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DNA-Analyse : Beethovens Haarlocke lüftet Geheimnisse

Ludwig van Beethovens Erbgut gibt Hinweise darauf, woran der weltberühmte Komponist verstarb und dass er womöglich gar kein van Beethoven war.
Zeichnung von Ludwig van Beethoven (1770 - 1827)
Das wohl berühmteste Stück von Ludwig van Beethoven (1770-1827) ist die Komposition »Für Elise«. Nicht bekannt ist jedoch, wer Elise war.

Ludwig van Beethoven verfasste 1802 einen Brief an seine Brüder. Darin bat er sie, ihn nach seinem Tod durch seinen Arzt untersuchen zu lassen und das Ergebnis zu veröffentlichen. Doch die Aufzeichnungen des Arztes wurden nie gefunden. Die Liste von Beethovens Gesundheitsproblemen ist lang. Dazu zählte bekanntermaßen sein fortschreitender Hörverlust, der in einem Alter von etwa 25 bis 29 Jahren einsetzte und schließlich dazu führte, dass der Komponist im Jahr 1818 de facto taub war. Zudem litt der Musiker an chronischen Magen-Darm-Beschwerden und er erkrankte zumindest einmal an Gelbsucht. Eine Leberzirrhose galt seit Langem als die wahrscheinlichste Ursache für seinen Tod im Alter von 56 Jahren im Jahre 1827.

Um mehr über seine Krankheiten und die Todesursache herauszufinden, hat ein internationales Forschungsteam nun moderne archäogenetische Untersuchungsmethoden genutzt und fünf Haarsträhnen untersucht, die »mit ziemlicher Sicherheit authentisch« sind, wie die Forschenden in der Zeitschrift »Current Biology« schreiben.

Mögliche genetische Ursachen für Beethovens Krankheiten

Das Forschungsteam suchte im Erbgut Beethovens nach genetischen Markern, die mit Krankheiten assoziiert werden. Für Beethovens Taubheit oder seine Magen-Darm-Probleme konnten sie dies nicht erkennen. Sie entdeckten jedoch eine Reihe von bedeutenden genetischen Risikofaktoren für eine Lebererkrankung. Außerdem fanden sie Hinweise auf eine Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus, die womöglich einige Monate vor seiner zum Tode führenden Lebererkrankung stattgefunden hat.

»Beethovens Konversationshefte, die er im letzten Jahrzehnt seines Lebens benutzte, legen die Vermutung nahe, dass er sehr regelmäßig Alkohol konsumierte«, sagt der Hauptautor der Studie Tristan Begg von der University of Cambridge in einer Pressemitteilung. Die meisten seiner Zeitgenossen behaupteten, sein Alkoholkonsum sei für Wiener Verhältnisse des frühen 19. Jahrhunderts mäßig gewesen. »Unserer Einschätzung nach dürfte es sich immer noch um Alkoholmengen gehandelt haben, von denen man heute weiß, dass sie für die Leber schädlich sind. Wenn Beethovens Alkoholkonsum über einen ausreichend langen Zeitraum hoch genug war, stellt die Wechselwirkung mit seinen genetischen Risikofaktoren eine mögliche Erklärung für seine Leberzirrhose dar.« Das Forschungsteam vermutet auch, dass Beethovens Hepatitis-B-Infektion eine Mitursache für die schwere Lebererkrankung des Komponisten gewesen sein könnte.

Beethovens Schwerhörigkeit wurde mit mehreren möglichen Ursachen in Verbindung gebracht, darunter auch mit Krankheiten, die in unterschiedlichem Maße genetisch bedingt sind. »Obwohl keine eindeutige genetische Ursache für Beethovens Schwerhörigkeit identifiziert werden konnte, kann man eine solche auch nicht völlig ausschließen. Die Referenzdaten, die für die Interpretation individueller Genome notwendig sind, werden stetig besser. Es ist daher möglich, dass Beethovens Genom in Zukunft Hinweise auf den Ursprung seiner Schwerhörigkeit liefern wird«, sagt Axel Schmidt vom Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Bonn.

