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Sterne: Blaue Weiße Zwerge

Junge Weiße Zwerge sind eigentlich blau. Neue Beobachtungen verdoppeln die bisher bekannte Anzahl an den seltenen Sternüberresten, deren extreme Eigenschaften einzigartige Beobachtungen ermöglichen.
Weißer Zwerg (künstlerische Animation)
Weiße Zwerge sind am Anfang ihrer Entwicklung extrem heiß. Im Milchstraßensystem gibt es bisher nur wenige Exemplare, die in dieser frühen Phase beobachtet werden konnten.

Ein Team um Nicole Reindl von der Universität Potsdam hat die Entdeckung von 68 hellen »blauen« Weißen Zwergen bekannt gegeben und damit die bisher bekannte Anzahl dieser seltenen Objekte nahezu verdoppelt. Die Forscher nutzten unter anderem das Large Binocular Telescope in Arizona und das Very Large Telescope in der chilenischen Atacamawüste, um Spektren der Sterne zu gewinnen. Die Ergebnisse werden im Journal »Astronomy & Astrophysics« erscheinen und sind bereits auf dem Preprintserver »arXiv« verfügbar.

Weiße Zwerge sind die sehr kompakten Überreste alter Sterne, deren Masse nicht ausreichte, um am Ende ihres Lebens zu einem Neutronenstern oder Schwarzen Loch zu kollabieren. In Weißen Zwergen kam die Fusion von Atomkernen zum Erliegen. Stabilisiert werden die Sternüberreste durch einen Quantendruck, weil sich Elektronen im Inneren des Zwergs auf Grund des Pauli-Prinzips nicht beliebig nah kommen dürfen. Etwa 97 Prozent aller Sterne werden letztendlich zu Weißen Zwergen, weshalb sie für unser Verständnis von stellaren Entwicklungswegen sehr bedeutsam sind. Besonders interessant sind neu entstandene und noch sehr heiße (blaue) Weiße Zwerge, die jedoch nur einen kleinen Bruchteil ausmachen: Unter den 72 983 beobachteten Weißen Zwergen waren bisher nur 63 mehr als 60 000 Kelvin heiß und gleichzeitig hell genug, um näher untersucht zu werden. Das sind weniger als 0,1 Prozent.

Der Anfang vom Ende

Bevor Weiße Zwerge über viele Milliarden Jahre immer weiter auskühlen, durchlaufen sie eine vergleichsweise kurze Phase, in der sie extrem heiß sind. Hier bietet sich die Gelegenheit für einzigartige Beobachtungen. So liegen schwere Elemente jenseits von Eisen in hochionisierten Zuständen vor, die unser Verständnis von Energieniveaus in Atomkernen verbessern. Blaue Weiße Zwerge ermöglichen es außerdem, die Geschichte der Sternentwicklung unserer Galaxie nachzuvollziehen, die Wechselwirkung kleinster Teilchen unter extremen Bedingungen zu messen, und sie können zur Kalibrierung von Beobachtungen genutzt werden.

So hilfreich diese jungen stellaren Überreste auch sind, sie selbst sorgen noch für einige Unklarheiten. Das vielleicht seltsamste Phänomen ist das plötzliche Auftauchen bisher unidentifizierter Absorptionslinien in ihren Spektren, welche möglicherweise auf bis zu neunfach ionisierte Metalle zurückgehen. Diese könnten bei Temperaturen über 100 000 Kelvin durch Winde und Stoßwellen in der Magnetosphäre der Weißen Zwerge erzeugt werden. Manche blauen Weißen Zwerge stellen damit eine bis vor Kurzem unbekannte Klasse veränderlicher Sterne dar.

Die neuen Beobachtungen der Gruppe um Reindl und die nun viel größere Anzahl an Objekten erlauben zuverlässigere statistische Auswertungen. So scheinen insgesamt etwa 26 Prozent der blauen Weißen Zwerge Helligkeitsschwankungen zu haben: diese sind in den meisten Fällen auf Flecken zurückzuführen, die sich beim Abkühlen auf ihrer Oberfläche bilden. Jeder Fünfte zeigt die auffälligen Linien schwerer, hochangeregter Metalle. Unter den neuen Objekten gab es außerdem drei, die sich wahrscheinlich im Zentrum von planetarischen Nebeln befinden. Weitere Auswertungen werden zeigen, wie unterschiedlich diese frühe Entwicklungsphase im Leben eines Weißen Zwergs verläuft.

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