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Ringplanet Saturn: Das furiose große Finale der Raumsonde Cassini beginnt!

Die extrem erfolgreiche Raumsondenmission Cassini-Huygens geht in diesen Tagen in die Endphase. Der letzte, "Cassini Grand Finale" genannte Missionsabschnitt führt die Sonde zwischen dem Planeten und den Ringen hindurch. Beim ersten Durchflug wird die Atmosphäre von Saturn in ungekannter Detailgenauigkeit fotografiert.
Cassini durchbricht die Ringebene

Nachtrag vom 27. April 2017, 8:56:34 Uhr MESZ: Die Funkverbindung zu Cassini kam wie geplant zustande. Cassini hat den ersten Durchflug zwischen Saturn und seinen Ringen überstanden! Die Datenübertragung hat begonnen und erste Rohbilder lassen sich bereits online ansehen.

Tilmann Denk arbeitet an der Freien Universität Berlin und ist im Rahmen der Mission der Raumsonde Cassini unter anderem für die Kamera-Beobachtungsplanung der Saturnmonde verantwortlich. In loser Folge berichtet er als Insider aus seinem Forschungsalltag und stellt interessante Erkenntnisse und persönliche Einblicke über Saturn sowie seine Ringe und Monde vor.

Nach fast 20 Jahren im Weltraum, davon 13 Jahre am Saturn, geht die Reise der Cassini-Raumsonde langsam aber sicher ihrem Ende zu. Im letzten ihr verbleibenden Sommer soll Cassini auf ihrem Weg um den Ringplaneten noch aufgrund der völlig neuartigen Flugbahn einzigartige Daten sammeln.

Am 22. April 2017 erfolgte der letzte nahe Vorbeiflug am großen Saturnmond Titan, und mit ihm gingen die so genannten "F-Ring-Orbits" zu Ende. Durch die Anziehungskraft von Titan wurde Cassini um 860 Meter pro Sekunde abgebremst, was ihre Flugbahn so veränderte, dass sie ab jetzt durch die nur wenige tausend Kilometer breite Lücke zwischen dem Planeten und dem inneren Rand des Ringsystems hindurchfliegen wird. Der erste dieser Durchflüge, der Cassini bis auf 3000 Kilometer und somit näher an Saturn heranführt als jemals zuvor, erfolgt am Mittwoch, dem 26. April 2017 um 11:03 Uhr MESZ. Bis zum Ende der Mission am 15. September 2017 sind 22 solche Passagen geplant. Die Chance, dass Cassini dabei durch die Kollision mit einem Ringteilchen vorzeitig außer Betrieb gesetzt wird, liegt nach Berechnungen bei einem Prozent – für Raumsonden ein ungewöhnlich hohes Risiko.

Cassinis Blick auf Saturn | So sieht Cassini den Planeten während des ersten Durchflugs zwischen Atmosphäre und Ringen. Das weiße Viereck zeigt das Bildfeld der Weitwinkelkamera (WAC) an, dessen Seitenlänge 3,5 Grad beträgt. In der oberen Simulation ist die Geometrie gegen 9:49 Uhr MESZ zu sehen, wenn die Aufnahmereihe beginnt. Die Geometrie des mittleren Bilds entspricht der Passage des saturnnächsten Punkts. Unten ist der Blickwinkel für die letzte der geplanten 284 Aufnahmen der Weitwinkelkamera gezeigt. Der sichtbare Himmelsausschnitt umfasst in allen drei Darstellungen 120 Grad von links nach rechts und 65 Grad von oben nach unten. UTC ist die "Universalzeit"; für die Mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ) gilt MESZ = UTC + 2 Stunden.

Daher wird beim ersten Durchflug am 26. April 2017 kurz vor Erreichen der Ringebene die Hauptantenne in Flugrichtung gedreht, so dass sie im Bedarfsfall als Schutzschild fungieren kann. Cassini durchquert die Ringebene drei Minuten vor der größten Annäherung an Saturn, die Geschwindigkeit beträgt dabei etwa 30 Kilometer pro Sekunde. Diese erste nahe Saturnpassage wird vom Staubdetektor und von den Teilchen- und Felder-Messinstrumenten zur Charakterisierung der Teilchenumgebung sowie von den Fernerkundungsinstrumenten zur Erforschung der Saturnatmosphäre genutzt.

Die Weitwinkelkamera (WAC) von Cassini, ein Linsenfernrohr mit 200 Millimeter Brennweite und einem Bildfeld von 3,5 mal 3,5 Grad, soll im 17-Sekunden-Takt insgesamt 284 Aufnahmen machen. Diese ungewöhnlich hohe Taktrate ist möglich, weil die WAC im Summationsmodus betrieben wird, bei dem jeweils vier Bildpunkte im CCD zu einem zusammengefasst werden ("2 mal 2 binning" – jedes Bild ist noch 512 mal 512 Bildpunkte groß). Beginnend am Nordpol von Saturn, driftet beim Vorbeiflug das Bildfeld langsam bis zum Äquator und darüber hinaus. Jede Aufnahme wurde auf fünf Millisekunden programmiert, das ist die kürzest mögliche Belichtungszeit. Da der Verschluss in der Praxis ein wenig kürzer geöffnet ist, entspricht das Verschlusszeiten von etwa 1/200 bis 1/400 Sekunde. Aus 8300 Kilometer Distanz beträgt die Bildauflösung ein Kilometer pro Bildpunkt im Summationsmodus. Aufnahmen mit der zehnfach schärferen Telekamera sind nicht geplant; die Bewegung von Cassini würde die Bilder zu sehr verschmieren.

