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News: Das Licht im Auge des Astronauten

Beim Flug über der Küste Brasilien werden Astronauten manchmal Zeugen eines gespenstischen Schauspiels: Es "gewittert" in ihren Augen - ganz ohne erkennbaren Grund. Die Ursache dieses Phänomens haben Wissenschaftler jetzt genauer untersucht.
Südatlantische Anomalie
"Ich war nicht darauf vorbereitet und völlig perplex, als ich in meiner ersten Nacht einschlafen wollte und es trotz geschlossener Augen hell blieb", beschrieb der frühere deutsche Astronaut und jetzige Leiter des Europäischen Astronauten Zentrums (EAC) in Köln, Ernst Messerschmid, ein besonders seltsames Erlebnis während eines Weltraumflugs.

Zum Glück konnte ihn der Kommandant beruhigen, denn die Blitze ohne Gewitter sind Raumfahrern nicht unbekannt. Die Ursache liegt im Auge des Betrachters: Unsichtbare Protonen aus der kosmischen Strahlung treffen auf die Retina, regen sie an und vermitteln so den Eindruck von Leuchterscheinungen. Auf der Erde nimmt man dergleichen nicht oder nur äußerst selten wahr, weil das Magnetfeld der Erde und auch die Erdatmosphäre Protonen weitestgehend von uns fern halten.

Marco Casolino von der Universitá degli Studi di Roma "Tor Vergata" in Rom und seine Kollegen waren mit dieser Erklärung allerdings nicht zufrieden. Sie wollten es ganz genau wissen und verpassten Kosmonauten an Bord der Mir-Raumstation Helme mit tragbaren Siliciumdetektoren, welche die den Kopf durchdringenden Teilchen identifizierten.

Dabei durchquerte die Mir bei ihrem Umlauf um die Erde auch Bereiche, wo das irdische Magnetfeld schwächer wurde und deshalb auch mehr kosmische Strahlung auftraf. Insbesondere die so genannte südatlantische Anomalie über der brasilianischen Atlantikküste ist so eine Region. Hier weist das magnetische Feld ein "Schlagloch" auf, das Satelliten und Raumfahrzeuge aufgrund der höheren Strahlenbelastung zu meiden versuchen.

Wenn also tatsächlich Protonen die Leuchterscheinungen auslösen, dann sollten die Astronauten bei einer höheren Anzahl der Teilchen insbesondere über der südatlantischen Anomalie auch mehr Blitze "sehen". Und tatsächlich wurden in diesem Bereich besonders viele Lichter – bis zu neun in einer Stunde – wahrgenommen.

Obschon die Zahl der Protonen zum Zentrum der magnetischen Schwachstelle hin anstieg, bleib die Blitzrate jedoch relativ konstant. Offensichtlich kommen diese Teilchen also nicht als alleinige Ursache in Frage. Zudem war die Häufigkeit, mit der die Blitzlichtgewitter auftraten, über der südatlantischen Anomalie grundsätzlich höher als außerhalb davon – selbst wenn die Astronauten in einer fernen Vergleichsregion von der gleichen Protonenmenge getroffen wurden.

Die Forscher erklären dies mit schweren Atomkernen, die gleichfalls in der kosmischen Strahlung enthalten sind und beim Auftreffen auf die Retina den gleichen Effekt haben wie die Protonen. Und da solche Atomkerne etwa mit der Hülle des Raumschiffs wechselwirken, liegt in der unterschiedlich wirksamen Abschirmung wohl der Grund, warum etwa auf der Mir deutlich mehr Blitze registriert wurden als in der Apollo-Soyuz-Station, aber viel weniger als im Skylab.

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