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Medizin: Schlecht vorbereitet in die Pandemie

In Deutschland mangelt es an zentralen Strukturen der öffentlichen Gesundheitsfürsorge, etwa an einer systematischen Datenerhebung sowie an einer einheitlichen Meldesoftware. Angesichts der Covid-Krise hat sich das als Schwachstelle erwiesen.
Eine Frau sitzt in der Anmeldung einer Impfkabine im Impfzentrum in Essen.

Deutschland ist viele Monate lang vergleichsweise gut durch die Covid-19-Pandemie gekommen. Weltweit blickten Menschen bewundernd auf das Land, seine relativ niedrigen Fallzahlen und sein augenscheinlich effizientes Krisenmanagement. Dazu trug sicherlich bei, dass die Bereitschaft, den AHA+L-Regeln zu folgen, in der Frühphase der Epidemie vergleichsweise stark ausgeprägt war. Virusmutanten waren noch kein Thema und das Infektionsgeschehen noch nicht so diffus wie heute; all das gepaart mit einer einheitlichen Kommunikation seitens der Politik ­erleichterte es, die Pandemie zu kontrollieren. Doch jetzt, über ein Jahr später, hat sich die Situation verändert, und nicht zum Besseren. Bund und Länder sind sich zunehmend uneins über die richtigen Schritte, und die gesellschaft­lichen Maßnahmen, um die Pandemie zu bekämpfen, erscheinen in wachsendem Maß widersprüchlich und für die Bevölkerung schwer nachvollziehbar.

Das hat sicher viele Gründe, aber einer von ihnen ist offensichtlich der Mangel an belastbaren Daten. Ein Jahr nach Beginn der Krise werden weiterhin kaum systematisch Daten auf Bevölkerungsebene erhoben, die widerspiegeln, welche Wirkungen die diversen Maßnahmen haben, welche Unterschiede es zwischen den Altersgruppen gibt, wie hoch die Dunkelziffer der Infizierten ist und vieles mehr. Virusproben wurden in Deutschland lange Zeit nur sporadisch sequenziert; erst Mitte Januar 2021 ordnete die Bundesregierung an, fünf bis zehn Prozent der positiven Proben einer genetischen Untersuchung zu unterziehen, um die Verbreitung kursierender Virusvarianten verfolgen zu können. Und das DIVI-Intensivregister, das die intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten in Deutschland laufend dokumentiert, begann nicht früher als im März 2020 mit der Datenerhebung. Die Liste ließe sich fortsetzen, und sie betrifft maßgeblich einen Bereich, der in Deutschland systematisch schwach aufgestellt ist: die »Public Health«, wie die öffentliche Gesundheitsfürsorge heute meist genannt wird.

Das interdisziplinäre Fachgebiet befasst sich mit gesellschaftlichen Initiativen, um Krankheiten zu vermeiden und die Gesundheit zu fördern. Dazu nimmt sie alles in den Blick, was wichtig dafür ist, die Gesundheit der Bevölkerung zu erhalten und zu verbessern: soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Faktoren ebenso wie physikalische, chemische und biologische. Das Gesundheitswesen zu gestalten, medizinische und soziale Dienstleistungen bereitzustellen oder Bürgerinnen und Bürger vor Gesundheits­risiken zu schützen – all das fällt unter Public Health. Sie betrachtet das Gesellschafts-, Gesundheits- und Sozial­system somit ganzheitlich …

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  • Quellen

Griffith, G. J. et al.: Collider bias undermines our understanding of Covid-19 disease risk and severity. Nature Communications 11, 2020

Kieckbusch, I. et al.: Germanys expanding role in global health. The Lancet 390, 2017

Mina, M. J. et al.: Rethinking Covid-19 test sensitivity - a strategy for containment. New England Journal of Medicine 383, 2020

Wagner, C. et al.: Maßgeschneiderte Eindämmungsinterventionen. Deutsches Ärzteblatt 118, 2021

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