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Elementarteilchen: Das W-Boson soll zu schwer sein

Das W-Boson galt bislang als unbescholtenes Elementarteilchen. Doch nun legt eine neue Messung nahe: Es ist zu massereich, um zum Standardmodell der Teilchenphysik zu passen.
Stilisierte Teilchenspuren vor dem Hintergrund eines Detektoraufbaus.

Das W-Boson ist ein Elementarteilchen, das bislang wenig Anstalten gemacht hat, eine physikalische Revolution anzuzetteln. Doch nun hat ein Forscherteam seine Masse erneut nachgemessen und kommt im Fachmagazin »Science» zum Schluss: Das W-Boson ist zu massereich. Seine am US-amerikanischen Fermilab ermittelte Masse stimmt nicht mit dem Wert überein, der vom Standardmodell der Teilchenphysik vorhergesagt wird.

Als so genanntes Eichboson tritt das W-Boson nur in hochenergetischen Experimenten der Teilchenphysik zum Vorschein, im Alltag kommt es nicht vor. Es übertragt die schwache Wechselwirkung, eine der vier Elementarkräfte. Als Teilchen ist es rund 80-mal so massereich wie ein Proton, das Standardmodell der Teilchenphysik sagt für seine Masse einen Wert von 80 357 MeV/c2 voraus. Das stimmt innerhalb der Messunsicherheiten etwa auch mit dem Ergebnis überein, das am ATLAS-Experiment am CERN gemessen wurde.

Für seine Messung am Tevatron-Teilchenbeschleuniger am Fermilab wertete das Team Daten aus den Jahren 2002 bis 2011 aus: Tevatron war bis 2011 aktiv. Der Teilchenbeschleuniger ließ Protonen und Antiprotonen miteinander kollidieren, wodurch eine Vielzahl weiterer, kurzlebiger Teilchen erzeugt wurde. Für die Datenanalyse kamen die Forschenden so auf insgesamt vier Millionen W-Bosonen-Kandidaten. Die Datenanalyse dauerte rund ein Jahrzehnt. So erhielt das Team einen Wert, den es für den präzisesten Wert der W-Bosonen-Masse hält, der je gemessen wurde – und der beträgt 80 433,5 +/- 9,4 MeV/c2.

Dieser Unterschied sei statistisch signifikant, so die Forscherinnen und Forscher – und zwar mit einer Signifikanz von sieben Standardabweichungen (Sigma). In der Teilchenphysik wird etwas üblicherweise als Entdeckung gewertet, wenn es eine statistische Signifikanz von fünf Sigma überschreitet. Daraus schließt das Forscherteam, dass ihr Wert nicht mit dem Standardmodell der Teilchenphysik übereinstimme.

Angesichts der Tatsache, dass Teilchenphysikerinnen und -physiker weltweit nach Abweichungen vom Standardmodell suchen, weil sie auf Gesetzmäßigkeiten jenseits dieses mit Mängeln behafteten Modells hindeuten, sind das eigentlich viel versprechende Nachrichten. Aber wie die beiden Autoren des zum Fachartikel gehörigen einordnenden Artikels im Fachmagazin »Science« schreiben: Außergewöhnliche Behauptungen erfordern außergewöhnlich starke Beweise. Und so müssen mindestens neue, unabhängige Messungen und Analysen der Masse des W-Bosons abgewartet werden, bevor dieses Elementarteilchen das Standardmodell zum Wanken bringen könnte.

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