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Wetteraussichten: Der Sommer 2023 steuert auf ein heißes Finale zu

Auf die Gewitter der vergangenen Tage folgt nun eine extreme Hitzewelle. Es sind Temperaturen bis zu 40 Grad möglich. Vor allem Süd-, Mittel- und Osteuropa sind betroffen.
Ein Kind gießt zur Abkühlung Wasser auf sich selbst
Mehrere schwülheiße Tage in Folge setzen insbesondere älteren Menschen und Kindern stark zu. Da heißt es: viel trinken und Schatten suchen.

Zum Abschluss dieses Sommers beginnt Europa noch einmal zu glühen: Dem halben Kontinent stehen außergewöhnlich heiße Tage bevor, vor allem Süd-, Mittel- und Osteuropa sind betroffen. Teilweise klettern die Temperaturen um bis zu 15 Grad höher als im langjährigen Schnitt. Den Höhepunkt der Heißzeit erwarten die Meteorologen zur Mitte der kommenden Woche, doch ein Ende der aller Voraussicht nach extremsten Hitzewelle des Jahres 2023 ist vorerst nicht absehbar.

Damit steht Deutschland vor dem denkwürdigen Finale eines denkwürdigen Sommers. Vor allem die Menschen im Süden werden unter der Hitze ächzen, denn schon zum Wochenende sind dort verbreitet mehr als 35 Grad wahrscheinlich, in der kommenden Woche sogar bis zu 40 Grad möglich. Und selbst im bislang so kühlen und nassen Norden kommt mit Temperaturen um 30 Grad das Badewetter zurück. Nach seinem unterkühlten Beginn heizt der August den Menschen im Land zum Ende hin noch einmal richtig ein.

Ursache für die Hitzeblase ist ein außergewöhnlich stabiles Hochdruckgebiet, das sich von der Iberischen Halbinsel bis nach Mitteleuropa ausdehnt und mit Hilfe einer südwestlichen Strömung extreme Heißluft bis an Nord- und Ostsee pumpt. Das Gebiet ist auch in höheren Luftschichten stark ausgeprägt und bewegt sich kaum vom Fleck. Da unter Hochdruckeinfluss die Luft nach unten sinkt, trocknet sie ab und erwärmt sich zusätzlich.

»Die Hitze ist gefangen, die werden wir so bald nicht los«Felix Dietzsch, Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst

»Die Hitze ist gefangen, die werden wir so bald nicht los«, sagt Felix Dietzsch vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach. »Das heiße Wetter geht die ganze nächste Woche so weiter.« Der Meteorologe rechnet ab dem Wochenende mit starker Hitze, Schwerpunkt wird der Südwesten sein, darunter Ballungszentren wie das Rhein-Main-Gebiet, der Großraum Stuttgart und die Region Freiburg. In den Alpen steigt die Nullgradgrenze auf 5000 Meter, sogar die höchsten europäischen Gipfel erleben Plusgrade. Dadurch dürften die Gletscher und der Permafrost stark tauen. »Eine solche Hitzewelle würde ich im Juli erwarten – aber nicht Ende August«, sagt Dietzsch.

Sorgen bereiten dem Meteorologen vor allem die hohen Nachttemperaturen in den genannten Regionen, weil die Luft vergleichsweise feucht ist. »Es kühlt einfach nicht richtig ab«, sagt Dietzsch. Verbreitet werden die Werte nicht unter 20 Grad sinken, Meteorologen sprechen von Tropennächten. Die Folge: Die Innenräume heizen sich auf, der Schlaf ist weniger erholsam.

Mancherorts mehr als zehn Hitzetage in Folge

Während sich die einen also über Badewetter freuen, wird die Hitze für andere zur Belastung. Mehrere schwülheiße Tage in Folge setzen insbesondere älteren Menschen und Kindern stark zu – vor allem, wenn es nachts nicht richtig abkühlt. Solchen Strapazen sind die Menschen im äußersten Süden Deutschlands nun schon längere Zeit ausgesetzt, am 11. August floss erstmals feuchtwarme Mittelmeerluft nach Baden-Württemberg und Bayern. In manchen Orten dürfte die Zahl der aufeinanderfolgenden Hitzetage dadurch bereits jenseits der zehn liegen. Werte von mehr als 30 Grad über mehrere Tage gelten als extreme Wärmebelastung und können zur Gefahr für den Organismus werden. Schon ab dem dritten Tag sprechen Mediziner von einem ernst zu nehmenden Gesundheitsrisiko.

Auch wenn es zum Zusammenhang zwischen der aktuellen Heißzeit in Europa und dem vom Menschen verursachten Klimawandel noch keine Studie gibt – noch nicht geben kann –, steht bereits fest, dass die Veränderung der Atmosphäre die Hitzewellen heftiger und länger ausfallen lässt. Mit den Projektionen in den Klimaberichten sowie zahlreichen Attributionsstudien haben Klimaforscherinnen und -forscher das in den vergangenen Jahren mehrfach gezeigt. Die Muster sind stets dieselben: Ohne den Klimawandel lägen die Maximalwerte um einige Grad niedriger und die Hitzewelle würde kürzer ausfallen.

