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Verjüngung: Der Blutfaktor PF4 dreht die Zeit im alternden Mäusegehirn zurück

Injiziert man alternden Mäusen ein Protein, das an der Wundheilung beteiligt ist, verbessert sich die Lern- und Gedächtnisleistung. Es könnte ein Biomarker für Alzheimer sein.
Maus
Altersbedingte Veränderungen in Mäusegehirnen lassen sich teilweise rückgängig machen, wenn man den Tieren ein bestimmtes Molekül aus dem Blut von jungen Mäusen injiziert.

Der Thrombozytenfaktor 4 (PF4) reiht sich in eine Liste von Blutbestandteilen ein, die eine Anti-Aging-Wirkung haben können. Das berichtet eine Forschungsgruppe um Saul Villeda, Neurowissenschaftler an der University of California in San Francisco, im Fachmagazin »Nature«. PF4 ist bereits seit Längerem dafür bekannt, an der Blutgerinnung und der Abdichtung beschädigter Blutgefäße beteiligt zu sein. Möglicherweise könnte dieses Signalmolekül eines Tages zur Behandlung altersbedingter kognitiver Störungen wie der Alzheimerkrankheit eingesetzt werden. »Die therapeutischen Möglichkeiten sind sehr aufregend«, sagt etwa der Genetiker David Sinclair von der Harvard University in Boston, Massachusetts, der nicht an der Studie beteiligt war.

Vor etwa einem Jahrzehnt hatten Wissenschaftler entdeckt, dass ältere Mäuse jugendliche Eigenschaften wie etwa die Fähigkeit, Neues zu lernen, zeigen, wenn man ihnen Blut von jungen Mäusen verabreicht. Saul Villeda und sein Team versuchen seitdem, die Bestandteile des Bluts zu identifizieren, die diese Verjüngung bewirken.

Mehrere Indizien deuteten bereits darauf hin, dass PF4 eine Rolle spielen könnte. Dazu zählt die Tatsache, dass junge Mäuse höhere Werte dieses Moleküls in ihrem Blut aufweisen als ältere Mäuse. Als Villeda und seine Kollegen gealterten Mäusen reines PF4 injizierten, stellten sie fest, dass sich daraufhin das Verhältnis der verschiedenen Arten von Immunzellen verschob und dem von jüngeren Mäusen ähnlicher wurde. Einige Immunzellen kehrten auch zu einem jugendlicheren Muster der Genexpression zurück.

Synaptische Plastizität erhöht sich

Obwohl PF4 offenbar nicht in der Lage ist, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden, führten die Auswirkungen auf das Immunsystem dennoch zu Veränderungen im Gehirn – wahrscheinlich durch indirekte Mechanismen. Alte Mäuse, denen PF4 verabreicht wurde, zeigten einen Rückgang der schädlichen Entzündungen im Hippocampus – einem Teil des Gehirns, der besonders anfällig für die Auswirkungen des Alterns ist. Die Forscher konnten nachweisen, dass die Zahl der Moleküle, die die synaptische Plastizität (die Fähigkeit, die Stärke der Verbindungen zwischen Nervenzellen zu verändern) fördern, anstieg.

»Vor dieser Studie hat meines Wissens niemand wirklich gezeigt, dass Blutplättchen eine Rolle bei der Wahrnehmung spielen können«Robert Campbell, Biologe und Thrombozyten-Experte

Alte Mäuse, denen PF4 injiziert wurde, schnitten zudem bei kognitiven Tests besser ab als Kontrollmäuse, etwa wenn es darum ging, sich zu merken, wo eine unter der Wasseroberfläche liegende Plattform zu finden war, auf der sie sich ausruhen konnten, wenn sie durch ein Labyrinth schwimmen mussten. Vor dieser Studie »hat meines Wissens niemand wirklich gezeigt, dass Blutplättchen eine Rolle bei der Wahrnehmung spielen können«, sagt der Biologe und Thrombozyten-Experte Robert Campbell von der University of Utah in Salt Lake City. »Ich bin wirklich begeistert von der neuen Erkenntnis.«

Zwei weitere aktuelle Forschungsarbeiten legen ebenfalls nahe, dass PF4 eine Rolle bei der Regulierung von Alterserscheinungen spielt. Dena Dubal und ihr Team von der University of California in San Francisco fanden heraus, dass PF4 die kognitive Leistung verbessert, und Tara Walker und ihre Kollegen von der University of Queensland in Brisbane, Australien, zeigten, dass PF4 an der Bildung neuer Neuronen beteiligt ist.

Möglicher Biomarker für Alzheimer?

Wenn sich herausstellen sollte, dass etwa der Alzheimerkrankheit eine Abnahme des PF4-Spiegels vorausgeht, könnte dieses Molekül als Biomarker verwendet werden, um betroffene Menschen zu identifizieren, sagt die Physiologin Cheryl Conover von der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota. Einige der bestehenden Alzheimertherapien wirkten am besten, wenn sie in den frühen Stadien der Krankheit eingesetzt werden. Da sei es hilfreich, Risikopersonen zu identifizieren, bevor sie Symptome entwickeln.

PF4 ist eines von einer guten Hand voll Moleküle, die Villeda und andere in den letzten Jahren identifiziert haben und die im Zusammenhang mit dem Alterungsprozess stehen. Einige sind an der Kognition beteiligt, während andere mit Aspekten wie dem altersbedingten Muskelabbau zusammenhängen. Biotech-Unternehmen, darunter Elevian und Alkahest, versuchen bereits, diese Entdeckungen in Therapien umzusetzen, die die Regeneration und das gesunde Altern fördern. Die Behandlungen müssten aber wahrscheinlich eine Reihe von Faktoren berücksichtigen, die mit dem Altern zusammenhängen, sagt Saul Villeda. Für manche Menschen werde womöglich auch nur eine Kombination verschiedener Behandlungen die gewünschte Wirkung bringen.

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