Frankreich: Enthäutung als Familientradition
Auch im Europa der frühen Neuzeit wurden Menschen nach dem Tod einbalsamiert. Das zeigt zumindest die Entdeckung von 13 Personen, die in der Gruft eines französischen Adelssitzes in der Dordogne bestattet wurden, darunter Erwachsene und Kinder. Sie allen gehörten einer Adelsfamilie an, die mit der aufwändigen Behandlung vermutlich sicherstellen wollte, dass die Leichname lange genug aufgebahrt werden konnten, schreibt ein Team um Caroline Partiot vom Österreichischen Archäologischen Institut im Fachmagazin »Scientific Reports«.
Die Toten stammen aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Sie würden »einzigartige Einblicke in die Techniken der Einbalsamierung« ermöglichen, sagt Partiot in einer Pressemitteilung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. An den Knochenfragmenten sowie dem fast vollständig erhaltenen Skelett einer Frau, die außerhalb der Gruft bestattet wurde, lasse sich ein »über zwei Jahrhunderte tradiertes Knowhow« erkennen.
Die sieben Erwachsenen seien genauso behandelt worden wie die fünf Kinder. Durch präzise Schnitte nach einem offenbar standardisierten Vorgehen, das in ähnlicher Form noch Anfang des 18. Jahrhunderts in medizinischen Lehrwerken auftaucht, wurde die Leichname geöffnet. Die Einbalsamierer entnahmen ihnen sodann die inneren Organe, darunter auch das Gehirn. Bemerkenswert sei, dass den Toten mit äußerster Sorgfalt die Haut abgezogen wurde – bis in die Fingerglieder. Dies diente offenbar dazu, Muskeln und Fettgewebe zu entnehmen, um der Verwesung vorzubeugen. Der Bauchraum wurde mit stark duftenden Füllstoffen wieder aufgebaut. Ob auch die entnommenen Muskelpartien rekonstruiert wurden, ist unklar, so die Forscher.
Die Toten in der Gruft des Château des Milandes in Castelnaud-la-Chapelle gehörten alle der aristokratischen Familie Caumont an, die seinerzeit einen hohen sozialen Status genoss. Offensichtlich sollten auch standesgemäße Begräbniszeremonien dieses Ansehen mehren. Mehrfache Einbalsamierungen in ein und derselben Familie seien selten, heißt es in der Pressemitteilung, und der einzige bekannte Fall im mittelalterlichen Westeuropa, in dem mehrere Einbalsamierungen in derselben Familie mit Kindern durchgeführt wurden, findet sich bei den Medici in Italien aus dem 15. Jahrhundert.
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