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Junges Universum: Entstehung der frühesten Spiralgalaxie enträtselt

Astronomen haben in die Kinderstube des Universums geblickt: Sie entdeckten eine 12,5 Milliarden alte Spiralgalaxie, die es so eigentlich gar nicht geben dürfte.
Illustration der frühesten Spiralgalexie

Die meisten Scheibengalaxien entstanden – nach kosmischen Maßstaben gerechnet – verhältnismäßig spät in der 13,8 Milliarden Jahre alten Geschichte des Universums. Bisher gehen Astronomen davon aus, dass Spiralgalaxien wie die Milchstraße ihre rotierende Scheibe erst rund vier bis sechs Milliarden Jahren nach dem Urknall durch die Ansammlung von heißen Gasen, Staub und Dunkler Materie bildeten. Doch nun entdeckten Forscher auf einer Aufnahme des leistungsstarken ALMA-Teleskopverbunds eine Scheibengalaxie aus der Kinderstube des Universums: Sie drehte sich bereits rund 1,5 Milliarden Jahre nach dem Urknall. Der Fund, den ein Team um Marcel Neeleman vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie in »Nature« bespricht, stellt damit auch die bisherigen Erklärungsmodelle in Frage, wie und wann die ersten Galaxien entstanden waren.

Bislang favorisieren Astronomen folgende These der Galaxiengründung: »Die frühesten großräumigen Strukturen im Universum waren kugelförmige ›Halos‹ aus dunkler Materie, die unter ihrer eigenen Schwerkraft kollabierten«, kommentiert ebenfalls in »Nature« der Astrophysiker Alfred Tiley von der University of Western Australia in Perth, der nicht an Neelemans Studie beteiligt war. Astronomen gehen weiter davon aus, dass heißes Gas aus der Umgebung in diese Halos floss, aus dem zunächst Sterne und dann Galaxien entstanden. Der Halo und die um ihn rotierende Galaxie verschmolzen anschließend miteinander – es formte sich eine Scheibe. Allerdings erst, als das heiße Gas über Milliarden von Jahren abgekühlt war. Vorher glichen die frühen Galaxien eher einer weit ausgedehnten Wolke aus Gas und Staub.

ALMAs Aufnahme der frühen Spiralgalaxie Wolfe Disk | Wie Astronomen erklären, zeigt das Bild den Moment, als das Universum erst zehn Prozent seines jetzigen Alters erreicht hatte.

Die Beobachtungen von Neeleman und seinen Kollegen widersprechen nun dem bisherigen Modell, decken sich allerdings mit theoretischen Berechnungen. Mit Hilfe der Teleskope des Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) in der chilenischen Wüste Atacama gelang den Forschern ein Blick auf die Galaxie DLA0817g. Damit konnten sie weiter als bisher in diesem Wellenlängenbereich in die Vergangenheit zurückblicken. Die nach dem Astronomen Arthur M. Wolfe (1939-2014) auch »Wolfe Disk« genannte Galaxie ist schätzungsweise 12,5 Milliarden alt. In ihrem Inneren, so schließen die Forscher aus den Aufnahmen von ALMA, befindet sich eine dichte, rotierende Scheibe aus kaltem Gas, die sich mit 272 Kilometer pro Sekunde ähnlich der Milchstraße dreht. Sie weist eine Masse auf, die 72 Milliarden Mal der Masse unserer Sonne entspricht. »Wir gehen davon aus, dass die Wolfe Disk hauptsächlich aus der steten Akkretion von kaltem Gas gewachsen ist«, sagt Koautor J. Xavier Prochaska von der University of California in Santa Cruz laut einer Presseaussendung. Damit sei allerdings noch die Frage offen, wie genau sich die große Masse an Gas ansammelte und zugleich eine stabile rotierende Scheibe ausbildete.

Ob alle frühen Galaxien durch den Fluss von kaltem Gas entstanden sind, sei damit noch nicht belegt, findet Alfred Tiley. »Es sind weitere ähnliche Beobachtungen von viel mehr Galaxien aus derselben Epoche erforderlich, bevor wir feststellen können, ob diese Galaxie allen anderen jener Zeit entspricht oder ob es sich um einen Ausreißer handelt.« Neeleman und seine Kollegen sind jedoch davon überzeugt, dass sie mit ALMA noch weitere frühe Scheibengalaxien aufspüren werden.

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