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News: Lichtscheu

Sie richten sich üblicherweise nach der Sonne aus, um möglichst viel Lichtenergie zu absorbieren. Doch Chloroplasten können auch anders: Forscher untersuchten nun, wie die Zellorganellen auf zu starkes Sonnenlicht reagieren.
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Kein Leben ohne Licht – auf diesem einfachen Grundsatz basiert die Evolution des Pflanzenreichs rund um den Globus. Pflanzen nutzen das Sonnenlicht als Energiequelle, um diese in chemische Energie umzusetzen, die sie in Form von Kohlenhydraten speichern.

Allerdings kann zuviel Licht fatale Folgen haben. Strahlung, die intensiver als die zur Photosynthese nutzbare ist, führt zu ernsthaften Schäden: In den Plastiden entstehen reaktive Sauerstoffverbindungen, die ihrerseits zelleigene Strukturen bedrohen. Das Resultat bleibt unserem Auge nicht verborgen: Die Blätter bleichen aus, und schlimmstenfalls fällt die ganze Pflanze diesem solaren Angriff zum Opfer. Dies geschieht auch unter natürlichen Wachstumsbedingungen und stellt einen der Gründe dar, weshalb nur wenige Arten in der Wüste überleben können.

Dabei verhalten sich Pflanzen bei starker Sonneneinstrahlung ganz ähnlich wie der Mensch: Sie meiden das Licht oder schützen sich vor dessen unliebsamen Auswirkungen. Da es den meisten Pflanzen aber an der Möglichkeit zur Verlagerung ihres Standorts mangelt, haben sie andere trickreiche morphologische und physiologische Schutzmechanismen entwickelt. Sie klappen ihre Blätter ein, wandeln überschüssige Lichtenergie in Wärme um oder entgiften Sauerstoffradikale mit Hilfe von Enzymen.

Ein weiterer Mechanismus lässt sich eindrucksvoll unter dem Mikroskop beobachten: Trifft zu intensives Sonnenlicht auf das Blatt, dann wandern die Chloroplasten wie von Geisterhand geleitet zu den parallel zur einfallenden Strahlung ausgerichteten Zellwänden. Auf diese Weise aufgestapelt, reduzieren sie ihre Angriffsfläche auf ein Minimum.

Doch bislang stand der experimentelle Beweis für derartige Mechanismen noch aus. Diesem Zustand vermochten die Wissenschaftler um Masamitsu Wada vom National Institute for Basic Biology im japanischen Okazaki nun Abhilfe zu leisten. Ansatzpunkt waren die so genannten Phototropine, also Blaulichtrezeptoren, die der Zelle signalisieren, ob eine Verlagerung der Chloroplasten anzuraten ist. Von diesen Rezeptoren existieren zwei Varianten, Phototropin 1 und Phototropin 2. Die Forscher schalteten jeweils eines der dafür verantwortlichen Gene in der gut untersuchten Versuchspflanze Arabidopsis aus und bestrahlten die vier Wochen alten Versuchsobjekte für definierte Zeitabschnitte.

Unter dem Mikroskop konnten die Wissenschaftler beobachten, dass sich Phototropin-1-Mutanten völlig normal verhielten und ihre Chloroplasten ähnlich wie die Wildtyp-Pflanzen längs zum Einfallswinkel der Strahlung ausrichteten. Bei Phototropin-2-Mutanten war diese Vermeidungsbewegung aber defekt: Die Plastiden wechselten nicht ihre Position und waren daher ungeschützt dem Licht ausgesetzt. Die Folge: Bereits nach zehn Stunden Bestrahlung bleichten die Blätter aus, nach 31 Stunden waren sie irreparabel geschädigt.

Ganz ähnlich verhielt sich eine weitere Arabidopsis-Mutante, die durch einen Defekt des intrazellulären Bewegungsapparates generell nicht zur Verlagerung der Chloroplasten befähigt war. Auch hier die gleichen Symptome: Die Chloroplasten befanden sich dem Sonnenlicht ungeschützt ausgeliefert im Cytosol, was die Zellen in den nekrotischen Zelltod trieb. Dies lieferte also ein weiteres Indiz dafür, dass erst das Zusammenspiel von Lichtrezeptor und Plastidenbewegung das Überleben im grellen Sonnenlicht ermöglicht.

In allen bislang daraufhin untersuchten Pflanzen, darunter Algen, Moose, Farne und Samenpflanzen, existiert diese Vermeidungsbewegung der Chloroplasten. Daher, so vermuten die Wissenschaftler, handelt es sich offenbar um einen essenziellen und entwicklungsgeschichtlich alten Mechanismus.

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