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Interview: Wir halten an unseren Zielen zum Klimaschutz fest

Nach der offensiven, optimistischen Haltung der Bundesregierung auf der Klimakonferenz in Rio de Janeiro 1992 ist längst Ernüchterung eingetreten. Die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Dr. Angela Merkel, will sich dennoch auf nationaler und internationaler Ebene für eine – wenn auch bescheidenere – Minderung des Ausstoßes an Kohlendioxid einsetzen.

Frau Ministerin, schon zwei Jahre vor der UN-Konferenz über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro hatte die Bundesregierung erklärt, daß in Deutschland die CO2-Emissionen bis 2005 um 25 bis 30 Prozent gegenüber 1987 reduziert werden sollten. Damit setzte die Bundesrepublik im internationalen Vergleich ein anspruchsvolles Ziel. Nun sind wir dem in der Zwischenzeit allerdings nicht näher gekommen. Die Emissionsminderung von 1076 Millionen Tonnen 1987 auf 927 Millionen Tonnen 1993 ging vor allem auf den wirtschaflichen Zusammenbruch in den neuen Bundesländern zurück, kann also nicht hochgerechnet werden. Was ist aus dem Optimismus vom Beginn dieses Jahrzehnts geworden? Halten Sie, die Sie nun die schwierige Aufgabe haben, die damals formulierten Forderungen in die Tat umzusetzen, dieses Ziel überhaupt noch für realistisch? Dieses politische Ziel ist sicherlich nicht nur aus einer Laune heraus entstanden. Es liegt sogar an der unteren Grenze dessen, was eigentlich notwendig wäre, um wirklich einen Wandel in Gang zu bringen. Die Bundesrepublik als ein Land mit hohen Pro-Kopf-Emissionen und als Industrienation von hohem Rang trägt nun eine besondere Verantwortung, und ich halte ein so ehrgeiziges Ziel auch für erreichbar. Allerdings sind noch eine Reihe von weiteren Anstrengungen notwendig. Ich stimme allerdings nicht mit Ihnen überein, daß bis jetzt noch nichts geschehen sei. Wir haben die Wärmeschutzverordnung, das Altbausanierungsprogramm, die Kleinfeuerungsanlagenverordnung in Kraft gesetzt. Viele dieser Maßnahmen werden natürlich erst in den nächsten fünf bis zehn Jahren wirken. Die Daten, die wir heute erheben, reflektieren also letztlich noch nicht unsere politischen Maßnahmen. Auch die Anstrengungen der Wirtschaft sind Schritte in die richtige Richtung. Was wir noch nicht geschafft haben, ist die Zuordnung des 25prozentigen Minderungsziels zu den einzelnen gesellschaftlichen Bereichen. Wenn die Industrie erklärt, sie werde den spezifischen CO2-Ausstoß um 20 Prozent mindern, dann heißt es immer, die Regierung habe doch 25 Prozent verlangt. Dabei ist aber noch offen, welcher gesellschaftliche Bereich welchen Anteil an diesen 25 Prozent erbringen muß. Wir müssen daran noch arbeiten herauszufinden, an welchen Stellen mit dem geringsten finanziellen Aufwand die größte Wirkung zu erreichen ist. Es gibt zwei Wege, um eine Minderung von CO2-Emissionen zu versuchen. Zum einen können Verordnungen und fiskalische Maßnahmen andere Verhaltensweisen zur Förderung des Klimaschutzes forcieren, zum anderen gibt es private Initiativen auf freiwilliger Basis. Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen einem Laisser-faire-Prinzip für die Wirtschaft und politischen Regulierungen? Immerhin haben Sie die Energie-/CO2-Steuer bislang befürwortet; nun aber ist das Selbstverpflichtungsprogramm des Bundesverbandes der Deutschen Industrie an diese Stelle getreten und hat die Steuer verdrängt. Die CO2-Emissionen verteilen sich relativ gleichmäßig auf die drei Bereiche Industrie und Wirtschaft, Haushalte sowie Verkehr. Vom Verkehrsbereich wissen wir, daß wir Wachstumsraten nicht verhindern können, die Reduktionsraten werden deshalb nach allen bisher bekannten Szenarien sicherlich deutlich geringer als 25 Prozent ausfallen. Selbst wenn wir eine Energiesteuer im Sinne