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Musiktheorie: Die Mathematik hinter der Musik von Johann Sebastian Bach

Johann Sebastian Bach gilt als einer der größten Komponisten, die jemals gelebt haben. Warum seine Musik so gut klingt, lässt sich nun mathematisch erklären.
Musikalische Noten auf einem Blatt Papier
Es ist nicht einfach, zu beschreiben, warum uns ein bestimmtes Lied gefällt. Die richtige Mathematik könnte dabei behilflich sein.

Ein gutes Musikstück sollte ein gewisses Maß an Überraschung mit sich bringen, ohne die Hörerinnen und Hörer zu überfordern. Nun haben Forscher und Forscherinnen um die Physikerin Suman Kulkarni von der University of Pennsylvania versucht, diese intuitive Auffassung von guter Musik durch ein mathematisches Modell auszudrücken. In einer im Februar 2024 bei »Physical Review Research« erschienenen Studie haben sie untersucht, wie die Struktur eines Musikstücks mit der menschlichen Wahrnehmung zusammenhängt: Was führt dazu, dass man sich an bestimmte Passagen erinnert, und welche Momente eines Lieds erscheinen vorhersehbar? Dafür haben Kulkarni und ihr Team Werke des Komponisten Johann Sebastian Bach mit Methoden aus der Informationstheorie analysiert – und konnten so erklären, warum seine Musik nach so vielen Jahrhunderten weiterhin beliebt ist.

»Bach schien ein idealer Ausgangspunkt für diese Untersuchung zu sein, da sein Werk eine stark mathematische Struktur aufweist«, sagte Kulkarni gegenüber der American Physical Society. Zudem weisen seine Stücke viele verschiedene Kompositionsformen auf, von Préludes über Fugen bis hin zu Chorälen. Kulkarni und ihr Team haben Hunderte davon untersucht.

Die Physikerinnen und Physiker stellten die Musikstücke zunächst als Netzwerke dar. Jeder Knoten entsprach einer Note des Lieds; zwei Noten wurden durch Pfeile verbunden, falls sie aufeinander folgten. Zudem wiesen die Fachleute den Pfeilen ein »Gewicht« zu: Je häufiger eine Note auf eine andere folgte, desto gewichtiger wurde der verbindende Pfeil. Für jedes so erhaltene Netzwerk konnten Kulkarni und ihre Kollegen eine mathematische Größe berechnen, die so genannte Shannon-Entropie, die den Informationsgehalt des Netzwerks beziffert.

Wie viel Information steckt in einem Musikstück?

Die Forschenden erkannten ein Muster: Gleiche Kompositionsformen wiesen ähnliche Mengen an Entropie auf. So enthalten Choräle, die in Kirchen gesungen werden, meist wenig Information im Gegensatz zu Tokkaten und Fugen, die unterhaltsame und überraschende Passagen besitzen. Damit spiegeln die Entropieunterschiede laut Kulkarni die Funktionen der verschiedenen Kompositionsformen wider.

Kulkarni und ihr Team wollten aber auch herausfinden, ob diese Komplexität bei den Hörerinnen und Hörern überhaupt ankommt. Dafür griffen sie auf ein Computermodell zurück, das die durchschnittliche Wahrnehmung eines Menschen simuliert. Um das Modell zu trainieren, zeigten sie Personen verschiedene Abfolgen von Bildern und maßen dabei, wie überraschend die Eindrücke für die Probanden waren. Mit Hilfe dieses Programms erstellte die Arbeitsgruppe ein neues Netzwerk: In diesem Fall geben die Verbindungen zwischen zwei Knoten an, wie naheliegend – oder überraschend – eine Person die Abfolge der entsprechenden Noten empfindet. Weil Menschen keine perfekte Auffassungsgabe haben, unterscheidet sich das derart entstandene Netzwerk meist von dem, was man direkt durch das Musikstück gewonnen hat.

»Ich würde gerne die gleiche Analyse für andere Komponisten und nichtwestliche Musik durchführen«Suman Kulkarni, Physikerin

Wie die Forscher und Forscherinnen feststellten, fiel der Unterschied zwischen den Netzwerken bei Musikstücken von Bach gering aus – im Gegensatz zu zufällig erzeugten Netzwerken, die sie ebenfalls mit ihrem Computermodell untersuchten. Sie schließen daraus, dass musikalische Kompositionen offenbar Diskrepanzen zwischen dem Aufbau eines Stücks und der menschlichen Wahrnehmungen davon minimieren.

Um diese These zu bestätigen, sind allerdings sorgfältigere Analysen nötig, die auch weitere Elemente einer Komposition berücksichtigen, wie den Rhythmus oder das Vorhandensein von Akkorden. Damit ließen sich auch Stücke unterschiedlicher Interpreten und Musikrichtungen vergleichen. »Ich würde gerne die gleiche Analyse für andere Komponisten und nichtwestliche Musik durchführen«, sagte Kulkarni gegenüber »New Scientist«.

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