Eine genetische Erklärung für Beethovens Magen-Darm-Beschwerden konnte ebenfalls nicht gefunden werden, aber anhand der genomischen Daten kommen die Forschenden zu dem Schluss, dass Gluten- und Laktoseintoleranz höchstwahrscheinlich als Ursachen ausgeschlossen werden können. Ebenso das Reizdarmsyndrom (IBS), gegen das bei Beethoven sogar ein gewisser genetischer Schutz festgestellt werden konnte.

»In Anbetracht der bekannten Krankengeschichte ist es sehr wahrscheinlich, dass im Zusammenspiel genetische Veranlagung, Hepatitis-B-Infektion und Alkoholkonsum zu Beethovens Tod geführt haben. Künftig muss noch erforscht werden, in welchem genauen Umfang jeder einzelne Faktor beteiligt war«, erklärt Tristan Begg.

Beethovens Familiengeheimnis

Insgesamt führte das Team Authentifizierungstests an acht Haarproben durch, die aus öffentlichen und privaten Sammlungen im Vereinigten Königreich, in Kontinentaleuropa und den USA stammen. Dabei entdeckten die Forschenden, dass mindestens zwei der Haarlocken nicht von Beethoven stammten, darunter eine berühmte Locke, die der damals 15-jährige Musiker Ferdinand Hiller vom Kopf des gerade verstorbenen Komponisten abgeschnitten haben soll. Frühere Analysen der »Hiller-Locke« unterstützten die Vermutung, dass Beethoven an einer Bleivergiftung litt, die zu seinen gesundheitlichen Beschwerden, einschließlich seines Hörverlusts, beigetragen haben könnte. Doch die besagte Locke stammt von einer Frau, wie die Analysen zeigen. Beethovens gesamtes Genom wurde anhand einer Probe der »Stumpff-Locke« aus einer Sammlung von Kevin Brown sequenziert, einem Mitglied der American Beethoven Society. Sie war die am besten erhaltene Probe.

Beethovens Haar | MIt Hilfe der »Stumpff-Locke« ist es den Forschenden gelungen, Beethovens gesamtes Genom zu sequenzieren und es unter anderem auf genetische Marker zu untersuchen, die mit bestimmten Krankheiten assoziiert sind.

Das Team analysierte zudem das Erbgut von lebenden Verwandten Beethovens in Belgien, konnte aber bei keinem von ihnen eine Übereinstimmung mit dem Erbgut des Komponisten finden. Einige von ihnen haben laut genealogischen Studien einen gemeinsamen väterlichen Vorfahren mit Beethoven aus den späten 1500er und frühen 1600er Jahren, doch ihr Y-chromosomales Erbgut stimmte nicht mit dem Y-Chromosom überein, das in den Haarlocken Beethovens gefunden wurde. Das Forschungsteam kam zu dem Schluss, dass dies wahrscheinlich das Ergebnis von mindestens einem außerehelichen Ereignis, ein Kind aus einer außerehelichen Beziehung, in Beethovens direkter väterlicher Linie war. »Durch die Kombination von DNA-Daten und Archivdokumenten konnten wir eine Diskrepanz zwischen Ludwig van Beethovens rechtlicher und biologischer Genealogie feststellen«, sagt der Genealoge Maarten Larmuseau von der KU Leuven.

Die Studie legt nahe, dass dieses Ereignis in der direkten väterlichen Linie zwischen der Zeugung von Hendrik van Beethoven in Kampenhout, Belgien, um 1572, und der Zeugung von Ludwig van Beethoven sieben Generationen später, 1770, in Bonn, stattgefunden hat. Obwohl zuvor Zweifel an der Vaterschaft von Beethovens Vater geäußert worden waren, weil es keinen Taufeintrag gab, konnten die Forschenden nicht feststellen, in welcher Generation dieses Ereignis stattfand. Doch womöglich ist Ludwig van Beethoven gar kein van Beethoven.

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