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ESOF2006 in München: Es geht weiter!

Vom 15. bis zum 19. Juli 2006 trafen sich in München fast 2000 Forscherinnen und Forscher sowie Wissenschaftskommunikatoren zum Euroscience Open Forum 2006. Zusammen mit dem Wissenschaftssommer sollte das der europäische Treffpunkt der Wissenschaft mit der Öffentlichkeit sein. spektrumdirekt fragt den Organisator dieser Veranstaltung nach seinem Resümee.
Wolfgang Heckl
spektrumdirekt: Herr Professor Heckl, soeben ist die ESOF2006 zu Ende gegangen. Haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?

Wolfgang Heckl: Man sagt gemeinhin, dass die zweite Veranstaltung in einer Reihe die Entscheidende sei. Da zeichne sich ab, ob sich eine Tradition entwickeln kann. Ich bin davon überzeugt, dass wir in zwei Jahren mit großer Zuversicht nach Barcelona fahren können. Die ESOF2006 in München war ein voller Erfolg und ein guter Wegbereiter für die in Spanien. Unser Team hat gute Arbeit geleistet. Das gilt für alle die an diesem europäischen Projekt mitgewirkt haben. Insbesondere aber für meine Stellvertreterin Ingrid Wünning von der Robert-Bosch-Stiftung, die bereits in Stockholm für die ESOF2004 aktiv war und auch in Barcelona die Fäden mitziehen wird. Sie sorgt damit für Kontinuität in der Planung, was unheimlich wichtig ist. Ähnliches Lob gilt auch für Herbert Münder mit seinem Team von Wissenschaft im Dialog, das prächtige Arbeit geleistet hat.
Volle Säle | Viele Veranstaltungen der ESOF2006 waren äußerst gut besucht, obwohl sich München von der sonnigsten Seite zeigte und das kühle Wasser der Isar lockte.
Eine genaue Einschätzung der Qualität der Veranstaltung hier in München kann ich aber erst abgeben, wenn sich die vergangenen Tage bei mir ein wenig gelegt haben. Mir geht es da ähnlich wie dem Gastgeber einer großen Party: Man eilt von Gespräch zu Gespräch, glaubt aber mit vielen Leuten viel zu wenig geredet zu haben, bekommt dann aber von allen Seiten gesagt, wie prima es war und wie intensiv man sich untereinander ausgetauscht habe.
"Ich hätte mir gewünscht, mehr ältere Leute anzusprechen"
Und jetzt stellen Sie sich mal eine Party mit knapp 2000 Leuten vor. Hinzu kommen noch einmal zigtausend Menschen, die wir mit dem gleichzeitig stattfindenden Wissenschaftssommer mitten auf dem Marienplatz und rund um das Münchener Rathaus erreicht haben.
Heckl beim Vortrag | Wolfgang Heckl bei einem Vortrag über Wissenschaftskommunikation: An diesem Thema gab es außerordentlich großes Interesse. Nahezu alle Veranstaltungen dazu platzten vor Zuhörern aus den Nähten.
Aber nichts ist so gut, dass es nicht verbessert werden könne: Ich hätte mir beispielsweise gewünscht, noch mehr ältere Leute mit unseren Veranstaltungen anzusprechen. Wir haben unsere Angebote dieses mal sehr intensiv über das Internet angepriesen. Doch nutzen viele gesetztere Menschen die elektronischen Medien noch nicht so selbstverständlich. Daher musste ich die Informationen für ältere Interessenten oft ausdrucken lassen. Vielleicht sollten wir künftig doch noch einige Sachen mehr in gedruckter Form vorsehen, was ja durchaus auch eine haptische Komponente besitzt.
Begleitende Ausstellung | Viele Forschungseinrichtungen und Organisationen stellten sich den Besuchern der ESOF2006 in München vor und erläuterten ihre Ziele in Forschung und Politik.
Vom Themenmix her dominierten nach meinem Eindruck diesmal eher physikalische Inhalte wie die Nanotechnologie, die Kernfusion oder kosmologische Fragestellungen. Die Naturwissenschaftler dieser Sparten wussten offensichtlich, die ESOF als Plattform für ihre Belange zu nutzen. Weniger gut gelang dies nach meiner Einschätzung diesmal den Life Sciences oder den Geisteswissenschaften. Insbesondere Letztere sind offenbar zu schlecht organisiert, um sich auf so einem Forum wie der ESOF gut darzustellen.

spektrumdirekt: Die ESOF in München ist nunmehr die zweite Veranstaltung dieser Art in Europa gewesen. Hat sie sich im Vergleich zu Stockholm weiterentwickelt?

Heckl: Eindeutig ja! Das Wagnis, das mein schwedischer Kollege Carl Johan Sundberg vom Karolinska-Institut in Stockholm damals vor zwei Jahren eingegangen ist, hat sich gelohnt. Die ESOF geht weiter, und sie entwickelt sich fort.
"Gebt den Leuten ausreichend Gelegenheit zu Gesprächen"
Aus Schweden haben wir aber beispielsweise gelernt, wie wichtig ein Ort ist, an dem man sich einfach mal informell treffen kann. So entstand die Idee des Science-Biergartens und der "Brezeln mit den Professoren", was gleichzeitig wunderbar zu München passt.

spektrumdirekt: Die nächste ESOF wird 2008 in Barcelona stattfinden. Welches Signal geht von München aus?