des Vorschlags der Europäischen Kommission einführten, also etwa die Mineralölsteuer um 10 bis 15 Pfennig erhöhten, ist nicht zu erwarten, daß das Verkehrsaufkommen dadurch signifikant sinken würde. Im Bereich der Haushalte bestehen erhebliche Einsparpotentiale, unterschieden nach Möglichkeiten des Heizens und der Wärmedämmung. Hier lassen sich mit dem geringsten Aufwand die meisten Reduktionen schaffen, wenn man nur genauer über den Umgang mit Energie nachdächte. Dann haben wir den Bereich der Industrie, wo sich – im Gegensatz zum privaten – die Energieeffizienz auf einem vergleichsweise höheren Stand ausfeilen ließe. Daß sich die Industrie zu spezifischen Reduktionen von 20 Prozent verpflichtet hat, ist ein vernünftiger Schritt. Wir haben nun nicht etwa generell auf eine Besteuerung von Energie aus Gründen des Klimaschutzes verzichtet, sondern wollen der Industrie ihre Anstrengung bei einer eventuellen Einführung einer Energie-/CO2-Steuer anrechnen, also Industriezweige, die eine Selbstverpflichtung eingehen, wie auch in Dänemark von einer solchen Besteuerung bei Nachweis der Reduktionen ausnehmen. Wir sind nicht von dem Projekt einer Besteuerung abgerückt. Dies wird in der Öffentlichkeit immer grob durcheinandergeworfen; denn zum Beispiel ist das Handwerk von den Selbstverpflichtungsmaßnahmen ausgenommen, und auch der Mittelstand ist nicht flächendeckend einbezogen. Ich halte die Besteuerung von Energie, insbesondere von CO2-Emissionen, für sinnvoll; allerdings ist ihr Lenkungseffekt, wenn sie in Margen wie in Dänemark, Schweden oder Finnland eingesetzt wird, im Blick auf unser CO2-Minderungsziel nicht eindeutig. Eine Steuer ist eine psychologische Maßnahme, die ein Umdenken bewirkt und langfristig wirkt. In Dänemark sind die Emissionen jedoch schon zurückgegangen. Bei uns ist der Pro-Kopf-Ausstoß auch zurückgegangen. In den alten Bundesländern hat er sich von fast zwölf auf elf Tonnen pro Jahr gesenkt. Nur in der Summe sind die Emissionen gestiegen, weil wir hier einen starken Bevölkerungszuwachs hatten; eine solche Entwicklung relativiert eben die schönen Pro-Kopf-Zahlen. In den neuen Bundesländern sind die Reduktionen zum Teil wirtschaftlich bedingt; außerdem basiert die Hälfte des Bevölkerungszuwachses in den alten Bundesländern auf dem Weggang von Bürgern aus den neuen. Aber durch bessere Kraftwerke, vermehrte Wärmeisolierung und eine größere Energieeffizienz sind auch hier Fortschritte erzielt worden. So paßt Ihnen die Selbstverpflichtung der Industrie gut ins Konzept. Als es nach dem Montrealer Protokoll um den FCKW-Ausstieg ging, hat eine Selbstverpflichtung der Industrie in Europa tatsächlich funktioniert, weil Ersatzstoffe schnell zur Hand waren; daher war dieses Ziel leichter zu erreichen als das ungleich komplexere einer CO2-Minderung. Bis zum Jahre 2005 ist nicht mehr viel Zeit – reichen die Maßnahmen für eine so kurze Frist aus? Außer einer ökologischen Steuerreform liegt schließlich auch die Wärmenutzungsverordnung immer noch in den Schubladen. Über Jahre ist die Wärmenutzungsverordnung diskutiert worden, welche die Industrie zu einer effizienten Energieverwendung veranlassen sollte. Diese Verordnung war letztlich politisch nicht durchsetzbar, weil sich die Industrie massiv dagegen gewehrt hat. Wenn einige Beamte im Bundesumweltministerium meinen, sie könnten allen deutschen Industriebereichen vorschreiben, wie sie Energie am effizientesten zu nutzen haben, birgt das Gefahren in sich. Gerade weil der Zeitpunkt 2005 immer näher rückt, war zu fragen, wie wir bei unserem Ziel wenigstens ein Stück vorankommen könnten, und wir sahen in der Selbstverpflichtung eine Möglichkeit. Dankenswerterweise haben die Selbstverpflichtungen auch durch eine Studie des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt, Energie, das die