Direkt zum Inhalt

Lexikon der Chemie: Silber

Silber, Argentum, Symbol Ag, chem. Element aus der Silbergruppe, Edelmetall; Z 47, Massenzahlen der natürlichen Isotope 107 (51,83 %), 109 (48,17 %), Atommasse 107,868, Wertigkeit I, seltener II, III, Härte nach Mohs 2,7, D. 10,491 g cm-3, F. 960,8 °C, Kp. 2212 °C, elektrische Leitfähigkeit 61,4 Sm/mm2, Standardelektrodenpotential (Ag/Ag+) + 0,799 V.

Eigenschaften. S. kristallisiert oktaedrisch, in einem kubisch-flächenzentrierten Gitter. Es ist sehr weich, schön weißglänzend und polierfähig. Neben Gold ist S. das dehnbarste Metall; es läßt sich zu feinen Drähten ausziehen, wobei ein Draht von 2 km Länge nur ein Gramm wiegt. S. läßt sich ferner zu feinen, blaugrün durchschimmernden Folien von einer Dicke bis zu 0,00025 mm aushämmern. Es hat unter allen Metallen die höchste elektrische und Wärmeleitfähigkeit. Im geschmolzenen Zustand löst S. leicht Sauerstoff, der beim Erstarren der Schmelze unter Aufplatzen der Oberfläche ("Spratzen") wieder entweicht. S. läßt sich sehr gut legieren; durch die sehr wichtige Legierung mit Kupfer wird es härter, ohne den Silberglanz zu verlieren.

Besonders groß ist die Affinität von S. zu Schwefel. Bereits Schwefelwasserstoffspuren führen zu schwärzlichem Anlaufen des Metalls. Während nichtoxidierende Säuren, z. B. Salzsäure, S. nicht angreifen, ist das Metall in oxidierenden Säuren, z. B. Salpetersäure, leicht löslich. Trockenes Chlor erzeugt bei Raumtemperatur eine Schutzschicht von Silberchlorid AgCl, während feuchtes Chlor ab etwa 80 °C stark auf S. einwirkt. Unter Luftzutritt löst sich S. in Alkalicyanidlösungen, eine Reaktion, die auf die starke Verschiebung des Oxidationspotentials von S. aufgrund der hohen thermodynamischen Stabilität der hierbei entstehenden Dicyanoargentat(I)-Ionen zurückzuführen ist. Gegenüber Ätzalkalien ist S. besonders widerstandsfähig.

Analytisches. Für Silber-Ionen charakteristisch ist ihre Fällung mit Chloridionen zu Silberchlorid, das in Salpetersäure nicht, in Ammoniak leicht löslich ist. Silberchlorid wird auch zur gravimetrischen Silberbestimmung herangezogen, während in der Volumetrie S. mit Chlorid nach Gay-Lussac oder Fajans bzw. mit Thiocyanat nach Volhard titriert wird.

Vorkommen. S. ist am Aufbau der Erdkruste mit etwa 1·10-5 % beteiligt. Als Edelmetall kommt es gediegen vor; gediegenes S. ist meist gold- und kupferhaltig, vielfach auch mit weiteren Elementen vergesellschaftet. In gebundenem Zustand findet S. sich in Form von Silbererzen, z. B. Argentit (Silberglanz) Ag2S, Stromeyerit (Kupfersilberglanz) CuAgS, Pyrargyrit (dunkles Rotgültigerz, Antimonsilberblende) Ag3SbS3, Proustit (lichtes Rotgültigerz, Arsensilberblende) Ag3AsS3, Margyrit (Silberantimonglanz) AgSbS2 und Fahlerz (CuAg)3(Sb, As)S3, auch der seltenere Chlorargyrit (Kerargyrit, Hornsilber) AgCl. Für die Silbergewinnung wichtig sind ferner silberhaltige Erze, z. B. Bleiglanz PbS (mit Gehalten bis über 1 % Ag), und Kupferkies CuFeS2, bei deren Aufarbeitung S. sich in Rohblei bzw. Rohkupfer anreichert. S. fällt auch bei der Aufarbeitung des Kupferschiefers an.

Gewinnung. Die Gewinnung des S. aus seinen Erzen erfolgt heute meist durch die Cyanidlaugerei. Hierbei wird das zu feinem Schlamm zerkleinerte Material unter guter Durchlüftung mit 0,1- bis 0,2 %iger Natriumcyanidlösung ausgelaugt, wobei sowohl S. als auch Silbersulfid und -chlorid in Form von Natrium-dicyanoargentat(I) in Lösung gehen: 2 Ag + H2O + 1/2 O2 + 4 NaCN → 2 Na[Ag(CN)2] + 2 NaOH, Ag2S + 4 NaCN

2 Na[Ag(CN)2] + Na2S, 2 AgCl + 4 NaCN

2 Na[Ag(CN)2] + 2 NaCl. Das bei der Reaktion von Silbersulfid mit Natriumcyanid sich einstellende Gleichgewicht wird durch Luftoxidation des gebildeten Sulfids nach rechts verschoben. Die Silberfällung erfolgt aus den erhaltenen Lösungen durch Zusatz von Zink- oder Aluminiumstaub. Filtration und Schmelzen des Preßkuchens ergibt etwa 95 %iges Rohsilber.

