Direkt zum Inhalt

Pharmazie: Mit eigenen Waffen

Wochenlang versetzte ein weißes Pulver die amerikanische Bevölkerung in Angst und Schrecken: Wenige Tage nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurden vier unschuldige Menschen Opfer von Briefen, die das Pulver enthielten - Sporen des Milzbrand-Erregers. Der Nachbau eines für Anthrax charakteristischen Moleküls könnte die Basis für einen neuen Anthrax-Impfstoff sein.
<i>Bacillus anthracis</i>
Die Sporen von Bacillus anthracis rufen eine Anthrax oder Milzbrand genannte Krankheit hervor, die Pflanzenfresser wie Rinder, Schafe und Ziegen befällt. Menschen infizieren sich nur selten – es sei denn, die extrem widerstandsfähigen Sporen werden speziell präpariert und als biologische Waffe eingesetzt. Wer diese Sporen einatmet, stirbt innerhalb weniger Tage. Um auf eine Bedrohung vorbereitet zu sein, ist man auf effektive Impfstoffe angewiesen.

Der erste Schritt bei der Entwicklung eines Impfstoffs ist die Suche nach einem geeigneten Antigen. Dabei handelt es sich um ein Molekül oder Molekülteil, das charakteristisch für einen Krankheitserreger ist und auf den das Immunsystem mit der Bildung von Antikörpern reagiert.

Anthrax-Antigen | Der Milzbrand-Erreger Bacillus anthracis trägt auf der Oberfläche seiner Sporen spezifische Moleküle wie diesen Vierfachzucker, die als Antigen eine Immunantwort des Körpers hervorrufen. Damit eignen sie sich als Impfstoffe gegen Anthrax.
Wie die meisten Bakterien besitzt auch Bacillus anthracis auf der Oberfläche seiner Sporen spezifische Oligosaccharide, also Mehrfachzucker, die vermutlich eine wichtige Rolle bei der Wechselwirkung mit dem befallenen Organismus spielen. Die Struktur eines solchen Oligosaccharids haben Wissenschaftler im vergangenen Jahr aufgeklärt: Das Molekül besteht aus vier Zuckereinheiten. Besonders interessant ist einer der endständigen Zucker, Anthrose genannt, der offenbar ausschließlich auf der Oberfläche von Anthrax-Sporen vorkommt.

Peter Seeberger und Daniel Werz von der ETH Zürich ist es nun gelungen, diesen Vierfachzucker erstmals in einer Totalsynthese nachzubauen. Herzstück war dabei ein neuer, besonders effektiver Syntheseweg für die Anthrose-Einheit. An den künstlich hergestellten Vierfachzucker knüpften die Wissenschaftler zusätzlich eine Art molekularen Haken an, an den später ein Transportprotein gekuppelt werden kann, das für eine erfolgreiche Immunisierung notwendig ist. Ihren gesamten Syntheseweg legten sie so flexibel aus, dass auch Varianten des Zuckermoleküls auf einfache Weise zugänglich sind.

"Zurzeit führen wir immunologische Studien mit dem Vierfachzucker durch", erläutert Seeberger. "Parallel dazu stellen wir eine Reihe von Abkömmlingen des Zuckers her, um auch deren Potenzial als hochspezifische Anthrax-Impfstoffe zu beleuchten."

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.