einzelnen Branchen sehr genau verglichen hat, an Klarheit gewonnen. Wir haben dann auf einem Monitoring bestanden, mit dem die Art des Vorgehens, die Datenerhebung und die Kostenverteilung beschrieben werden. Dieser Prozeß ist bis zum Jahre 2005 angelegt und wird vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen wissenschaftlich begleitet. Aus diesen verschiedenen Druckmitteln sind sehr viel bessere und leichter nachvollziehbare Selbstverpflichtungen entstanden. Im Grunde haben wir damit erreicht, was wir mit der Wärmenutzungsverordnung immer in Gang setzen wollten, nämlich einen Kreativitätsprozeß zum Thema Energieeffizienz. Dies ist doch besser als weitere sechs Jahre für eine Verordnung zu kämpfen, die dann wieder blockiert wird. Nun liegen die Instrumente für den Klimaschutz nicht allein in der Zuständigkeit der Umweltministerin, auch der Bauminister, der Verkehrsminister und vor allem der Wirtschaftsminister greifen in die Energiepolitik ein. Standortfragen und das Problem der Arbeitsplätze werden als Zielkonflikte angeführt. Wie sind die Kompetenzen, die Verantwortlichkeiten für Entscheidungen verteilt? Gibt es eine Zusammenarbeit? Das Bundesumweltministerium ist federführend in der Interministeriellen Arbeitsgruppe "CO2-Reduktion". Wir bearbeiten die verschiedenen Felder zusammen mit den anderen Ministerien; so haben zum Beispiel das Wirtschafts- und das Umweltministerium gemeinsam die Selbstverpflichtung der Industrie verhandelt. Mit dem Verkehrsministerium haben wir die Selbstverpflichtung der Automobilindustrie, den Treibstroffverbrauch zu reduzieren, ausgemacht. Mit dem Bauministerium entwickelten wir ein Programm zur CO2-Minderung in Gebäuden. Wir arbeiten mit dem Forschungsministerium Programme aus, um – wie im IKARUS-Projekt – Verläufe beschreiben zu können. Das Umweltministerium übernimmt in allen Fällen die Koordination. Die Treibhausproblematik hört nicht an den Landesgrenzen auf. Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, international Einfluß zu nehmen? Will sie noch steuernd eingreifen, wie sie es in Rio de Janeiro versucht hat? Im letzten Jahr hatte ich genügend Gelegenheit, steuernd einzugreifen, da ich bis Juli Präsidentin der Klimakonferenz bin. Zuallererst müssen wir darauf achten, daß die Klimarahmenkonvention, wie sie in Rio de Janeiro verabschiedet worden ist, überhaupt eingehalten wird. Ob die Staatengruppe, die verpflichtet ist, bis 2000 ihre CO2-Emissionen auf das Niveau von 1990 zurückzuführen, dies auch schafft, ist fraglich. Der Europäischen Union wird es wahrscheinlich gerade eben gelingen; bei anderen Industrieländern ist das nicht so sicher, auch wenn sie sich mühen. Die Entwicklungsländer haben keine quantitativen Verpflichtungen. Gerade die Schwellenländer jedoch, die wirtschaftlich wachsen, bereiten mir darum Sorge, ebenso die mittel- und osteuropäischen Staaten. In diesen Ländern sind Anstiege der Kohlendioxid-Emissionen unvermeidlich, und es muß mittelfristig gelingen, sie zu Verpflichtungen zu veranlassen. Aber wenn Indien pro Kopf 0,5 Tonnen CO2-Emissionen aufweist, Deutschland dagegen elf Tonnen, dann argumentiert es sich nicht mehr so einfach. Jetzt haben wir für die weiteren Verhandlungen zwei Fragen: Was soll für die Industrieländer nach dem Jahr 2000 gelten? Und: Wie können wir den Schwellen- und Entwicklungsländern neue Verpflichtungen nahebringen? In der Umweltpolitik herrscht heute nicht mehr die klassische Nord-Süd-Konstellation, sondern es gibt fortschrittliche und retardierende Industrieländer sowie eine Spaltung im Lager der Entwicklungsländer. Indien und andere südostasiatische Staaten etwa zeigen sich sehr aufgeschlossen. Andererseits weigert sich ein Block, angeführt von den OPEC-Ländern, zu handeln mit dem Argument, daß zuerst die Industrieländer ihre Energiestrategie