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Klimawandel: Methan löste einst globalen Hitzeschock aus

Der Klimaschock vor 56 Millionen Jahren ähnelt auffallend der Gegenwart: ein dramatischer Temperaturanstieg binnen kürzester Zeit. Lange rätselten Fachleute über die Ursache.
Seismisches Bild des Modgunn-Vents.
Ganze Kraterfelder entstanden vor 56 Millionen Jahren zwischen Norwegen und Grönland. Ursache waren horizontale Magmagänge, die gigantische Mengen Gas aus dem Sediment trieben.

Globale Erwärmung, versauerte Meere und zusammenbrechende Ökosysteme: Was klingt wie die nahe Zukunft, spielte sich vor 56 Millionen Jahren mit sehr großer Wahrscheinlichkeit schon einmal ab. Binnen weniger tausend Jahre gelangten gigantische Mengen Treibhausgase in die Atmosphäre. Die globale Durchschnittstemperatur stieg um rund fünf Grad an. Es dauerte weit mehr als 100 000 Jahre, bis sich das Klima wieder normalisierte. Das Ereignis, Paläozän-Eozän Thermales Maximum (PETM) genannt, zeigt auffallende Parallelen zum menschengemachten Klimawandel, die seit Jahren Fachleute in ihren Bann ziehen.

Umstritten ist allerdings die Ursache des erdgeschichtlichen Extremereignisses. Daten von Kohlenstoffisotopen aus Meeressedimenten, die zu Beginn des PETM eine deutliche Anreicherung des leichteren Kohlenstoffs 12C gegenüber 13C zeigen, belegen starke Treibhausgasemissionen binnen kurzer Zeit. Doch welche klimawirksamen Gase waren dafür verantwortlich, und woher kamen sie?

Nun gibt es neue Antworten auf diese seit Langem diskutierte Frage. Der Schlüssel dazu sind neue Daten aus einer als Modgunn-Bogen bezeichneten Region am Boden des Nordatlantiks vor Norwegen. Im Jahr 2020 blickte dort das norwegische Forschungsschiff Helmer Hansen mit Hilfe von Schallwellen mehr als einen Kilometer tief in den Meeresgrund. Ein Jahr später entnahm das Spezialschiff Joides Resolution fünf bis zu 200 Meter lange Sedimentkerne. Das Objekt der Begierde: Ein einstmals 1,3 Kilometer messender, heute von Schlamm überdeckter Krater. Hier soll die Klimakatastrophe vor 56 Millionen Jahren begonnen haben.

Denn die Befunde, die ein Team um Christian Berndt vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Meeresforschung ausgewertet und veröffentlicht hat, stützen eine Vermutung, die Fachleute bereits im Jahr 2004 entwickelten. Unterirdische Magmagänge seien während einer vulkanischen Episode in ein kohlenstoffreiches Sedimentbecken eingedrungen, hätten den Meeresboden aufgeheizt und große Mengen Methan aus dem Untergrund freigesetzt. Seismische Daten von der Suche nach Öl und Gas nämlich hatten tausende zum Teil riesige Krater vor Norwegen und Grönland enthüllt, die heute tief unter dem Meeresboden begraben liegen, aber vor rund 56 Millionen Jahren noch an der Oberfläche lagen. Diese Krater, so lautet die Vermutung, seien Spuren der gigantischen Gasausbrüche.

Die Rolle des Methans

Vor allem aber sind diese Krater groß und zahlreich genug, um die zentrale Frage zum Ursprung des PETM zu beantworten: woher all das Treibhausgas in so kurzer Zeit kam. Es geht um gewaltige Mengen. Aus den Isotopendaten lässt sich hochrechnen, dass bis zu 12 000 Milliarden Tonnen Kohlenstoff binnen weniger tausend Jahre in die Ozeane und Atmosphäre gelangten. Etliche Indizien zeigen, dass Vulkane beteiligt waren. Zu jener Zeit hatte der Nordatlantik zwischen Grönland und Europa gerade begonnen sich zu öffnen, ein neuer Mittelozeanischer Rücken bildete sich. Gleichzeitig stieß ein vulkanischer Hotspot zwischen Norwegen und Grönland über 15 Millionen Jahre lang große Mengen Lava und Klimagase aus.