Heckl: Das Signal, das von München aus nach Barcelona gesendet wird, ist eben dieses: Gebt den Leuten ausreichend Gelegenheit zu Gesprächen außerhalb der einzelnen Sessions, selbst wenn das eventuell auf Kosten der einen oder anderen Fachveranstaltung geht. Nach meinem Geschmack saßen auf einigen Podien zudem zu viele Experten, was dazu führte, dass einige Seminare zu sehr den Charakter eines Frontalunterrichts erhielten, obgleich wir versucht hatten, das in unserem Briefing an die Teilnehmer abzufangen. Wir wollen aber mehr Diskussionen! Wir wollen mehr Dialog! Doch leider haben wir noch zu wenig gute Wissenschaftskommunikatoren.
Medien im Dialog | Obgleich die ESOF sich nicht als verlängerten Arm der Medien verstanden wissen will, wurde intensiv über die Rolle der Journalisten in der Wissenschaftskommunikation gesprochen.
Zudem plädiere ich dafür, sich einmal Gedanken zu machen, einen griffigeren Namen für die Veranstaltung zu finden. Ich brauchte immer recht lange, um Fremden zu erläutern, was die ESOF eigentlich ist und wer die Euroscience. Zumindest hätte ich mir hier in München ein lokaleres Herunterbrechen gewünscht. Dem Münchener geht das Wort "ESOF" eben nicht so leicht über die Lippen, geschweige denn, dass er sich gleich etwas darunter vorstellen könne.

spektrumdirekt: Die ESOF ist ja angetreten, um in Europa ein vergleichbares Angebot zu haben wie die AAAS in den Vereinigten Staaten. Hat die ESOF sich mittlerweile ein eigenes Profil geschaffen?

Heckl: Im Großen und Ganzen schon. Obgleich wir gerne die Vertreter der Politik noch etwas intensiver integriert hätten. Die entscheiden ja oft in ihren immer gleichen Gremien über Fragen der Forschung und Entwicklung.
"Wir verstehen uns nicht als der verlängerte Arm eines Fachmediums"
Hier hätten sie ihr Ohr direkt am Puls der Wissenschaft und könnten gleichzeitig ihre eigene Situation zur Diskussion stellen. Schließlich haben sie ja auch Botschaften, die sie uns mitteilen wollen.
Arbeitsraum der Presse | Mit fast 500 Journalistinnen und Journalisten war das Medieninteresse an der ESOF2006 im München gewaltig.
Doch wollen wir nicht sein wie die AAAS in den Vereinigten Staaten. Das ist mehr oder weniger eine Verlagsveranstaltung von Science. Die haben dort ganz andere Voraussetzungen. Bei der ESOF geht es um Europa. Wir sprechen unterschiedliche Sprachen. Wir haben unterschiedliche Kulturen. Und wir verstehen uns nicht als der verlängerte Arm eines Fachmediums.

spektrumdirekt: Auffällig war, dass die ESOF2006 verhältnismäßig viele Wissenschafts- und Technikjournalisten anzog. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Heckl: Ich glaube, das liegt daran, dass auch die Medienvertreter spüren, dass auf der ESOF etwas los ist, was man nicht verpassen darf. Das ist wunderbar. Damit haben wir zumindest ein Ziel erreicht.

Ein echter Heckl | Der Direktor des Deutschen Museums Wolfgang Heckl gilt als äußerst vielseitiger Mensch. Er ist Professor für Physik, einer der bekanntesten Nanoforscher Deutschlands, hat kürzlich ein Buch über den bayerischen König Ludwig II. veröffentlicht und malt leidenschaftlich gern. Hier ist ein Gemälde von ihm aus dem Jahr 1999. Im Jahr 2002 erhielt er zudem den Communicator-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft.
spektrumdirekt: Dennoch beklagen viele Journalisten, dass Sie nur verhältnismäßig wenig wissenschaftliche Neuigkeiten mit nach Hause nehmen können. Wird sich das eventuell in Zukunft bessern?

Heckl: Das ist in der Tat ein wunder Punkt. Aber das ist nicht anders als wenn ich als Physiker oder Nanotechniker im Labor arbeite und von Journalisten gefragt werde, ob es etwas Neues gäbe. Ich antworte dann häufig: "Kennen Sie denn überhaupt das, was vor zehn Jahren bereits neu war?" Oft ist das nicht der Fall. Und ähnlich geht es sicherlich vielen Lesern. Mir gleicht das zu sehr einer triebhaften Jagd nach Sensationen. Dabei ist in gewissem Sinne alles Neu, was hier gesagt wurde. Hier kann man direkt mit den Leuten sprechen, die an der vordersten Front der Forschung stehen.

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