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Insekten: Bedrohter Schmetterling findet Zuflucht in Steinbrüchen

Tagebaue oder Steinbrüche klingen als ungewohnte Orte für den Naturschutz. Manche Arten finden in Deutschland aber gerade dort Zuflucht.
Geißkleebläuling

Die Zahl der Schmetterlinge ist in vielen Teilen Deutschlands in den letzten Jahrzehnten deutlich zurückgegangen: In Bayern etwa sind die Bestände teilweise um zwei Drittel geschrumpft. Viele Arten gelten als gefährdet oder sind sogar schon regional ausgestorben. Der Geißklee-Bläuling (Plebejus argus) hat allerdings ein ungewöhnliches Refugium gefunden, nachdem ihn veränderte Landnutzung aus seinem ursprünglichen Lebensraum stark verdrängt hat. Die beiden Biologen Thorsten Münsch und Thomas Fartmann von der Universität Osnabrück beschreiben in »Insect Conservation and Diversity«, dass der Falter zumindest in Teilen Norddeutschlands nun verstärkt in Kalksteinbrüchen siedelt, während er aus Wiesen im Kulturland flächendeckend verschwunden ist.

Er ist ein typischer Bewohner von offenen Kalk- oder Gipsmagerrasen, die früher durch Weideviehhaltung offen gehalten wurden. Durch Aufforstung, fehlende Beweidung und Überdüngung sind diese Lebensräume jedoch stark geschrumpft, weswegen der Bestand der darauf angewiesenen Schmetterlinge und anderer Insekten massiv zurückgegangen ist. Das zeigt auch die Studie von Münsch und Fartmann: Auf den von ihnen untersuchten, aufgegebenen Wiesen konnten sie keine Geißklee-Bläulinge mehr nachweisen, bei bewirtschafteten Wiesen fehlten sie in etwas mehr als 40 Prozent der Flächen.

Doch die Tiere haben einen Ersatzlebensraum gefunden: aktiv bewirtschaftete Steinbrüche. In allen neun untersuchten Steinbrüchen, in denen abgebaut wurde, lebten die Insekten. Bei aufgegebenen Arealen traf dies immerhin noch auf 60 Prozent zu. Ihre Gesamtzahl lag in den Steinbrüchen zudem viermal höher als in den Wiesen. Der Grund dafür liegt im besonderen Lebenszyklus der Bläulinge, schreiben die beiden Wissenschaftler.

Wie der Name andeutet, legen die Bläulinge ihre Eier an Geißklee ab, der auch auf dünnen Böden und stark gestörten Standorten wächst, wo ihn wuchsstärkere Pflanzen erst einmal nicht verdrängen können. Nach dem Schlüpfen werden die Raupen von Ameisen bewacht, die im Gegenzug mit einem klebrigen Sekret belohnt werden, von dem sie sich auch ernähren. Nach dem Verpuppen wird der Schmetterlingsnachwuchs in den Ameisenbau gebracht, wo er schlüpft.

Früher hielten Auerochsen oder Rinder die nötigen Stellen für den Geißklee fern beziehungsweise hielten die Konkurrenz frei. Heute erledigen dies die Bagger und Lastwagen in den Steinbrüchen. Das offene Gestein sorgt zudem für ein wärmeres Mikroklima, von dem Ameisen und Falter profitieren, während auf den Wiesen durch die Überdüngung Gräser und bestimmte Kräuter zu dicht und stark wachsen und so den Untergrund beschatten.

Werden Steinbrüche allerdings aufgegeben, verbuschen sie rasch. Ein angepasstes Management ist dann nötig, um Wärme liebende Arten hier zu erhalten. Auch andere Studien haben schon gezeigt, dass Bergbaufolgelandschaften die Artenvielfalt steigern können, wenn man der Natur erst einmal freie Bahn verschafft und die Gebiete nicht gleich intensiv »renaturiert«.

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