284 kleine Ausschnitte der Saturnatmosphäre | Die Bildausschnitte der 284 geplanten WAC-Aufnahmen sind einer zylindrischen Projektion der sichtbaren Oberfläche von Saturn überlagert. Die Aufnahmen der ersten 61 Minuten sind grün wiedergegeben, die darauf folgenden 20 Minuten einschließlich des Durchflugs durch die Ringebene gelb. Da sich Aussehen und Details der Atmosphäre ständig ändern, sind die abgebildeten Stürme illustrativ zu betrachten. Der im Zeitraum der Beobachtung von der Sonne nicht beleuchtete Teil von Saturn ist abgedunkelt dargestellt. Die linke Achse zeigt die planetografische Breite von -90 Grad (Südpol) bis +90 Grad (Nordpol), die untere Achse die planetografische Länge von 0 bis 360 Grad. Norden ist oben. Nicht gezeigt sind die Schatten der Ringe, welche auf die südliche Hemisphäre fallen.

Auf den beigestellten Bildern ist die Geometrie der Beobachtungen zu sehen, zum einen aus der Perspektive von Cassini, zum anderen in einer zylindrischen Kartenprojektion. Die Untersuchungen sind in zwei Teile untergliedert: Zuerst erfolgt die Phase, bei der das für die Kamerabeobachtungen zuständige Wissenschaftlerteam die Ausrichtung von Cassini steuert. In diesem Zeitraum – von 9:49 bis 10:50 Uhr MESZ beziehungsweise aus 59 500 bis 6200 Kilometer Abstand – werden 214 WAC-Aufnahmen getätigt (grün dargestellt) sowie zahlreiche Spektren durch die Infrarotspektrometer gewonnen.

Cassini geht ins Detail | In der Ausschnittsvergrößerung der vorangegangenen Grafik sind die einzelnen Bildfelder der Weitwinkelkamera WAC etwas deutlicher erkennbar. Während sich die meisten Bildfelder überlagern, bewegt sich Cassini in den 20 Minuten der Ringpassage so schnell und nah um den Planeten, dass die Bilder keine Überlappung mehr aufweisen. Die Drehung von Cassinis Antenne in Flugrichtung zeigt sich nicht nur in dem "Schlenker" der grünen Bildfelder, sondern auch in einer Drehung um die Achse zwischen Bild und Betrachter. Beim Anflug ist die Sekundärachse von Cassini noch genau zum Nordpol von Saturn ausgerichtet, und die Bilder lassen sich an den Kanten zusammenfügen. Nach der Drehung sind die Bildfelder diagonal nach links verdreht, so dass diese Bilder, sofern es noch eine Überlappung gibt, höchstens noch an den Ecken zusammenpassen. Die Achsen zeigen wiederum die planetografische Länge und Breite auf Saturn.

Der kleine Schlenker kurz vor dem Ende verrät die Umorientierung der Raumsonde. Die Ausrichtung von Cassini in der zweiten Phase (gelb dargestellt) wurde nicht von einem Instrumententeam, sondern von der Projektleitung programmiert. Hier zeigt die Antenne exakt in Flugrichtung, und die Kameras weisen so gut es geht in die der Sonne um 180 Grad entgegengesetzte Richtung; dabei bleibt der riesige Saturn, der für Cassini inzwischen den halben Himmel ausfüllt, im Blickfeld. Diese Phase dauert von 10:50 bis 11:10 Uhr, Zeit für weitere 70 WAC-Bilder. Die Einzelbilder dieser Aufnahmesequenz werden sich zum großen Teil nicht mehr überlappen.

Hier auf der Erde bekommen wir in diesen Minuten von Cassini nichts mit, weil kein Funkkontakt vorgesehen ist. Erst für den nächsten Tag, den 27. April, ist die Übertragung der Daten geplant. Cassini beginnt am Saturn gegen 7:47 Uhr MESZ mit dem Herunterfunken; somit werden die ersten Datenpakete gegen 9:05 Uhr MESZ bei der Empfangsstation in Goldstone (Kalifornien) eintreffen. Insgesamt dauert der Downlink, der in seinem zweiten Teil über Canberra in Australien abgewickelt wird, bis etwa 21:00 Uhr MESZ. Die am Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena befindliche Bodenkontrolle hat angekündigt, dass die Bilder fast in Echtzeit ins Internet gestellt werden. Sollten Sie vorhaben, diesen "Fast-Live-Stream" zu verfolgen, müssen Sie aber aufpassen und unterscheiden: Die ersten 130 Bilder, die an diesem Tag kommen, wurden einige Stunden vor der größten Annäherung an Saturn aufgenommen und zeigen die Nordpolregion mit dem merkwürdigen und sehr ästhetischen Hexagon-Sturm aus größerer Distanz. Erst danach folgen dann die Bilder vom ersten Ringdurchstich.

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