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Evolution: Klimakrise treibt baumbewohnende Primaten auf den Boden

Die Vorfahren der Menschen zogen einst ein Stockwerk tiefer, vom Baum auf den Boden. Nun wird es dort oben auch anderen Primaten zu heiß – doch nicht alle verkraften die Anpassung.
Ein Brauner Maki auf Madagaskar
Ein Brauner Maki (Eulemur fulvus) versteckt sich in der Krone eines Baums auf Madagaskar.

Die Abkehr vom Baum steht fast symbolisch für die Menschwerdung. Während viele Affenarten nach wie vor überwiegend in Baumwipfeln zu Hause sind, lernten unsere Vorfahren einst die Vorteile der Lebensweise am Boden zu schätzen – und begannen aufrecht zu gehen. Die Gründe für diesen evolutionären Schritt sind vielfältig. Nun treiben die Klimakrise und der weltweite Schwund der Wälder Lemuren und andere baumbewohnende Primatenarten auf den Boden. Das berichten die Autoren einer Studie, die im Fachblatt »PNAS« erschienen ist. Der Wechsel des Lebensraums könne die Tiere vor dem Aussterben bewahren – allerdings sei eine solche Anpassung nicht allen Arten möglich.

»Die Studie begann mit einer Diskussion unter Kollegen, die beobachtet hatten, dass bestimmte Populationen baumbewohnender Primaten mehr Zeit auf dem Boden verbringen als noch vor einigen Jahren«, sagte Biologe und Hauptautor Timothy Eppley von der San Diego Zoo Wildlife Alliance laut dpa. Daraufhin taten sich 118 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen von 124 Institutionen zusammen und sammelten mehr als 150 000 Stunden Beobachtungsdaten zu 15 Lemuren- und 32 Affenarten an 68 Standorten in Amerika und Madagaskar. Alle untersuchten Primatenarten leben überwiegend in Bäumen.

Die Forschungsgruppe stellte anhand ihrer Daten fest, dass Primaten, die nur wenig Früchte verzehren und ein eher breites Nahrungsspektrum haben, mehr Zeit auf dem Boden verbringen als Primaten, die fast ausschließlich Früchte fressen. Ebenso suchten Arten, die in großen Gruppen und in eher heißen und trockenen Umgebungen leben, häufiger Zuflucht am Boden als solche, die in kleinen Gruppen und kühlen Umgebungen leben. »Wir sehen, dass Primatenarten wie Eulemur fulvus und Eulemur rufifrons in den heißen, tropischen Laubwäldern Madagaskars erheblich mehr Zeit auf dem Boden verbringen als ihre Artgenossen in den kühleren, feuchten Wäldern, wahrscheinlich um Zugang zu terrestrischen Wasserquellen zu erhalten«, heißt es in der Studie. Es sei denkbar, dass dies die Tiere vor den Auswirkungen der Waldzerstörung und des Klimawandels schütze, sagte Studienleiter Eppley.

Veränderungen vollziehen sich zu schnell

Außerdem klettern Primatenpopulationen, die sich in der Nähe menschlicher Städte und Straßen befinden, deutlich seltener von den Bäumen herunter. »Dieses Ergebnis könnte darauf hindeuten, dass die Anwesenheit des Menschen, die oft eine Bedrohung für Primaten darstellt, die natürliche Anpassungsfähigkeit der Arten an den Klimawandel beeinträchtigt«, erklärte der Biologe Luca Santini von der römischen Universität Sapienza. Für die Arten, die weniger zu terrestrischen Aktivitäten neigen, müssten schnelle und effektive Erhaltungsstrategien umgesetzt werden, um ihr Überleben zu sichern, schreiben die Studienautoren.

Grundsätzlich habe es in der Evolution der Primaten mehrfach Übergänge von einer baumbewohnenden zu einer terrestrischen Lebensweise gegeben. Die heutigen schnellen Veränderungen stellten allerdings eine ernsthafte Bedrohung dar, betont Giuseppe Donati von der Oxford Brookes University, ein weiterer Autor der Studie. »Obwohl ähnliche ökologische Bedingungen und Artenmerkmale frühere evolutionäre Umstellungen von baumbewohnenden Primaten, einschließlich Homininen, auf eine bodengebundene Lebensweise beeinflusst haben könnten, ist klar, dass das derzeitige Tempo der Abholzung und des Klimawandels die meisten Primatenarten in Gefahr bringt.«

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