ändern müßten – ein Argument übrigens, das andere Entwicklungsländer teilen. Aber doch ist eine gewisse Tendenz in vielen Entwicklungsländern erkennbar, Veränderungen mitbestimmen zu wollen. Das ist das Hoffnungsmoment in diesem sehr zähen Verhandlungsprozeß. Wir bemühen uns sehr, etwa mit Malaysia, Indonesien, China und Indien eine vertrauensvolle Kooperation zu erreichen. Das ist besser, als ihnen Vorschriften aufzwingen zu wollen. Schließlich haben diese Länder große Angst, daß die Umweltpolitik benutzt wird, um sie in ihrer Entwicklung zu bremsen. Deshalb müssen wir neue Technologien entwickeln und ihnen bereitstellen. Welche Technologien wären das? Vor allem bessere Kraftwerke. Nicht Kraftwerke mit einem Wirkungsgrad von 23 Prozent sollten wir dorthin exportieren, sondern jene mit 42 Prozent, Blockheizkraftwerke und was immer an neuen Technologien zur Verfügung steht, um die Entwicklungshoffnungen dieser Länder zu unterstützen. Wie sehen Sie weltweit den Energiemix der Zukunft? Wie würden Sie zum Beispiel die Möglichkeiten der CO2-freien Energieträger, also die Nutzung erneuerbarer Ressourcen oder auch der Kernenergie, einordnen? Für die Sonnenenergie gibt es noch viel zu tun. Für Entwicklungsländer ist sie eine Chance. Daß sie jedoch die Energieversorgung in den Schwellenländern schon in den nächsten 20 Jahren sichern könnte, ist sicher ausgeschlossen. Die wichtigste Empfehlung ist daher immer noch die des Energiesparens, das parallel zur wirtschaftlichen Entwicklung dieser Länder durchgesetzt werden muß. Zum Energiemix kann unter Umständen auch die Kernenergie gehören. Muß nicht der Staat noch viel stärker als bisher die Bereiche, die für eine nachhaltige Entwicklung gut sind, fördern? Die Solarenergie braucht doch überall einen ersten Anstoß. Es gibt historische Strukturen. Die Bundesrepublik ist durch die – was Treibhausgase angeht – emissionsfreie Kernenergie, die 10 Prozent am Primärenergieverbrauch und 30 Prozent an der Stromerzeugung ausmacht, mit ihrem Energiemix gut beraten. Gewiß müssen wir aber auch die regenerativen Energien stärken. Mittelfristig gibt es schon wegen unseres äußerst hohen Verbrauchs von fossilen Energieträgern keine Alternative, als nach Ersatz zu suchen. Bei den regenerativen Energien gibt es Wasser, Wind, Sonne und Biomasse. Durch das Stromeinspeisegesetz hat die Windenergie von einem exzellenten Förderprogramm profitiert, das half, einen hohen technischen Standard zu erreichen. Immerhin ist Deutschland Europas größter und weltweit zweitgrößter Windenergieproduzent, mehr können wir nicht erreichen. Für die Photovoltaik hat die Forschung sehr viel geleistet, es mangelt jedoch bei der Produktion. Das hat verschiedene Gründe; hinderlich ist nicht nur unsere Wetterlage, sondern zum Beispiel auch, daß wir nicht über genügend siliciumtechnische Industrie verfügen. Unsere Infrastruktur bedarf der Entwicklung. Wir dürfen nicht schon vor Ende des wissenschaftlichen Weges fordern, was wir denn gerne an Produkten hätten und was nicht. Deshalb bin ich dafür, daß wir uns Forschungsfelder von der Kernkraft bis zur Gentechnologie nicht zusperren, sondern offen halten. Wir müssen uns fragen, warum sich der letzte Photovoltaikzellen-Produzent anschickt, nach Kalifornien auszuwandern. Es hat ja nicht etwa damit zu tun, daß sich die Bundesregierung nicht für Solarenergie interessierte, sondern daß auf breiter Front die Infrastruktur fehlt, weil man sich an anderen Stellen bestimmten Entwicklungen verweigert hat. Selbstverständlich müssen wir auch Kostendiskussionen führen. Ich wünschte mir, daß die Bundesregierung in diesen Dingen noch mehr Akzente setzte. Gleichwohl ist zum Erreichen unseres kurzfristigen Klimaziels das Sparen sehr viel effektiver, und alle anderen Optionen sind eher mittelfristig zu sehen. Wie lauten die