Die vulkanische Aktivität zu Beginn der PETM allein kann den rapiden Anstieg der Treibhausgase jedoch nicht vollständig erklären. Womöglich, so vermuten Fachleute, waren große Mengen Methan daran beteiligt. Methan ist im Vergleich zu vulkanischem Kohlendioxid ein erheblich stärkeres Treibhausgas. Man braucht also weniger davon, um einen extremen Klimawandel wie den vor 56 Millionen Jahren zu erklären.

Solche Überlegungen inspirierten auch die wohl bekannteste – und zugleich erschreckendste – Vermutung über den Ursprung der PETM. Demnach wurden weltweit im Meeresboden Methanhydrate instabil – Käfigverbindungen aus Methan und Wasser, die Eis ähneln und tief im Sediment des Meeresbodens in enormen Mengen kristallisieren. Wärmeres Wasser in der Tiefe könnte die Ablagerungen instabil gemacht oder enorme Rutschungen die Lagestätten freigelegt haben. Das hätte nahegelegt, dass vergleichbare Szenarien heute ebenfalls denkbar sein könnten.

Doch es gibt auch Zweifel an den Hypothesen: Ein wärmerer Ozean hätte das hunderte Meter tief vergrabene Methan nicht so schnell zersetzen können – und für globale Rutschungen gibt es weder Indizien noch einen plausiblen Mechanismus.

Punktlandung vor 56 Millionen Jahren

Die 2004 aufgestellte Vermutung, dass vulkanisch getriebene Gasausbrüche die Methanverbindungen auflösten, bietet dagegen sowohl Mechanismus als auch Geschwindigkeit. Die seismischen Daten der Helmer Hansen zeigen eine deutlich erkennbare Wurzelzone unter dem Modgunn-Gasaustritt, die hunderte Meter tief bis an horizontale Magmagänge reicht. Diese Magmagänge, Sills genannt, gehören zu einem ganzen Gangkomplex, der einst in das kohlenstoffreiche Sedimentbecken eindrang. Dieser Komplex bildete sich, wie eine Überschlagsrechnung zeigt, in nur 1000 bis 60 000 Jahren.

Die zweite Frage, die das Team um Berndt zu klären hatte, betrifft die Wassertiefe. Wäre der Modgunn-Krater in mehr als anderthalb Kilometer Tiefe ausgebrochen, wäre der größte Teil des Methans nie in die Atmosphäre gelangt. Alles weist auf einen Ausbruch in sehr flachem Wasser: Das Methan aus dem Modgunn-Gasaustritt gelangte augenblicklich in die Atmosphäre.

Die Bohrkerne deuten darauf hin, dass all das wohl tatsächlich sehr kurz vor Beginn der PETM geschah – lediglich in den alleruntersten Schichten der Kraterfüllung fehlen die verräterischen Kohlenstoffisotope und Mikrofossilien, die den uralten Klimawandel kennzeichnen. Vermutlich trat das Gas nur wenige Jahrtausende vor der PETM aus, schreibt das Team um Berndt – und womöglich noch, als die Erde bereits in eine beispiellose Warmzeit gestürzt war. Und der Modgunn-Gasaustritt ist nur einer von tausenden, die ungefähr zur gleichen Zeit über einem vulkanischen Gangkomplex entlang der auseinanderbrechenden Kontinente entstanden.

Die Arbeitsgruppe weist darauf hin, dass sie bisher keine detaillierten Berechnungen über die ausgestoßene Kohlenstoffmenge angestellt hat. Allerdings zeichnet die Untersuchung des Modgunn-Gasaustritts das bisher überzeugendste Bild des Klimawandels am Beginn der PETM. Magma drang binnen weniger tausend Jahre von unten in ein kohlenstoffreiches Sedimentbecken zwischen zwei sich trennenden Kontinenten ein. Das vulkanische Feuer trieb das eigentlich für Millionen Jahre begrabene organische Material zurück in die Atmosphäre, wo es einen drastischen Klimaschock auslöste. Damit gibt der Blick in die Vergangenheit eine Ahnung von der Zukunft – nur ohne den zusätzlichen Einfluss des Menschen.

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