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News: Der stündliche Griff zur Zigarette

Wer raucht oder mal geraucht hat, kennt das Phänomen: Fast pünktlich zu jeder Stunde meldet sich die Sucht nach dem nächsten Glimmstängel. Auslöser der regelmäßigen Zigarettenpause ist ein zweigeteilter neuronaler Kreislauf, wie Untersuchungen im Rattengehirn ergaben: Während der Nikotinkonsum einerseits über einen Regelkreis das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert und so fürs Wohlbefinden sorgt, schalten die Nikotinmoleküle einen zweiten - hemmenden - Kreislauf ab, und zwar für ungefähr eine Stunde. Dopamin strömt nun massenhaft aus. Danach fällt der Pegel des Glücksboten wieder, und der nächste Griff ins Zigarettenpäckchen steht bevor.
Wer nie dem blauen Dunst verfallen ist, kann sich wahrhaftig glücklich schätzen. Denn von dieser Sucht loszukommen, ist ein schweres Unterfangen. Wie Untersuchungen im Jahre 2000 zeigten, reichen schon wenige Züge der nikotinreichen Luft, um dauerhaft suchtgefährdet zu sein. Schuld daran ist der Glücksstoff Dopamin, ein Botenstoff im Gehirn, der das so genannte Belohnungszentrum aktiviert und uns wohlige Schauer über den Rücken rieseln lässt. Fühlt sich gut an, denkt der Körper – noch mal, bitte. Und so ist der nächste Zug an der Zigarette nicht fern.

Warum selbst eine fast endlose Liste möglicher Gesundheitsschäden, von den Kosten ganz abgesehen, trotzdem allein in Deutschland knapp ein Viertel der über 15-Jährigen zum Glimmstängel greifen lässt, liegt an der gesteigerten Ausschüttung der "Glücksdroge" Dopamin. Teuflischerweise verlängert Nikotingenuss diesen Zeitrahmen des Hochgefühls, wie das Team um Daniel MacGehee von der University of Chicago nun am Gehirngewebe von Ratten aufschlüsselte.

In früheren Arbeiten konnten die Forscher bereits einen neuronalen Kreislauf bloßlegen, wonach sich die umherwandernden Nikotinmoleküle mit den Oberflächenproteinen – den so genannten Nikotin-Acetylcholin-Rezeptoren – einiger spezieller Nervenzellen verbinden. Als Antwort auf das angedockte Nikotin setzen diese Neurone die Aminosäure Glutamat frei. Das chemische Signal veranlasst nun seinerseits benachbarte Nervenzellen, den Glücksstoff Dopamin auszuschütten. Je angeregter die Nervenzellen sind, desto mehr Dopamin wird freigesetzt und desto wohler fühlen wir uns.

Normalerweise regelt das Gehirn aber selbst, dass es nicht durch ein Zuviel des Botenstoffes überschwemmt wird, indem ein parallel geschalteter Kreislauf der Dopaminausschüttung einen Riegel vorschiebt. Doch nicht, wenn Nikotin im Spiel ist. Schnell ist der hemmende Kreislauf durch den Nikotingenuss überfordert und wird – wie das Team nun an Rattengewebe feststellte – für ziemlich genau 60 Minuten lahmgelegt. Nach Ablauf einer Stunde nimmt er seine Arbeit wieder auf und mindert nun den Dopaminausstoß des zweiten Kreislaufs. Daraufhin sinkt der Pegel des Botenstoffes, das angenehme Körpergefühl geht verloren, und die Sehnsucht nach einer Zigarette meldet sich.

Könnte ein Molekül die Erholung des zweiten Zyklus unterbinden, sollte die Sucht nach dem nächsten Zug nachlassen, hoffen die Forscher. Der Markt für ein solches Medikament ist groß, versuchen doch etwa 70 Prozent aller Raucher zumindest einmal im Leben dem Tabak zu entsagen. Und die findigen Entwicklungen Nikotinpflaster und Kaugummis helfen nun mal nicht jedem.

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