Ziele der Bundesregierung für die dritte Vertragsstaaten-Konferenz in Japan 1997? Zum Klimagipfel in Berlin 1995 hatten allein die AOSIS-Staaten – die Vereinigung kleiner pazifischer Insel-Nationen – einen Protokollentwurf vorgeschlagen, der für Industrieländer bis 2005 eine 20prozentige Minderung der CO2-Emissionen auf der Basis von 1990 vorsah. Wird die Bundesregierung dazu beitragen, ein verbindliches Protokoll zu verabschieden? Wir müssen uns für Reduktionsziele entscheiden bis zu den Jahren 2005, 2010 und 2015. In der Bundesregierung haben wir uns abgestimmt, daß wir als internationales Verhandlungsziel bis 2005 für die Industriestaaten 10 Prozent Reduktion wollen und 15 bis 20 Prozent bis 2010. Es ist ein Fortschritt, daß wir uns in der Bundesregierung auf diese Vorgabe einigen konnten. Das ist nicht selbstverständlich, denn das Wirtschaftsministerium zum Beispiel argumentierte in der Diskussion mit der Selbstverpflichtung der Industrie, den CO2-Ausstoß um 25 Prozent zu reduzieren. Warum also, so hieß es, sollte sich die deutsche Wirtschaft Wettbewerbsnachteilen in Europa aussetzen, wenn dort insgesamt nur 10 Prozent vorgegeben sind? Zunächst gilt es, unser Ziel in der Europäischen Union durchzusetzen. Allein diese Verhandlungen sind schon schwierig genug. Anschließend wollen wir es als Position der EU in die Vertragsstaaten-Konferenz einbringen. In Berlin zeigte sich, daß der Standpunkt der EU zusammen mit dem der fortschrittlichen Entwicklungsländer großen Einfluß auf andere Staaten hatte, und ich hoffe, bei der nächsten Vertragsstaaten-Konferenz genausoviel zu erreichen. In Europa haben wir Verbündete; das sind Großbritannien, das durch die Umstrukturierung der Energieversorgung Reduktionsmöglichkeiten hat, Skandinavien und Österreich. Aber wir müssen auch bedenken, daß Länder wie Frankreich Reduktionen unter anderen Voraussetzungen vornehmen müssen; denn wer 75 Prozent der Energieversorgung aus Kernkraftwerken bezieht, muß fast alle Emissionsminderungen auf den Verkehrssektor konzentrieren und kann dort niemals so hohe Raten erreichen, wie wir es können. Auch warme Regionen, in denen man nicht viel heizt, haben nicht so große Reduktionspotentiale. Die Niederlande haben es ebenfalls schwerer, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, weil ihre Energieerzeugung fast nur auf dem emissionsschwachen Erdgas basiert. Schließlich haben wir Länder wie Spanien und Portugal, deren Wirtschaft wächst. Insgesamt aber ist das Verhandlungsklima in Europa gut. Und wie steht es mit den USA und mit Japan? Ihre Reduktionsprogramme sind sicherlich verbesserungswürdig, doch werden erneuerbare Energien dort immerhin stark gefördert, wie das japanische 70 000-Dächer-Programm zeigt. Nur müssen wir vergleichen, welchen Anteil an der Energieversorgung die Solarenergie in Japan und den USA tatsächlich hat. Der ökologisch engagierte Vizepräsident Al Gore und Präsident Bill Clinton sind aufgeschlossen, aber aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in ihren Aktionsmöglichkeiten sehr gehemmt. Das Problembewußtsein ist groß; trotzdem gehen die Amerikaner, für die Autos und Klimaanlagen Synonyme für Freiheit und Wohlstand sind, verschwenderisch mit Energie um. Deshalb empfinde ich es als merkwürdig zu sagen, die USA seien das Land, das sich mit Pioniergeist um die regenerativen Energien bemühe. Dort gibt es einen harten Kampf von der Seite der Kohleproduzenten, und auch die OPEC-Länder versuchen, dort Verbündete zu finden. Unser Gespräch mit den USA jedoch ist wichtig, denn ohne sie brauchten wir gar nicht erst zu versuchen, international Verpflichtungen durchzusetzen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 1996, Seite 40
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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