzes Loch namens Sagittarius A* mit rund vier Millionen Sonnenmassen. In den Zentren von Kugelsternhaufen und in ultrahellen Röntgenquellen werden mittelschwere Schwarze Löcher vermutet. Im jüngsten Gravitationswellenereignis GW190521, das mit den Detektoren LIGO und Virgo gemessen wurde, gelang der Nachweis eines Schwarzen Lochs der Mittelklasse mit 142 Sonnenmassen.

Das Schwierige am Fotografieren von Schwarzen Löchern ist, dass sie auf Grund ihrer Kompaktheit und großen Entfernung am Himmel extrem klein erscheinen. Stellare Schwarze Löcher sind jenseits der Auflösungsgrenze von Teleskopen. Der Ereignishorizont wächst linear mit der Lochmasse. Daher sind nur die extrem massereichen Schwarze Löcher geeignete Ziele für den astronomischen Paparazzo, weil ihr schwarzer Fleck am Himmel Winkeldurchmesser von ungefähr zehn millionstel Bogensekunden erreicht. So groß erscheint eine Zwei-Euro-Münze auf dem Mond – von der Erde aus betrachtet.

Die Radioastronomen haben die schärfsten Augen: Nur ein Zusammenschluss von mehreren Radioteleskopen ist derzeit überhaupt in der Lage, den Schatten eines großen Schwarzen Lochs abzubilden. Das EHT-Team nutzt Radioteleskope an sechs verschiedenen Standorten gleichzeitig, die mehrere tausend Kilometer voneinander entfernt stehen: in Spanien, Mexiko, den USA (Arizona und Hawaii) sowie in Chile und sogar in der Antarktis. Die geschickte Bündelung der Messdaten mit Hilfe von Supercomputern synthetisiert gewissermaßen ein Riesenradioteleskop von der Größe der Erde. Nur dann können Bilder von Schwarzen Löchern radiointerferometrisch gelingen. Dieses Verfahren wird Very Long Baseline Interferometry (VLBI) genannt.

Das Schwarze Loch im Zentrum von Messier 87 | 2019 haben Astrophysiker das Bild eines Rings aus heißer Materie um das Schwarze Loch in der Galaxie M87 erzeugt. Es entstand auf Basis von Messdaten weltweit verteilter Observatorien.

Das ikonenhafte Bild von des gigantischen Schwarzen Lochs in Messier 87 (M87*), das im April 2019 die erste Momentaufnahme eines Schwarzen Lochs zeigte, hat inzwischen Starruhm erlangt (siehe Bild oben). Die Radioaufnahme zeigt ein ringförmiges diffuses Leuchten der unmittelbaren Umgebung des Lochs. Denn Schwarze Löcher sammeln Materie aus dem Umfeld auf und werden durch diesen Akkretion genannten Vorgang massereicher. Die akkretierte Materie gibt Strahlung ab. Vor diesem leuchtenden Hintergrund zeichnet sich das Schwarze Loch als absolut schwarzes rundliches Gebilde inmitten des Rings ab. »Die im April 2019 präsentierten Ergebnisse zeigen das Bild eines Schwarzen Lochs mit zwei wesentlichen Elementen: einem Ring, der durch das um M87* herumwirbelnde Plasma entstanden ist und einem dunklen inneren Bereich, in dem wir den Ereignishorizont des Schwarzen Lochs vermuten«, erinnert Maciek Wielgus von der Harvard University und Erstautor der jetzigen Veröffentlichung. Allerdings stammen die Messdaten des Bilds aus einer einzigen Woche im April 2017 – zu kurz, um Variationen des Leuchtens zu belegen. Die EHT-Astronomen knöpften sich nun Messdaten aus den Jahren 2009 bis 2013 vor und konnten eine Sequenz von Radiobildern von M87 gewinnen (siehe Bild unten).

EHT-Radiobilder der Umgebung des Schwarzen Loches M87* | Die Bildersequenz zeigt von links nach rechts die Helligkeitsverteilung im Ring um das extrem massereiche Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie Messier 87. Dabei geben die weißen Markierungslinien, wie das Helligkeitsmaximum über die Jahre 2009 bis 2017 variierte.

Diese Aufnahmen enthüllen das extrem massereiche Schwarze Loch in verschiedenen Zuständen. Das Loch vertilgt Materie und funkelt dabei. Der Schatten verändert seine Form und Ausrichtung, und das diffuse Glimmen variiert in der Helligkeitsverteilung, wie die weißen Markierungslinien in den Bildern zeigen. In Deutschland ist das Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) federführend an der EHT-Kollaboration beteiligt. Thomas Krichbaum, Radioastronom am MPIfR, erklärt: »Die Orientierung und Feinstruktur des Rings ändert sich mit der Zeit. Dies gibt uns einen Einblick in die einfallende Materie nahe dem Ereignishorizont des Schwarzen Lochs. Um zu verstehen, wodurch relativistische Jets entstehen, ist es essenziell, diese Region zu untersuchen. Die detaillierte Form des Schattens wird es Wissenschaftlern ermöglichen, neue Tests der allgemeinen Relativitätstheorie zu entwerfen.« Bei den Jets, die der Astronom anspricht, handelt es sich um gebündelte Materiestrahlen, die direkt vom Schwarzen Loch herauskatapultiert werden. M87 ist bekannt für diese Erscheinung (siehe Bild ganz oben). Auch mit den neuen EHT-Bildern ist nicht klar, ob der Jet im Akkretionsfluss oder direkt am rotierenden Schwarzen Loch erzeugt wird.

Die Beobachtungen von Messier 87 werden natürlich fortgesetzt, und neue Messdaten aus dem Jahr 2018 liegen bereits vor. Weitere Messkampagnen für das nächste Jahr werden gerade vorbereitet. Dabei sollen drei neue Radioteleskope in Frankreich, den USA und Grönland zum Einsatz kommen. Das verspricht, dass die Bilder von Schwarzen Löchern noch schärfer und detailreicher werden.

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