Bei der Gewinnung von S. aus Bleierz findet sich das Metall mit gewöhnlich 0,01 bis 0,03 % im Werkblei (Blei). Man überführt dieses durch weitere Anreicherungsstufen in Reinblei, wobei man heute meist das Parkes-Verfahren anwendet. Dieses Verfahren beruht darauf, daß beim Einrühren von 1 bis 2 % metallischem Zink in geschmolzenes, silberhaltiges Werkblei unterhalb 400 °C S. durch Zink aufgenommen wird, eine obenauf schwimmende Schicht von flüssigem Zink entsteht, aus der sich beim Erstarren Zink-Silber-Mischkristalle ausscheiden. Nach Ausseigerung anhängenden Bleis wird Zink abdestilliert, und man erhält 8 bis 12 % S. enthaltendes Reichblei. Das heute zurücktretende Pattinson-Verfahren beruht auf der Erscheinung, daß beim Abkühlen einer edelmetallhaltigen Bleischmelze sich zunächst reines Blei abscheidet, bis der Silbergehalt der Restschmelze auf 2,5 % gestiegen ist. Man schöpft dabei die sich ausscheidenden Bleikristalle laufend ab, bis man am Ende wiederum Reichblei erhält.

Zur Isolierung des Rohsilbers aus dem Reichblei schließt man die Treibarbeit an. Über das in einem Flammofen (Treibherd) geschmolzene Metall wird ein Luftstrom geleitet, durch den Blei zu Bleiglätte PbO oxidiert wird. Man zieht das Bleioxid durch seitliche Rinnen flüssig ab, zurückbleibendes Rohsilber (Blicksilber) wird auf elektrolytischem Wege (Möbius-Verfahren) gereinigt, wobei das Rohsilber in Form etwa 1 cm starker Anodenplatten in einem salpetersauren Silbernitrat-Elektrolyten mit Feinsilberkathoden zusammengeschaltet wird. Während sich Gold und Platin im Anodenschlamm sammeln, scheidet sich S. an der Kathode in Form loser, verästelter Kristalle (Dendrite) ab, die abgestreift werden und sich am Boden des Bades sammeln. Das erhaltene Elektrolytsilber (Feinsilber) weist eine Reinheit von 99,9 % auf.

Verwendung. S. wird kaum in reinem Zustand verarbeitet, da es für gewerbliche Zwecke zu weich ist. Die breite Verwendung von Silberlegierungen beruht auf deren chem. Beständigkeit, dem silberweißen Aussehen, der guten elektrischen und Wärmeleitfähigkeit. Häufig werden Geräte mit galvanischen Silberüberzügen oder -plattierungen versehen. Beachtliche Mengen an S. werden zur Herstellung von Spiegelschichten für Spiegel, Thermosbehälter und Weihnachtsbaumschmuck sowie von lichtempfindlichen, silberhalogenidhaltigen Schichten in der Photoindustrie verbraucht.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
Prof. Dr. Heinrich Bremer, Berlin
Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
Prof. Dr. Hans-Günther Däßler, Freital
Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
Dr. Ulrich H. Engelhardt, Braunschweig
Dr. Andreas Fath, Heidelberg
Dr. Lutz-Karsten Finze, Großenhain-Weßnitz
Dr. Rudolf Friedemann, Halle
Dr. Sandra Grande, Heidelberg
Prof. Dr. Carola Griehl, Halle
Prof. Dr. Gerhard Gritzner, Linz
Prof. Dr. Helmut Hartung, Halle
Prof. Dr. Peter Hellmold, Halle
Prof. Dr. Günter Hoffmann, Eberswalde
Prof. Dr. Hans-Dieter Jakubke, Leipzig
Prof. Dr. Thomas M. Klapötke, München
Prof. Dr. Hans-Peter Kleber, Leipzig
Prof. Dr. Reinhard Kramolowsky, Hamburg
Dr. Wolf Eberhard Kraus, Dresden
Dr. Günter Kraus, Halle
Prof. Dr. Ulrich Liebscher, Dresden
Dr. Wolfgang Liebscher, Berlin
Dr. Frank Meyberg, Hamburg
Prof. Dr. Peter Nuhn, Halle
Dr. Hartmut Ploss, Hamburg
Dr. Dr. Manfred Pulst, Leipzig
Dr. Anna Schleitzer, Marktschwaben
Prof. Dr. Harald Schmidt, Linz
Dr. Helmut Schmiers, Freiberg
Prof. Dr. Klaus Schulze, Leipzig
Prof. Dr. Rüdiger Stolz, Jena
Prof. Dr. Rudolf Taube, Merseburg
Dr. Ralf Trapp, Wassenaar, NL
Dr. Martina Venschott, Hannover
Prof. Dr. Rainer Vulpius, Freiberg
Prof. Dr. Günther Wagner, Leipzig
Prof. Dr. Manfred Weißenfels, Dresden
Dr. Klaus-Peter Wendlandt, Merseburg
Prof. Dr. Otto Wienhaus, Tharandt

Fachkoordination:
Hans-Dieter Jakubke, Ruth Karcher

Redaktion:
Sabine Bartels, Ruth Karcher, Sonja Nagel


Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.