Die Luft wird zwischen zwei Hochdrucklagen komprimiert wie in einer Fahrradpumpe und erwärmt sich um etwa ein Grad pro hundert Meter

Beeindruckt von der bevorstehenden Hitzewelle ist auch der Schweizer Klimaforscher Erich Fischer von der ETH Zürich. In den Wetterkarten, die er regelmäßig sichtet, hat er schon früh die außergewöhnliche Konstellation der Druckgebilde über Europa erkannt. »Das Hochdruckgebiet ist auffallend ausgeprägt und führt zu Hochdruck in Bodennähe wie auch in der Höhe«, sagt er. Das ist deshalb ungewöhnlich, da sich sonst in höheren Luftschichten häufig ein Tiefdruckgebiet über das Hoch legt. In der derzeitigen Situation jedoch wird die Luft komprimiert wie in einer Fahrradpumpe und erwärmt sich um etwa ein Grad pro hundert Meter. Gleichzeitig verhindern absinkende Luftmassen die Wolken- und Gewitterbildung und führen zu hoher Sonneneinstrahlung. Das seien Bedingungen wie im Lehrbuch, sagt Fischer. Auf Grund der hohen Temperatur nimmt der Druck mit der Höhe langsamer ab. Die aktuelle Vorhersage für die Temperaturen auf einer Höhe von 5000 Metern liege nahe dem Rekordwert aus 2019, sagt er. Damals wurden in Europa Ende Juli zahlreiche Allzeit-Hitzerekorde übertroffen, Duisburg und Tönisvorst kamen auf 41,2 Grad. Werte, die trotz heißer Sommer bis heute Bestand haben.

Dass die Hitzerekorde in der nächsten Woche überboten werden, ist aber eher unwahrscheinlich. Um Bruthitze von mehr als 40 Grad in Mitteleuropa zu erreichen, müssen alle Bedingungen stimmen: eine heiße Luftmasse, ein hoher Sonnenstand, eine gute Durchmischung, kaum Wind und Wolken – sowie wenig Trübung der Atmosphäre durch Aerosole in der Luft. Allein der Sonnenstand ist jetzt schon zwei Monate hinter seinem Höchststand, außerdem könnten Saharastaub oder unerwartete Gewitter die Temperaturen noch etwas dämpfen, sagt Erich Fischer.

Absolute Rekordwerte können zwar extreme Folgen nach sich ziehen, sie sind aber eher zweitrangig in der Bewertung von Hitze. Viel entscheidender ist ihre Dauer. »Die voraussichtlich lange anhaltende Hitzewelle, die da auf Europa zurollt, reiht sich ein in den außerordentlich starken Trend«, sagt Fischer. Fast nirgends auf der Welt haben die Hitzewellen so stark zugenommen wie hier. Dabei liegt die derzeitige Entwicklung bereits am oberen Ende der Modellsimulationen.

Frühestens ab dem 25. August wird es wieder kühler

Wann die aktuelle Hitze wieder abklingt, ist noch unklar. »Frühestens ab dem 25. August wird es vielleicht etwas kühler«, sagt DWD-Meteorologe Felix Dietzsch. Tatsächlich deuten die Wettermodelle für Ende nächster Woche ein allmähliches Ende des stabilen Hochdruckgebiets und damit auch eine abklingende Zufuhr heißer Mittelmeerluft an. Ob das aber wirklich so kommt? Nicht selten unterschätzen die Wettermodelle solche außergewöhnlichen Wetterlagen.

Weitere Eskalationen an der Hitzefront sind im September aber eher nicht zu erwarten. Dagegen spricht etwa der allmählich abnehmende Sonnenhöchststand. Allerdings sind, wie zuletzt im Jahr 2016 geschehen, heiße Tage bis weit in den September hinein nicht ausgeschlossen.

Der meteorologische Sommer 2023, der statistisch betrachtet von Juni bis August dauert, wird sich voraussichtlich in die Top 5 der wärmsten Sommer einreihen. Mit aktuell 18,4 Grad liegt er 2,1 Grad über der alten Klimanormalperiode von 1961 bis 1990 – und wenige Zehntel Grad über den Sommern des neuen Jahrhunderts. Leicht überdurchschnittlich wird er in Deutschland auch bei Niederschlag und Sonnenschein abschließen. Vor allem der Juli war zu nass, der Juni dagegen außergewöhnlich trocken. Wie der Sommer auch endet – ob weiter heiß oder eher kühl –, auf jeden Fall wird er sich erneut als extrem ins Gedächtnis einbrennen.

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