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Paläoanthropologie: Als die Menschen laufen lernten

Lange galt als unstrittig: Nachdem unsere Vorfahren von den Bäumen herunter­kamen, liefen sie Schritt für Schritt immer besser auf zwei Beinen. Doch dieses Bild erweist sich als zu simpel.
Auf breitem Fuß

Schon lange bevor sich bei unseren Vorfahren ein großes Gehirn und eine Sprache entwickelten, noch bevor sie das Feuer zähmten und Steinwerkzeuge herstellten, erwarben sie eine Fähigkeit, die vor ihnen noch kein Säugetier beherrscht hatte: den aufrechten Gang. Anpassungen daran zeigen sich schon in Skelettfossilien der frühesten Homininen, also jener Mitglieder der Menschenfamilie, die vor fünf bis sieben Millionen Jahren lebten. Die Fortbewegung auf zwei statt vier Beinen entfesselte in unserer Abstammungslinie eine lange Phase weiterer evolutionärer Veränderungen. Unsere Ahnen konnten ihre Heimatreviere erweitern und sich vielseitiger ernähren; ebenso veränderte sich die Art und Weise, Nachwuchs zur Welt zu bringen und großzuziehen. Diese besondere Form der Fortbewegung avancierte zur Grundlage für praktisch alle anderen Merkmale, die den heutigen Menschen zu etwas Einzigartigem machen.

Eine bekannte Darstellung der menschlichen Evolution stellt eine Prozession unserer Vorfahren dar: Sie beginnt mit einem schimpansenähnlichen Wesen, das auf allen vieren trottet, und setzt sich in einer Reihe immer höher aufgerichteter Urahnen fort, bis schließlich ein vollständig aufgerichteter Homo sapiens triumphierend auf zwei Beinen einherschreitet. Diese in den 1960er Jahren erstmals aufgetauchte Zeichnung »March of Progress« wurden zunehmend beliebt und ziert seither in seinen Abwandlungen unzählige Bücher, T-Shirts, Autoaufkleber und Kaffeebecher.

Paläoanthropologische Entdeckungen aus den letzten beiden Jahrzehnten brachten die Fachleute aber inzwischen dazu, das traditionelle Bild einer linearen Abfolge neu zu zeichnen. Unser heutige Fortbewegungsart war nicht vorherbestimmt, die einzelnen aufeinander folgenden Vorfahren marschierten keineswegs immer weiter auf ein Ziel zu – schließlich verfolgt die Evolution keinen Plan. Vielmehr probierten die frühen Homininen viele Formen des Aufrechtgehens aus, von denen sich schließlich eine durchsetzen sollte …

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  • Quellen

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DeSilva, J. M. et al.: A nearly complete foot from Dikika, Ethiopia and its implications for the ontogeny and function of Australopithecus afarensis. Science Advances 4, 2018

DeSilva, J. M. et al.: The lower limb and walking mechanics in Australopithecus sediba. Science 340, 2013

DeSilva, J. et al.: One small step: A review of Plio-Pleistocene hominin foot evolution. American Journal of Physical Anthropology 168, 2019

Herries, A. I. R. et al.: Contemporaneity of Australopithecus, Paranthropus, and early Homo erectus in South Africa. Science 368, 2020

Leakey, M.: Pliocene footprints at Laetolil, Northern Tanzania. Antiquity 52, 1978

Leakey, M. D., Hay, R. L.: Pliocene footprints in the Laetolil Beds at Laetoli, northern Tanzania. Nature 278, 1979

McNutt, E. J. et al.: The evolution of the human foot. Evolutionary Anthropology 27, 2018

McNutt, E. J. et al.: Footprint evidence of early hominin locomotor diversity at Laetoli, Tanzania. Nature 600, 2021

Melillo, S. M.: Hominin footprints at Laetoli reveal a walk on the wild side. Nature 600, 2021

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