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Neues Einheitensystem: Das Urkilogramm ist endgültig Geschichte

Jahrelang haben Experten darauf hingearbeitet, nun ist sie Realität: eine Generalüberholung des Systems der Maßeinheiten. Sie schickt unter anderem einen 130 Jahre alten Metallzylinder in Ruhestand.
Neues Kilogramm aus Silizium

Seit dem 20. Mai haben mehrere wichtige Maßeinheiten eine neue Basis: Das Kilogramm, das Ampere, das Kelvin und das Mol sind nun durch Naturkonstanten festgelegt. Ihr genauer Wert ist damit für alle Zeiten in Stein gemeißelt, auch lässt er sich künftig durch Präzisionsmessungen in gut ausgestatteten Laboren ermitteln.

Aus Sicht von Metrologen ist beides ein enormer Fortschritt: Insbesondere das Kilogramm hatte den Messexperten in der Vergangenheit große Sorgen bereitet, da sein exakter Wert von der Masse eines 130 Jahre alten Platin-Iridium-Zylinders in einem Pariser Tresor abhing. Dieses »Urkilogramm« schien im Lauf der Jahre langsam an Masse zu verlieren, was potenziell zu Problemen bei Präzisionsexperimenten hätte führen können.

Das Urkilogramm | Der internationale Kilogramm-Prototyp (das Urkilogramm), aufbewahrt unter drei Glasglocken im Internationalen Büro für Maß und Gewicht (BIPM) in Sèvres bei Paris.

Weltweit arbeiteten Metrologen daher jahrelang an einer Neudefinition, die letztlich vier der sieben grundlegenden Maßeinheiten des SI-Einheitensystems umfassen sollte. Meter, Sekunde und Candela lassen sich bereits seit Jahrzehnten aus Naturkonstanten ableiten. Ein Meter ist beispielsweise die Strecke, die Licht im Vakuum im 29 9792 485. Teil einer Sekunde zurücklegt – die Maßeinheit ist also über die Lichtgeschwindigkeit mit der Sekunde verknüpft. Diese wiederum ist durch die Schwingungsperiode zwischen Energieniveaus in der Elektronenhülle eines Zäsium-133-Atoms festgelegt.

So ähnlich ist es von nun an auch beim Kilogramm: Sein exakter Wert ergibt sich künftig aus dem planckschen Wirkungsquantum. Es verknüpft die Energiemenge einer Lichtwelle mit ihrer Frequenz und hat stets denselben Wert. Über ihre Maßeinheit (kg m2/s) steht die Planck-Konstante in eindeutiger Beziehung zu Kilogramm, Meter und Sekunde.

Wissenschaftler haben daher in den vergangenen Jahren den exakten Wert des Wirkungsquantums mit großer Präzision und verschiedenen Methoden bestimmt. Da dabei jeweils die Masse des Urkilogramms einfloss, kann das Pariser Artefakt jetzt in Ruhestand gehen: Künftig lässt sich der Wert der Kilogrammmasse aus der planckschen Naturkonstante ableiten.

So ähnlich ist es auch bei Ampere, Kelvin und Mol. Das Ampere basierte bisher auf der Kraft, die zwei unendlich lange, stromdurchflossene Leiter aufeinander ausüben. Künftig ist es durch die elektrische Ladung eines Elektrons festgelegt. Das Kelvin wiederum wurde bisher über den »Tripelpunkt« von Wasser definiert. In Zukunft nagelt unter anderem die so genannte Boltzmann-Konstante seinen Wert fest. Das Mol wiederum hing bislang vom Gewicht einer bestimmten Stoffmenge Kohlenstoff ab. Von nun an wird es über die Avogadro-Konstante bestimmt, welche auf der Anzahl von Atomen basiert.

Wer in seinem Beruf nichts mit Metrologie zu tun hat, wird von den Neudefinitionen aller Wahrscheinlichkeit nach nichts merken: Das Internationale Büro für Maß und Gewicht hat die Umstellung bewusst so gestaltet, dass die bisherigen Werte der Maßeinheiten gleich bleiben. Nun soll aber ausgeschlossen sein, dass sie sich mit der Zeit verändern.

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