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Long Covid: Mitochondrien unter Verdacht

Manche sind noch Monate nach der Sars-CoV-2-Infektion geschwächt. Eine Studie liefert neue Hinweise auf biologische Ursachen der krankhaften Erschöpfung.
Frau sieht krank aus und liegt auf dem Sofa
Einige Menschen mit Long Covid sind nur weniger belastbar; andere dauerhaft so krank, dass sie das Bett nicht mehr verlassen können. (Symbolbild)

Ein Teil derer, die an Covid erkranken, kommt langfristig nicht mehr richtig auf die Beine. Betroffene leiden manchmal auch noch nach Monaten oder gar Jahren unter Symptomen wie Husten, Kurzatmigkeit oder Konzentrationsstörungen. Ein typisches Merkmal dieser Long Covid genannten Symptomatik ist die »Fatigue«, eine krankhafte Erschöpfbarkeit. Oft verschlimmern sich alle Beschwerden, wenn Betroffene sich angestrengt haben – ob körperlich oder geistig. In manchen Fällen reicht dafür schon der Gang zum Briefkasten oder ein längeres Gespräch.

Diese Verschlechterung des Zustands nach Aktivität heißt in der Fachsprache »Belastungsintoleranz«. Forschende um Brent Appelman vom Amsterdam University Medical Center wollten herausfinden, was bei Betroffenen infolge von Anstrengung im Körper passiert. Die Ergebnisse erschienen Anfang Januar 2024 im Journal »Nature Communications«. Das Team um Appelman hatte 25 Long-Covid-Erkrankte, die bereits seit mehr als sechs Monaten an den Langzeitfolgen litten, eine kurze Sporteinheit absolvieren lassen: 15 Minuten auf dem Fahrrad-Ergometer. Zum Vergleich sollten auch 21 Gesunde radeln, die sich nach einer Covid-Erkrankung längst wieder vollständig erholt hatten.

Eine Woche zuvor hatten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Blut sowie Proben des Oberschenkelmuskels aller Versuchspersonen untersucht. Einen Tag nach dem Workout auf dem Ergometer schauten sie sich beides erneut an. Bei den Long-Covid-Erkrankten zeigten sich zu beiden Zeitpunkten Auffälligkeiten, nach dem Sport hatten diese sich verschärft. »Wir haben verschiedene Anomalien im Muskelgewebe der Patienten festgestellt. Auf zellulärer Ebene sah man, dass die Mitochondrien, auch bekannt als die Energiefabriken der Zelle, in den Muskeln weniger gut funktionieren und weniger Energie produzieren«, sagt Rob Wüst, Professor am Department of Human Movement Sciences der Freien Universität Amsterdam und Teil des Teams. Die Mitochondrien wandeln Zucker und Sauerstoff in Energie um und stellen sie dem Körper im Normalfall in Form von Adenosintriphosphat (ATP) bereit. Dieser Vorgang ist bei Long-Covid-Betroffenen offenbar gestört.

Hinweise auf eine Fehlfunktion der Mitochondrien gibt es bereits beim Chronischen Fatigue-Syndrom ME/CFS. Diese häufig schwere Erkrankung tritt typischerweise nach einer Virusinfektion auf. Charakteristisch ist auch hier die Belastungsintoleranz: die Zunahme der Symptome durch jegliche Form der Anstrengung. Oft tritt die Verschlechterung nicht sofort ein, sondern leicht verzögert, so dass sich die Überanstrengung erst Stunden später oder am nächsten Tag bemerkbar macht. Das macht es Betroffenen schwer, die eigenen Grenzen zu erkennen und einen solchen »Crash« zu vermeiden. Einige Menschen mit Long Covid erfüllen auch die Diagnosekriterien für ME/CFS. Bislang ist unklar, wie groß der Anteil von Menschen mit ME/CFS nach einer Sars-CoV-2-Infektion ist. Fachleute rechnen auch mit einer Zunahme der ME/CFS-Fälle infolge der Pandemie.

Für die These, dass im Körper verbliebene Viruspartikel die Long-Covid-Symptome hervorrufen, fanden die niederländischen Forscher zumindest in den Muskeln keine Hinweise. Allerdings ist die Gruppe der Untersuchten in der Studie recht klein und das Krankheitsbild nicht einheitlich: Nicht jeder Long-Covid-Erkrankte hat dieselben Beeinträchtigungen, und die Mechanismen der Krankheit unterscheiden sich höchstwahrscheinlich von Person zu Person.

Weil sich die Symptome durch Anstrengung verschlimmern können, seien klassische Reha-Maßnahmen, die auf körperliche Aktivierung setzen, zumindest für einen Teil der Long-Covid-Betroffenen kontraproduktiv. Das Forschungsteam empfiehlt behutsame Bewegung wie Spaziergänge, jedoch müsse man auch dabei die Belastbarkeitsgrenze jedes einzelnen Patienten beachten. Die Wissenschaftler möchten nun nach Therapien suchen, die dazu beitragen könnten, den Energiestoffwechsel von Long-Covid-Patienten zu normalisieren.

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